Bedarfsfluglinien : Bedarfsfliegerei: Teure Träume

Mirko Kovats
© Valerie Rosenburg

Die Pleite des Flugtaxiunternehmens A-Jet vor wenigen Wochen gehört zu den letzten Zuckungen des einstigen A-Tec-Konzerns von Mirko Kovats. Mit dem Scheitern des industriellen Welterklärers fehlte dem Bedarfsflugunternehmen der Bürge in der Hinterhand. Der Konkurs von Kovats’ Airline, die – wie Insider wissen – niemals profitabel war, ist Schlusspunkt eines Spiels, das nicht nur die Größte des Egos maß (Details siehe Kasten „Alte Egos“). In der Welt der reichen Aufsteiger werden Hahnenkämpfe exklusiv ausgetragen: Da ging es um Flügelspannweite und Abfluggewichte. Größenvergleiche beschreiben eine der dicksten Wurzeln der globalen Bedarfsfliegerei. Liberia der Fliegerei. Österreich ist auf dem Gebiet der Businessflieger europäische Großmacht. Geschätzte 320 Flugzeuge der Bedarfs-Jets sind in Österreich gemeldet. Bei 2500 Geschäftsfliegern in ganz Europa entspricht dies einer überproportionalen Anzahl der eleganten Maschinen, die mit österreichischen Papieren durch die Wolken schneiden. Viele dieser in Österreich gemeldeten Düsenjets gehören russischen, arabischen oder asiatischen Eignern, deren Himmelskutschen nie oder selten österreichischen Boden berühren. Österreich ist auf Grund einer attraktiven Steuergesetzgebung und einer „flexiblen Administration“ (O-Ton eines Bedarfsfliegers) in den vergangenen zehn Jahren zum Liberia der Lüfte geworden (siehe Kasten). Geschätzte 80 Prozent der heimischen Geschäftsflieger - genaue Zahlen gibt es nicht - werden dabei von ihren Besitzern als Flug-Taxis verchartert. Dies passiert über eine der 50 österreichischen Bedarfsflugfirmen, die über ein gültiges Luftverkehrsbetreiberzeugnis (AOC Air Operator Certificate) und eine gültigen Betriebsgenehmigung der AustroControl verfügen. „Schmerzlinderung“. Diese Operatoren kümmern sich um Wartung und Administration sowie – wenn sie professionell sind – um Marketing und Vertrieb. Zu den drei Branchenführern zählt seit Jahren die Jetalliance rund um die Business Aviation Holding, an der unter anderen auch Magna-Gründer Frank Stronach beteiligt ist. Das immer wieder mit Kapitalerhöhungen gestützte Unternehmen dirigiert derzeit 19 Jets. 2008 waren es noch 40. Immer mit im Spitzentrio ist die Avcon Jet AG rund um Ex-Finanzminister und Flugzeug-Freak Andreas Staribacher sowie Erwin Soravia. Die 2007 gegründet Avcon verfolgt unverändert eine aggressive Wachstumspolitik und dirigiert derzeit 17 Jets. Eine Ausnahmestellung übernimmt die in Salzburg ansässige Vista Jet von Gründer Thomas Flohr, der mit einem speziellen Geschäftskonzept auf der ganzen Welt Jets betreibt. Laut heimischen Luftfahrzeugregister sind es derzeit 27 Maschinen, laut eigenen Aussagen und dem Orderbuch werden es 2015 an die 50 sein. Kleinere Brötchen Der Großteil der Mitbewerber bäckt deutlich kleinere Brötchen. Sie managen ein bis maximal zwei Flugzeuge und verfolgen den Businessplan der „Schmerzlinderung“, wie es Bernhard Fragner, Geschäftsführer der Linzer Globeair (10 Jets) ausdrückt: „Viele wohlhabende Eigner wollen so ein Gerät haben, dabei aber die Kosten durch Vercharterung unter einer gewissen Schmerzgrenze halten. Was am Ende des Jahres in der Bilanz fehlt, wird eben zugeschossen.“ Die Handvoll an heimischen Flugunternehmen, die dem Geschäftszweck des Ertrages huldigen, finden sich dadurch in einem schwer subventionierten Wettbewerb mit Überkapazitäten wieder, in dem „Routen zu einem Stundenpreis angeboten werden, die 50 Prozent unter den Gestehungskosten liegen“, ärgert sich der Oberösterreicher.

