Volkswagen : Autozulieferer spüren bisher keine Auswirkungen der VW-Krise

Bei Volkswagen hat sich noch vor wenigen Tagen eine Konfrontation zwischen dem Vorstand und der Arbeitnehmerseite abgezeichnet - dieser Konflikt scheint nach dem jüngsten Treffen vorerst vom Tisch zu sein. Nach dem Treffen des Aufsichtsrats auf dem Werksgelände in Wolfsburg zur weiteren Aufarbeitung des Abgasskandals haben Konzernchef Matthias Müller und Betriebsratschef Bernd Osterloh vereinbart, bei der Lösung enger zusammenarbeiten zu wollen.

"In der jetzigen, schwierigen Situation müssen wir gemeinsame Entscheidungen treffen, welche die Wirtschaftlichkeit genauso berücksichtigen wie die Beschäftigung", betonte Müller. Bis zur nächsten Sitzung des Aufsichtsrates am 20. November soll es daher eine Reihe von Gesprächen geben, "um einen gemeinsamen Weg für die Zukunft des Unternehmens zu bestimmen".

Skandal weitet sich seit September aus

Seit Mitte September ist Europas größter Autobauer in der schwersten Krise der Unternehmensgeschichte. Den Wolfsburgern drohen wegen der Manipulationen Milliardenkosten und strafrechtliche Ermittlungen.

Der Skandal hatte sich in der vorigen Woche noch ausgeweitet: VW teilte mit, dass es auch beim Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) "Unregelmäßigkeiten" gab. Bisher legte Europas größter Autokonzern 6,7 Milliarden Euro für das Stickoxid-Problem zurück. Die "wirtschaftlichen Risiken" des hinzugekommenen CO2-Problems wurden zunächst auf weitere 2 Milliarden Euro geschätzt.

Betriebsratschef nach Kritik versöhnlicher

Vor kurzem hatte Osterloh öffentlich massive Kritik an Müller geäußert: "Der Betriebsrat wird bewusst außen vor gelassen. Der Vorstand verkündet Sparmaßnahmen einseitig und ohne Grundlage." Nun zeigte sich der Betriebsratschef versöhnlicher: "Matthias Müller wird sich persönlich um die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Betriebsrat kümmern. Dies ist ein starkes Signal für die Belegschaft." Die Herausforderungen der Abgas-Affäre seien "enorm, aber die Belegschaft steht hinter dem Unternehmen, sofern es uns gelingt, eine ausgewogene Planung zwischen Investitionen, Sparmaßnahmen und Zukunftsprojekten zu verabreden".

Keine Auswirkungen bei den Autozulieferern

Im Gegensatz zu VW selbst hat der Skandal bei den Autozulieferern bisher keine negativen Konsequenzen. "Wir sehen da keine Veränderung in den letzten acht Wochen", sagte Continental-Finanzchef Wolfgang Schäfer der dpa. Er gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass es derzeit noch zu früh sei für Aussagen zu mittelfristigen Folgen.

Unterdessen verzeichnet der deutsche Autozulieferer Continental ein deutliches Gewinnplus - und hebt sein Renditeziel für das Gesamtjahr an. Besonders die Nachfrage in den USA und Europa sorgt gerade bei Continental für Freude. Mehr dazu hier auf INDUSTRIEMAGAZIN.at.

Vor wenigen Tagen hat auch die Voestalpine bestätigt, keine allzu großen negativen Auswirkungen der Krise bei Volkswagen auf das eigene Geschäft zu erwarten. Der deutsche Autokonzern ist ein sehr wichtiger Kunde des Linzer Stahlherstellers - mit Volkswagen macht allein die VoestalpineSparte Metal Forming heute mehr Umsatz als in ganz Nordamerika.

Sollten die Bestellungen aus Wolfsburg ganz ausbleiben, würde der betreffende Bereich in Linz schon "ein, zwei Jahre kämpfen, um die Produktionsmenge wieder bei anderen aufzubauen", meinte dazu Voestalpine-Vorstand Peter Schwab. Doch die Metal Forming Division würde deshalb nicht untergehen. Zudem sei dieses Szenario kaum vorstellbar, so Schwab - "Volkswagen ist ein unsinkbares Schiff".

Bei hunderttausenden Fahrzeugen reicht Erneuerung der Software nicht

Volkswagen wird allein in Deutschland bei über einer halben Million Diesel-Autos die Abgas-Manipulationen nicht allein mit einem einfachen Software-Update abstellen können. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) gehe davon aus, dass bei rund 540.000 Autos größere technische Änderungen durchgeführt werden müssten. Dies teilt das Verkehrsministerium in Berlin mit.

