Hintergrund : Berlin wehrt sich gegen bessere Abgastests in der EU

Abgase Treibhausgase Verkehr Stau Feinstaub Fahrverbot abgas diesel emission kohlendioxid klimawandel
© Fotolia

Die deutsche Bundesregierung blockiert schärfere Kontrollen der Automobilindustrie durch die EU. Das geht aus einem internen Arbeitspapier des Rates der Mitgliedstaaten hervor, das der Nachrichtenagentur AFP vorlag.

Die Bundesregierung sei "nicht der Ansicht, dass eine Überprüfung des Typengenehmigungssystems durch eine von den nationalen Behörden unabhängige Stelle erforderlich ist", heißt es darin. Neben Deutschland sprechen sich auch Italien und Spanien gegen strengere Prüfungen aus, wie aus weiteren Papieren hervorging.

Zuvor hatte die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf eigene Informationen berichtet, dass die Bundesregierung "in zentralen Punkten" einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission ablehne. Die Behörde sowie das Bundesverkehrsministerium äußerten sich auf Anfrage zunächst nicht zur Haltung der Bundesregierung.

Vorschläge Brüssels kamen schon Anfang 2016

Nach der Abgasaffäre um Volkswagen und andere Autohersteller hatte die EU-Kommission im Jänner 2016 einen umfassenden Vorschlag für strengere Kontrollen der Automobilindustrie sowie der nationalen Aufsichtsbehörden gemacht. "Wir hoffen, dass unser Vorschlag - der nun seit über einem Jahr auf dem Tisch liegt - schnell angenommen wird", sagte eine Kommissionssprecherin.

In dem Kommissionsvorschlag ist unter anderem vorgesehen, "finanzielle Verbindungen zwischen technischen Diensten und Herstellern zu vermeiden", um die Unabhängigkeit der Prüfungen sicherzustellen. Darüber hinaus schlug die Behörde die Einführung einer Marktüberwachung vor, über die bereits zugelassene Fahrzeuge stichprobenartig getestet werden sollen.

Der Vorschlag der EU-Kommission sieht außerdem vor, dass die Behörde eigenständig Nachprüfungen bereits erteilter Zulassungen vornehmen und gegebenenfalls Rückrufe anordnen darf. Fehlverhalten der Hersteller will die Behörde dem Entwurf zufolge mit hohen Bußgeldern ahnden.

Berlin: Regierung "ausdrücklich" für einheitliche Marktüberwachungen

In dem internen Arbeitspapier antwortet die deutsche Bundesregierung auf Fragen der EU-Kommission zu dem geplanten Gesetz. Die Bundesregierung spricht sich darin "ausdrücklich" für die verpflichtende Einführung von EU-weit harmonisierten Marktüberwachungen aus, durchführen sollten diese aber die Mitgliedstaaten selbst. Die EU-Kommission solle lediglich eine "koordinierende Rolle" übernehmen, um "Doppelmessungen" zu vermeiden.

Auch die Finanzierung solcher Kontrollen von Fahrzeugen, die bereits auf dem Markt sind, müsse weiter den Ländern überlassen werden. Zwar stellten direkte Finanzierungen "grundsätzlich" einen "Interessenkonflikt" dar, heißt es in dem Papier, durch ein Gebührensystem könne dies aber nicht gelöst werden.

Beratungen diese Woche gestartet

Das EU-Parlament folgte dem Kommissionsvorschlag in erster Lesung Anfang April weitgehend. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten müssen die Europaabgeordneten nun eine gemeinsame Position finden, um das Gesetz auf den Weg zu bringen.

Am Mittwoch und Donnerstag beraten Experten der Mitgliedstaaten über einen Kompromiss, Ende Mai sollten die Minister der EU-Länder über eine offizielle Position für die Verhandlungen mit dem EU-Parlament entscheiden. Der Zeitplan dürfte aufgrund der Widerstände aber kaum mehr einzuhalten sein.

Opposition: "Regierungen verhalten sich schamlos so, als ob Dieselgate nie passiert wäre"

Der deutsche Grünen-Politiker Stephan Kühn kritisierte, dass der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) weiter schützend seine Hand über die Autoindustrie halte, indem er strenge europäische Sanktionsmöglichkeiten, eine unabhängige Finanzierung der Prüfstellen und gegenseitige Kontrolle der Genehmigungsbehörden verhindere.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband kritisierte, die Regierung verhindere "mehr Wahrheit und Klarheit beim Autokauf" und wolle offenbar "weiterhin die Autoindustrie vor Sanktionen statt Verbraucher vor Schaden schützen".

"Die Regierungen verhalten sich schamlos so, als ob Dieselgate nie passiert wäre, indem sie versuchen, die EU-Kontrollen von Fahrzeugen und den nationalen Aufsichtsbehörden zu schwächen, die im Zentrum der aktuellen Emissionsprobleme in Europa stehen", erklärte die europäische Umweltorganisation Transport & Environment. Länder wie Deutschland, Italien und Spanien stellten sich gegen effektive Kontrollen ihrer Arbeit, "trotz überwältigender Beweise, dass sie den Dieselgate-Skandal zuließen".

VW als Auslöser

Der Skandal um manipulierte Abgastests bei Volkswagen war vor eineinhalb Jahren in den USA aufgedeckt worden. Der Autobauer gab zu, in rund elf Millionen Dieselfahrzeugen eine illegale Software eingebaut zu haben. Das Programm sorgt bei Abgastests im Labor für einen niedrigeren Ausstoß von schädlichen Stickoxiden als im normalen Betrieb im Straßenverkehr. (afp/apa/red)