Bruchlose Beschaffung : BMÖ-Supply Excellence Award für AVL List
Projektleiterin Sandra Hoch macht gerade die indischen Einkäufer von AVL List mit dem neuen Lieferantenund Ausschreibungsportal vertraut. Es ist der vorläufige Schlusspunkt der seit 2005 laufenden Standardisierung und Automatisierung der Beschaffung beim Grazer Motoren- und Antriebsentwicklungs- Konzern. Zu managen gibt es genug: „2010 waren es 155 Millionen Euro Einkaufsvolumen, 85.000 Bestellpositionen und mehr als 1500 aktive Lieferanten“, beschreibt Franz Fischbacher, Head of Strategic Purchasing bei AVL, den Projektrahmen. Bedarfsanforderungen und -freigaben, Lieferantenkataloge und Belegaustausch funktionierten schon länger elektronisch, ebenso ein Großteil der Archivierung und Dokumentation. „Wir mussten noch die Lücke zum Lieferanten schließen – mit einem Datenmanagement und der Möglichkeit, elektronische Ausschreibungen in unsere Prozesse zu integrieren“, beschreibt Sandra Hoch das Ziel des Projekts, das im Krisenjahr 2009 entwickelt wurde. 2010 ging das SRM-System in der Grazer Zentrale in Betrieb, sechs AVL-Niederlassungen mit Einkaufsbefugnis kamen heuer dazu, im Endausbau werden mehr als zehn Einkäufergruppen damit arbeiten. Sie greifen über das webbasierte SRM-Portal auf die Lieferantendaten zu und platzieren ihre Ausschreibungen dort. Potenzielle Lieferanten von Commodities sind im Portal gelistet, kategorisiert, klassifiziert und bewertet. Wer AVL beliefern möchte, kann sich registrieren und Informationen von Adresse über das Produktangebot bis hin zu Qualitätszertifikaten hinterlegen. AVL-Einkäufer ergänzen diese Angaben um ihre Recherchen wie Bonitätsauskünfte und Eindrücke von Vor- Ort-Besuchen. So entsteht ein zentraler elektronischer Lieferantenakt samt Bewertung. „Diese gebündelte Transparenz hatten wir vorher nicht“, erläutert Hoch. Ausschreibungen werden nicht mehr einzeln mit Mail und Excel von Hand erstellt, sondern über standardisierte Templates, bei deren Gestaltung nicht nur Einkäufer, sondern auch die jeweiligen Bedarfsträger vom Konstrukteur bis zum Projektleiter mitarbeiten können. Änderungen während der Ausschreibung sind so für alle Beteiligten nachvollziehbar und in Versionen verfügbar. Auf der anderen Seite sind die über das Portal eingehenden Angebote besser vergleichbar als früher. Nach den vorab definierten Kriterien erstellt das System eine Vergabe-Rangreihung als Entscheidungsgrundlage. Das spart Zeit und Geld: Zwei Prozent der Einkaufskosten ist die Zielvorgabe. Das Lieferantenmanagement-System allein wäre noch nichts Besonderes; derlei gibt es auch in anderen Industriebetrieben. Was die von AVL mit dem Linzer E-Procurement-Dienstleister DIG realisierte Lösung auszeichnet, beschreibt Hoch so: „Wir haben Schnittstellen zwischen dem Portal und SAP geschaffen, weil wir keine zwei parallelen Datenwelten aufbauen wollten.“ Konkret werden die über das Beschaffungsportal generierten Belege der Einkaufsorganisation bruchlos als Bestellung ins ERP-System übernommen. Umgekehrt sind auch SAP-Daten bestehender Lieferanten, wie Umsätze, Kennzahlen, Werksfreigaben oder Qualitätsmerkmale, im SRM-Portal gespiegelt. Die konsequente Durchgängigkeit zwischen beiden Systemen war dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ) heuer den „Austria Supply Excellence Award“ in der Kategorie Einkauf wert. Maike Seidenberger Einkaufsforum 2011: Teure Rohstoffe, knappe Güter Einkäufer heimischer Industriebetriebe von Teufelberger, voestalpine, Palfinger bis Andritz kämpfen weiterhin mit extrem volatilen Rohstoffpreisen. Prognosen halten meist nicht, so das Fazit des BMÖ-Einkaufsforums 2011 unter dem Generalthema „Explodierende Einstandspreise und Lieferengpässe – was tun?“ am 29. und 30. September in Linz. Hedging oder Lagerhöhensteuerung auf der Basis erwarteter Rohstoffpreise wurden kontroversiell diskutiert. Einig waren sich die Einkaufsmanager darüber, dass es keine Quelle gibt, die richtige Prognosen der zukünftigen Entwicklung der Rohmaterialpreise abgeben kann. Sie vertrauen daher weniger auf Analystenschätzungen als auf die eigene Beschaffungsmarktforschung. Mehr unter www.bmoe.at.