Manager-Autotest : BMW i3 im Manager-Autotest: „Ein bisschen wie Autodrom“

BMW i3 Manager-Autotest Schur Flexibles Schernthaner Humer
© Vanessa Witt / Industriemagazin

Eine gewisse Zärtlichkeit kann der Liaison nicht abgesprochen werden, die die beiden Herren mit alten Fahrzeugen unterhalten. Der eine – Michael Schernthaner – nennt einen Käfer aus den 70ern sein Eigen und schätzt seinen alten Porsche 356 noch als wahrhaftiges Auto. Der andere – Friedrich Humer – sammelt alte VW-Busse, sogenannte Bullis, mit denen er beim Camping-Urlaub entschleunigt.

Man könnte fast meinen, die beiden hätten sich an einer Tankstelle kennengelernt. Tatsächlich war es der gemeinsame Ex-Arbeitgeber Constantia Packaging, der sie bei Schur Flexibles wieder zusammengebracht hat. Die Gruppe mit Holding-Sitz in Wiener Neudorf ist ein rasant wachsender Verpackungskonzern, der im Eigentum des amerikanischen Private-Equity-Unternehmens Lindsay Goldberg steht. Inzwischen wurden über 20 Werke akquiriert und die Tour geht weiter. Aus den 520 Millionen Euro Umsatz dürften heuer noch 600 werden, so die jüngsten M&A-Pläne aufgehen. Schernthaner steht dem Unternehmen als CEO vor, Humer ist dessen internationaler Vertriebschef.

Gemeinsam sagten sie spontan einer Testfahrt mit dem neuen BMW i3 zu. Der kleine E-Wagen der Bayern ist praktisch die Antithese zu dem, was die Manager in ihrer Freizeit bewegt. Hochvolt statt Kompression, Ladezeit statt Benzingeruch und Board-Entertainment statt Öltemperatur.

Zwei E-Tanken in Betrieb

Wir treffen Humer und Schernthaner mit dem Elektrobayern an ihrem Holding-Sitz in Wiener Neudorf. Auf dessen Parkplatz findet sich vorwiegend beschleunigungsfähiges Fuhrwerk aus deutscher Produktion. Aber man habe auch Sinn für die Elektromobilität, wie Schernthaner betont. Zuletzt wurden zwei Elektrotankstellen für Mitarbeiterfahrzeuge in Betrieb genommen. „Natürlich bevorzugen wir E-Fahrzeuge“, sagt Schernthaner. Ob das jetzt mehr zu seinem sehr mitarbeiterorientierten Führungsstil passt oder zum Nachhaltigkeitsprogramm, das sich die Gruppe selbst auferlegt hat, bleibt offen.

Schur produziert Kunststoffverpackungen und gehört damit zu einer Branche, die nicht unbedingt als Speerspitze der Weltenrettung wahrgenommen wird. Das wollen die beiden so nicht stehen lassen. Schernthaner erklärt, dass ein Kilo flexible Verpackung 58 Kilo Lebensmittel schütze und damit das beste Verhältnis zwischen Produkt und Verpackungsgewicht habe. Überhaupt werde durch erhöhte Haltbarkeit der umhüllten Güter der Lebensmittelabfall um die Hälfte reduziert.

Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Segment vor allem, recyclingfähige Lösungen anzubieten. „Derzeit können wir für 90 % unseres Portfolios nachhaltige Varianten offerieren“, so Humer. Warum die nicht zu hundert Prozent gekauft werden? „Manchmal sind sie noch teurer, manchmal gibt es auch noch Einschränkungen in der Verarbeitbarkeit“, erklärt Humer, „aber wir investieren so viel in F&E, dass sich hier die Unterschiede bald nivellieren werden.“ Erklärtes Ziel für Schur ist es, Vorreiter der Branche zu sein und den EU-Direktiven zum Kreislaufwirtschaftsgesetz deutlich voraus zu sein. Apropos Forschung und Entwicklung: Sie untersteht bei Schur dem Vertriebsleiter.

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Selbsterklärend

Nach einem kurzen Fototermin setzen wir den i3 in Bewegung. Schnell ist man sich einig, dass Humer zuerst fahren möge. Es bedarf keiner großen Einführung, er fährt einfach los. „Das erklärt sich alles schon ganz gut von selbst. Außer Gasgeben und Bremsen ist auch nicht viel zu tun. Ein bisschen ist‘s wie beim Autodrom“, findet Humer. Der 1,83-Meter-Mann sitzt bequem hinter dem Lenkrad.

