Luftfahrtindustrie : Boeing-Software MCAS: Wenn Computer Flugzeuge abstürzen lassen

Einem Untersuchungsbericht zufolge könnte das Trimmsystem für den Absturz einer Ethiopian-Airlines-Maschine im März mit 157 Toten verantwortlich sein. Das MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System) kommt bei den Flugzeugen des Typs Boeing 737 Max 8 zum Einsatz und soll die Piloten eigentlich während der Startphase unterstützen.

Hinweise auf eine Fehlkonstruktion hatte es bereits bei einem ähnlichen Absturz des gleichen Modells der Gesellschaft Lion Air im Oktober gegeben. Damals waren 189 Menschen ums Leben gekommen. Der Unfallhergang war in beiden Fällen ähnlich: Beide Flugzeuge stiegen nach dem Start mit äußerst unregelmäßiger Flugkurve und -geschwindigkeit, sanken anschließend unkontrolliert ab und schlugen schließlich steil auf den Boden auf.

Piloten kämpften vergeblich um die Kontrolle - Bordsystem war stärker

Laut dem Flugdatenschreiber des Lion-Air-Flugs kämpften die Piloten um Kontrolle über das Flugzeug, während das MCAS die Flugzeugnase nach dem Start immer wieder nach unten drückte. Wie das äthiopische Verkehrsministerium nun berichtete, kämpften auch die Ethiopian-Airlines-Piloten mit der Steuerungsautomatik - wobei das Ministerium das MCAS aber nicht konkret benannte.

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Boeing hatte das Trimmsystem wegen der neuen, verbrauchseffizienteren Triebwerke des jüngsten Sprosses der 737-Familie eingeführt. Die Antriebe verändern aufgrund ihres erhöhten Gewichts die Aerodynamik und den Schwerpunkt des Flugzeuges. Besonders im Steigflug kann der Schub der Triebwerke so stark werden, dass sich die Maschine nicht mehr gerade ausrichten lässt.

Das MCAS soll genau das verhindern. Sensoren, die den Flugwinkel messen, melden dem System, wenn das Flugzeug zu übersteuern droht. Dann drückt ein Stabilisierungsmechanismus am Heck der Maschine die Nase wieder nach unten.

Eigentlich soll sich das System nur in außergewöhnlichen Situationen einschalten. Im Fall des Lion-Air-Fluges war laut einem ersten Unfallbericht ein fehlerhafter Sensor dafür verantwortlich, dass es aktiviert wurde.

Einen Tag vor dem Absturz der indonesischen Maschine im Oktober hatten Piloten es geschafft, das MCAS im selben Flugzeug außer Kraft zu setzen. Dafür ist es jedoch nötig, die gesamte automatisierte Flugkontrolle abzuschalten.

Boeing war nach dem Absturz der Lion-Air-Maschine in die Kritik geraten, weil der Konzern Piloten der 737 Max 8 nicht ausreichend zum MCAS geschult habe. Daraufhin hatte der Flugzeugbauer neue Anleitungen an die Airlines geschickt, die das Modell nutzten. Laut dem Bericht des äthiopischen Verkehrsministeriums folgten die Ethiopian-Airlines-Piloten genau diesen Notfallanweisungen mehrfach erfolglos.

Das Ministerium empfahl nun eine Überarbeitung der Steuerungsautomatik. Nach dem Absturz der Ethiopian-Air-Maschine hatte Boeing ein Software-Update für das MCAS angekündigt.

Vergangene Woche stellte Boeing die Änderungen vor. So soll das MCAS nicht wiederholt Korrekturen vornehmen, wenn die Piloten versuchen, die Kontrolle über die Maschine zurückzugewinnen. Außerdem soll sich das System automatisch abschalten, wenn die beiden Sensoren, die den sogenannten Anstellwinkel messen, widersprüchliche Daten liefern.

Boeing hofft auf eine rasche Zulassung des Softwareupdates, denn weltweit herrscht für die 737 Max derzeit Flugverbot. Die US-Luftfahrtbehörde FAA forderte am Dienstag aber noch Nachbesserungen und erwartet, dass Boeing das endgültige Softwarepaket "in den kommenden Wochen" vorlegen wird.

(Von Chris Lefkow, AFP / APA/red)