Die Klage über einen amorphen Markt mit hohen Quersubventionen ist allgemein. Martin Lener, Chef der Tyrolean Jet Service, beklagt „ einen hemmungslosen Preiskampf" und die "schwersten Krise seit 30 Jahren". Seit der Lehman-Pleite 2008 ist der Bedarf an Geschäftsflügen in Europa um 40 Prozent zurückgegangen. Die Panik der betuchten Kundschaft äußerte sich damals in einem rigorosen Schnitt der Business-Reisen und einem Downgrading aller Reiseformen. Selbst die höheren Chargen der Wirtschaft wechselten vom Business-Jet in die Touristenklasse und vom Flieger in den Zug – und blieben bis heute dabei. Für die österreichischen Bedarfsflug-Unternehmen, die zwischen 2000 und 2008 prächtig gediehen waren, begann damit eine Zeit der Dürre. Außer einigen positiven Ausschlägen in dem einen oder anderen Quartal konnten die Einbussen der Bankenkrise nie nachhaltig wettgemacht werden. Konkurse in Serie. Als Konsequenz schmieren die Anbieter ohne flugaffine Großsponsoren haufenweise ab: Insolvenzen und Konkurse repräsentieren den Branchentrend. Neben A-Jet musste im Februar die Wiener „MAIN Aviation Project GmbH & Co Falcon KG“ mit Mehrheitseigentümer Sanochemia-Chef Frantsits Konkurs anmelden, die mit einer einzigen Dassault Falcon 900B einen Schuldenberg von 16,4 Millionen Euro anhäufen konnte. Anfang Dezember meldete die Wiener Vier-Mann-Firma Comtel Air Konkurs an, die nur wenige Wochen zuvor weltweite Schlagzeilen machte, als die Passagiere Maschine und Piloten in Schwechat auslösen mussten. Kurz vor Jahresende trudelte die Linzer M.A.P. Management+Planning GmbH mit rund vier Millionen Euro Schulden in ein Sanierungsverfahren. Mitte Jänner wurde der österreichisch-südtirolerischen Regionalfluglinie AirAlps mit Sitz in Innsbruck aufgrund finanziellen Troubles vorübergehend die Fluglizenz entzogen. Sie durfte zwar am 1. Februar die Linienflüge Bozen-Rom wieder aufnehmen, doch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten blieben – wie in der gesamten Branche. Sämtliche Operator gehen davon aus, dass in den kommenden Monaten weitere Insolvenzen anstehen – und hoffen, nicht selbst dabei zu sein. Das Geschäftsmodell „Pilot findet spendablen Investor, der ihm seine Flugleidenschaft finanziert“ ist am Auslaufen. Toter Markt Aktuell ist der Markt der Bedarfsflieger in einem nie gesehenen Wellental. Einige Zahlen der MAIN Aviation-Insolvenz von Dezember beschreiben den Zustand: Der einzige Jet der Firma, eine Dassault Falcon 900B, wurde um 2,5 Millionen Euro verkauft. Vor vier Jahren lagen für die gleiche gebrauchte Maschine mit ähnlicher Anzahl an Flugstunden noch Angebote von zehn Millionen Dollar vor. Die Zahl der vercharterten Flugstunden lag im ganzen Jahr 2011 bei 98. Der Break Even eines Businessjets liegt je nach Typ zwischen 500 und 700 Flugstunden. Jede Nutzung unter dieser Marke bedeutet bei Betriebskosten zwischen 6.000 und 8.0000 Dollar pro Flugstunde ein schweres Defizit. Der eingebrochene Zuspruch nach luxuriösen Flugtaxis lässt bei vielen Eignern die Flugbegeisterung dramatisch abkühlen. Im Dezember verkaufte Niki Lauda seine Challenger 300, die er bis dahin über Peciks Amira Air verchartert hatte. Die Leasing-Kosten von 1,2 Mio. Euro pro Jahr plus der notwendigen Wartungs- und Operator-Kosten im hohen sechsstelligen Bereich lassen einen kostenbewussten Eigner wie Niki Lauda ohne Einnahmen schnell die Konsequenzen ziehen. High End. Von den Entwicklungen unbeeindruckt zeigen sich nur jene Jet-Besitzer, die es sich leisten können, auf den Zuschuss durch Vercharterung zu verzichten. Georg Stumpf hatte im einstigen Unaxis-Trio gemeinsam mit Pecik und Kovats schon immer die am wenigsten extrovertierte Rolle inne – was ihn nicht daran hindert, das Wort standesgemäß neu zu definieren. Sein 2008 gelieferter Airbus A319-115 ist 34 Meter