Im Innenraum ist weit mehr Platz, als der kleine Wagen von außen vermuten lässt. Auch in zwei Reihen sitzen große Menschen noch komfortabel. Viel Kofferraum bleibt nicht, aber die Urlaubsreise nach Neapel ist bei 260 Kilometern Reichweite ohnehin nur Idealisten vorbehalten. Dennoch, für eine Ausfahrt durch den Speckgürtel der Bundeshauptstadt bis in den Wienerwald reicht es allemal. Endlich verlassen wir das Ortsgebiet und die Spannung, ob sich denn ein BMW auch elektrisch wie ein BMW fährt, kann sich endlich entladen.

Richtig unbeschwerter Fahrspaß kommt aber mit dem i3 leider nicht auf. In der Stadt fährt er sich prima. „Überland wäre er jetzt nicht meine erste Wahl“, befindet Humer, „ab 100 km/h verlässt man eindeutig die Komfortzone.“ Schernthaner pflichtet dem lächelnd bei: „Eigentlich fahre ich sonst immer gerne mit dir mit.“ Die Kurvendynamik bleibt allen drei Testern ein undurchschaubares Geheimnis, was auch auf die Neigung zur Hoppelei zutrifft. Beim Mini mit noch kürzerem Radstand habe BMW das deutlich besser hinbekommen, so das Fazit.

Differenzierung im Zeitalter der Elektronen

Woran man dann erkennt, dass der Wagen von BMW kommt? Die beiden Manager, inzwischen haben sie Platz getauscht, schauen sich an und meinen gleichermaßen: „Am Logo.“ Schernthaner findet: „Für mich war BMW tatsächlich immer Freude am Fahren. Aber ohne einen passenden Verbrenner fehlt ein wenig was.“ Auf kleinem Raum ist rasch Einigkeit darüber zu erzielen, dass es für die deutsche Autoindustrie nicht einfacher wird in den kommenden Jahren. Vor allem Marken wie BMW werden sich wohl neue Differenzierungsmerkmale suchen müssen. Denn: „Diese Art, ein Auto zu lenken, ist fast ein bisschen wie Plain Packaging“, sagt Schernthaner schließlich über das Fahrgefühl im i3. Plain Packaging bezeichnet etwa die Einheitsverpackung von Zigaretten, auf denen der Markenname nur mehr als einheitlicher Schriftzug auftritt.

Die Elektromotorisierung ist mit 170 bis 184 PS auf 1.300 Kilo Leergewicht solide. „Es fühlt sich ein bisschen wie Schnellzug an. Oder wie dieser Moment, wenn beim Skifahren der Liftsessel einkoppelt“, sagt Schernthaner beim Beschleunigen. Soll heißen: ganz gut, aber nicht von Wahnsinn befeuert.

Vernünftig ist die Dimensionierung des Akkus allemal, an einer Typ2-Tankstelle mit 11 kW Leistung lässt sich in vier Stunden Ladezeit fast die gesamte Reichweite wiederherstellen. Die beträgt 260 Kilometer und wird erstaunlich zuverlässig prognostiziert. Auch wer öfters den Sessellift-Einkoppelmoment erleben möchte, wird kaum mit Abzügen sanktioniert.

Sinnfrage

Der Grundpreis des i3 liegt bei 40.000 Euro Brutto. Dafür sprechen der Entfall des Sachbezuges bei Firmenwagen, üppige Förderungen und wahrscheinlich noch länger günstiges Tanken. Allerdings wäre der i3 kein BMW, gäbe es für ihn keine Aufpreisliste, die ihn aus dem Tal der spartanischen Fortbewegungsmittel auf den Pass der Freude schleppt. Im Fall unseres Testwagens kommt diese Fahrt auf 15.000 Euro. Die Mautgebühren fallen für Leder, Sportpaket, Navi und allerhand Kleinzeugs an, das sich summiert.

Zurück in Wiener Neudorf macht sich in Anbetracht dieser Zahlen Nachdenklichkeit über den i3 breit. Darf man noch den Spaß an einem Auto suchen, ohne sich dabei schlecht zu fühlen? Was darf man sich von einem 55.000 Euro teuren Kompaktwagen erwarten, der eigentlich hauptsächlich für Wege geeignet ist, in denen man in großen Städten längst keinen eigenen Wagen mehr benötigt? Macht einen die Kritik an einem Elektroauto zu einem schlechteren Menschen?