Details wurden zunächst nicht bekannt. Die Bedingungen für Änderungen an der Hardware - dazu könnten etwa Eingriffe am Motor und am Katalysator zählen - sollen die betroffenen Kunden von VW erfahren.

Deutsches Amt ordnet Rückruf an - verbindlich

Hintergrund ist der vom KBA angeordnete verbindliche Rückruf für insgesamt 2,4 Millionen Wagen, der Anfang 2016 beginnen soll. Dabei geht es um verschiedene Motoren- und Fahrzeugmodelle. Um welche es sich bei den rund 540.000 Autos mit größerem Nachrüstbedarf genau handelt, war zunächst nicht bekannt.

VW hatte schon mitgeteilt, dass für Wagen mit 2,0 Litern Hubraum reine Software-Lösungen ausreichen sollen. Bei anderen Modellen seien darüber hinaus Anpassungen in der Motortechnik nötig - also Änderungen nicht nur an der Programmierung.

Europaweit sind drei Millionen Fahrzeuge betroffen

Nach dpa-Informationen sind europaweit rund drei Millionen Fahrzeuge mit dem betroffenen 1,6-Liter-Diesel unterwegs. Die größere Variante mit 2,0 Litern Hubraum kommt auf etwa 4,6 Millionen Fahrzeuge, 340.000 haben den kleinen Motor mit 1,2 Litern. Zusätzlich zu diesen insgesamt rund acht Millionen Wagen mit Euro-5-Norm ruft VW freiwillig 500.000 Diesel zurück, die nur Euro 3 und Euro 4 erfüllen.

Mitte Oktober hatte das KBA VW zu der zunächst als freiwillig geplanten Rückrufaktion verpflichtet - die sich laut Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bis Ende 2016 hinziehen dürfte. Europaweit sind insgesamt etwa 8,5 Millionen Dieselautos von der Affäre um geschönte Stickoxid-Emissionswerte betroffen, weltweit rund 11 Millionen, in Österreich rund 363.000 Autos.

Proteste von Greenpeace, Abgastests liefern systematisch falsche Werte

Begleitet wurden die erneuten Krisensitzungen von massiven Protesten der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Auf dem Dach des Haupteingangs protestierten mehrere Aktivisten mit Plakaten gegen die millionenfachen Diesel-Manipulationen sowie falsche CO2- und Verbrauchswerte bei Diesel- und Benzinfahrzeugen. Sie forderten nach eigenen Angaben mehr Transparenz und ungeschönte Abgasdaten.

In Österreich haben unterdessen Analysen des Umweltbundesamts ergeben, dass die Abgaswerte, die in offiziellen Tests herauskommen, teilweise um 50 Prozent von der Realität abweichen. Das Problem: Diese eklatanten Abweichungen seien auch nicht verwunderlich, so Werner Tober vom Institut für Fahrzeugantriebe an der TU Wien - denn bei der Entwicklung der Tests war die "Wiedergabe der Realität nicht das Ziel".

Ratingagenturen senken ihre Bewertung

Schlechte Nachrichten ereilten VW am Montag auch aus New York. Als letzte große Ratingagentur hat nun auch Fitch die Kreditwürdigkeit des Konzerns herabgesetzt. Die Experten senkten die Bewertung gleich um zwei Stufen von "A" auf "BBB+" mit negativem Ausblick. Volkswagen könnte deshalb künftig mehr Zinsen für geliehenes Geld bezahlen müssen.

Gutscheine in den USA - in Europa noch nicht

Um das Vertrauen bei Kunden in den USA zurück zu gewinnen, will VW den dortigen Ärger mit Gutscheinen lindern. Besitzer von Dieselautos der Kernmarke sollten als Wiedergutmachung Prepaid-Karten im Wert von 1.000 Dollar (930 Euro) bekommen sowie einen kostenlosen Pannenservice für drei Jahre, heißt es in einem Schreiben.

Demnach müssen die Kunden im Gegenzug für die Geldzahlung auch nicht auf ihr Klagerecht verzichten. Für die ebenfalls betroffenen Wagen der Tochter Audi soll am 13. November ein ähnliches Programm kommen. Als Reaktion auf die Gutschein-Aktion in den USA forderten Verbraucherschützer eine ähnliche Regelung für deutsche Kunden. (dpa/apa/red)