lang, wurde von 124 auf 22 Sitzplätze zurückgebaut, und verfügt neben Reise- und Konferenzraum noch über Schlafzimmer, Badezimmer und Fitnessraum. Der Stumpf-Airbus ist nur zur eigenen Benützung vorgesehen. Bei einem kolportierten Anschaffungspreis von 60 Mio. Dollar ist diese Haltung nur konsequent. Nur die Swarovskis verfügen in ihrer Privatflotte der Tyrolean Jet Services noch über einen Airbus, wenn auch aus der etwas kleineren 318er-Klasse – und frei zum Verchartern. Dietrich Mateschitz ist als reichster Österreicher Eigner einer verhältnismäßig bescheidenen Dassault Falcon 900EX (OE-IDM), die er nicht vermietet. Julius Meinl, genannt der „Fünfer“, verzichtet ebenfalls auf fremde Menschen in seinem Jet. Er betreibt die Dassault Falcone 2000 auf ausschließlich eigene Rechnung. Der Umstand, dass sie stets vollgetankt und flugbereit in Wien Schwechat steht und er auch ein Bürger seiner britischen Majestät ist, brachte dem Hobbypiloten im April 2009 bekanntermaßen in Untersuchungshaft. Josef Ruhaltinger

Gemeinsam mit Georg Stumpf hatten sie 2005 noch Schulter an Schulter den Schweizer Maschinenbaukonzern Unaxis gekapert. Nur wenige Monate danach jedoch das Zerwürfnis der beiden verwandten Charaktäre Ronny Pecik und Mirko Kovats. Was folgte ist ein Kleinkrieg, der viele Schrebergärtenfeindschaften zu intellektuellen Auseinandersetzungen machte. Eine der menschlichen Reibungsflächen war bis zur Pleite der Kovats-Gruppe die Flugzeugflotte. Nachdem Ronny Pecik eigene und fremde Businessflieger unter dem Dach seines 2004 gegründeten Charterflugunternehmens „Amira Air“ sammelte, wollte Kovats nicht zurückstehen. Er rief 2008 A-Jet Air ins Leben, nicht ohne den flugerfahrenen Amira-Geschäftsführer Peter Tutschek abzuwerben. Kampf um die Luftherrschaft. Die A-Jet-Flotte bestand anfangs aus einer Bombardier Challenger 300 und einer Challenger 604 für Mittel- und Langstreckendienste. Für Nichtaviatoren: Die gehobenen Mittelklasse-Modelle entsprechen bei Listenpreisen von 20 bis 22 Mio. Dollar auf der Image-Messlatte ungefähr einer Mercedes E-Klasse – fein, aber mit Luft nach oben. Mit diesen Geräten war Kovats auf Augenhöhe mit dem damaligen Maschinen von Pecik – bis sich dieser 2008 eine Bombardier Global Express in den Hangar stellte. Die interkontinentalfähige 50-Millionen-Maschine ist der feuchte Jet-Traum jedes Aufsteigers. Wäre Hannes Kartnig in seinen guten Zeiten nur etwas solventer gewesen, er hätte sich diese Maschine gekauft. Nachdem Ronny Pecik es geschafft hatte, sich eine derartige Luftschleuder in den Hangar zu stellen, konnte ein Charakterkopf wie Mirko Kovats nicht zurückstehen. Das Problem dabei: In den Boomjahren 2005 bis 2008 herrschten am globalen Business-Jet-Markt Lieferzeiten zwischen vier und sechs Jahren. Einer Jahresnachfrage von rund 1000 Jets der Hersteller Bombardier, Embrear, Cessna, Gulfstream und Dassault standen Kapazitäten von 500 Stück gegenüber. Der knappe Markt führte dazu, dass verfügbare Gebrauchtmaschinen höhere Preise erzielten als eine Neubestellung kostete, auf die man Jahre warten musste. In dieses Szenario hinein platzierte Mirko Kovats gegenüber seinem Mann fürs Luftige, Peter Tutschek, den Wunsch nach einer Global Express – und zwar sofort. Tutschek fand weltweit zwei Verkäufer von Maschinen dieses Typs – mit Preisvorstellungen jenseits aller Listen. Den genauen Kurswert weigert sich Tutschek heute noch zu nennen – trotz der verbrannten Erde, die sich mittlerweile zwischen ihm und dem ehemaligen Disco-Unternehmer aufgetürmt hat. Telekom-Investor Ronny Pecik wusste mit der schrägen Marktsituation vor dem Lehman-Crash besser umzugehen: Er hat eine bestellte Bombardier Challenger 605 noch vor der Lieferung mit einem geschätzten Gewinn von fünf Millionen US-Dollar (plus 20 Prozent) weiterverkauft.