Standort Österreich : Bauindustrie: Mitbewerber aus dem Ausland ruinieren den Mittelstand

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Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Bausektor haben bei einer Pressekonferenz in Wien wegen der Entsendungen ausländischer Arbeitskräfte nach Österreich Alarm geschlagen. Sie fordern, dass die meist osteuropäischen Firmen nicht nur den Lohn, sondern auch die Lohnnebenkosten auf hiesigem Niveau leisten müssen, sonst werde der "unfaire Wettbewerb" heimische KMU ruinieren.

Dem Staat entgehen Milliarden

In einer Studie hat die KMU Forschung Austria ermittelt, dass die rund 150.000 Entsendungen im Jahr 2015 dem österreichischen Staat in Summe 1,52 Mrd. Euro an entgangenen Abgaben und erhöhtem Arbeitslosengeld durch die Verdrängung heimischer Arbeitskräfte gekostet haben. Dieser Betrag setze sich zusammen aus den in Österreich entgangenen lohnbezogenen Abgaben von 764 Mio. Euro, 44 Mio. entgangenen Gewinnsteuern und 175 Mio. Euro entgangenen Umsatzsteuern sowie im Maximalfall 535 Mio. Euro erhöhten Arbeitslosengeldzahlungen, erläuterte Thomas Oberholzner von der KMU Forschung Austria.

Die meisten Entsendungen aus Osteuropa - nach Wien

Die meisten Entsendungen kämen aus den Nachbarländern Ungarn, Slowenien, Slowakei und Deutschland und würden vorwiegend im Bausektor passieren. Ein Viertel der Entsendungen gehe nach Wien.

Baugewerkschafter und SPÖ-Abgeordneter Josef Muchitsch sieht Brüssel gefordert: "Die EU kann nicht das Ziel haben, dass Arbeitslosigkeit von einem Land in ein anderes Land verschoben wird". Er sperre sich nicht gegen Entsendungen, doch dafür müssten die gleichen Bedingungen herrschen wie für die Firmen im Zielland.

Das sind die derzeitigen Regeln

Laut derzeitiger Regelung kann eine Firma Arbeitnehmer für bis zu 183 Tage im Jahr in ein anderes EU-Land entsenden. Es müssen zwar gleiche Löhne wie im Zielland gezahlt werden, die Lohnnebenkosten würden jedoch nach dem Entsendestaat berechnet. In osteuropäischen Ländern seien diese Nebenkosten deutlich niedriger als in Österreich. Dadurch ergebe sich für die Entsendefirmen ein "legaler aber unfairer Wettbewerbsvorteil", kritisiert Muchitsch.

Doch auch die vorgeschriebenen gleichen Löhne für entsendete Arbeitnehmer würden von den ausländischen Firmen oft nicht bezahlt: Bei Baustellenkontrollen wurden bei 0,9 Prozent der inländischen Firmen, aber bei 43 Prozent der ausländischen Firmen Verdachtsfälle von Unterentlohnung gefunden, so Muchitsch. Er begrüßt den Beschäftigungsbonus, mit dem die im österreichischen System befindlichen Arbeitslosen und Arbeitssuchenden bei neuen Jobs gefördert werden sollen.

"Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen betroffen"

Für die Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Wien, Maria Smodics-Neumann, ist es ebenfalls hoch an der Zeit, das System der Entsenderichtlinie zu überdenken: "Nur wenn der Unternehmer genug Arbeit hat, kann er Junge ausbilden". Die EU solle "mutig" sein und fairen Wettbewerb schaffen. Wichtig sei die Einigkeit der Sozialpartner in Österreich zu diesem Thema, denn Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Österreich seien gleichermaßen betroffen. Nun gelte es, Verbündete und Partner in anderen EU-Ländern zu finden.

Sprecher der Bausparte: Lage in den Betrieben dramatisch

Für Josef Witke, Stellvertreter der Spartenobfrau für Gewerbe und Handwerk in Wien, ist die Lage dramatisch: Es gebe einen absoluten Preisverfall, weil die Firmen aus dem Ausland um rund ein Drittel des Geldes arbeiten, das eine heimische Firma brauchen würde um kostendeckend arbeiten zu können. "Hier braucht es unbedingt Lösungen, die unsere Unternehmen schützen." In fünf Jahren sei es für viele Klein- und Mittelbetriebe zu spät.

Freilich schicken auch heimische Betriebe ihre Mitarbeiter ins Ausland. Auf die Entsendungen österreichischer Firmen ins Ausland angesprochen erläuterte Oberholzner, dass diese vom Umfang nur etwa die Hälfte der ausländischen Entsendungen nach Österreich umfassen würden. Außerdem gehe es bei österreichischen Entsendungen um Spezialkräfte, etwa Mineure, denn Österreich sei kein Niedriglohnland, erklärte Muchitsch. (APA/red)