Autozulieferer : Autozulieferer Grammer kann Hastors Angriff abwehren

Grammer
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Seit fünf Monaten machten Vorstand und Belegschaft des Autozulieferers Grammer Front gegen den unbeliebten Großaktionär Hastor. Jetzt fällte die Hauptversammlung eine Entscheidung.

Die Machtübernahme der umstrittenen Investorenfamilie Hastor beim bayerischen Autozulieferer Grammer ist gescheitert. Die Hauptversammlung lehnte die beantragte Absetzung des gesamten Vorstands und die Neubesetzung des Aufsichtsrats am Mittwochabend ab.

Volkswagen und Metallergewerkschaft warnen vor einer Übernahme

Arbeitnehmervertreter, Politiker und Aktionärsvertreter hatten vor einem Kontrollwechsel bei dem Zulieferer gewarnt. Grammers größter Kunde Volkswagen liegt mit den Hastors über Kreuz. Die IG Metall sah Aufträge und weltweit bis zu 15.000 Arbeitsplätze in Gefahr.

Günther Hausmann von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) lobte die Einigung von Vorstand, Belegschaft, Politik und der wichtigsten Kunden. Den Hastors warf er einen "nicht nachvollziehbaren Anschlag auf das Unternehmen" vor.

Mit den Hastors müsse man Angst um den Bestand des Unternehmens, die Arbeitsplätze und den Wert der Aktien haben. Unter Vorstandschef Hartmut Müller habe sich das Unternehmen hervorragend entwickelt, seine Expansionsstrategie im Ausland sei richtig, die jüngsten Geschäftszahlen seien hervorragend.

"Bitte lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen", appellierte er an die rund 500 anwesenden Aktionäre: Grammer dürfe nicht "unter die Kontrolle undurchsichtiger Machenschaften" geraten.

Turbulente Hauptversammlung; Hastor hält jetzt 23 Prozent

Der Entscheidung am Abend war eine achtstündige, teilweise turbulente Debatte vorausgegangen. Der Hastor-Anwalt Franz Enderle wurde mehrfach mit Buhrufen und Pfiffen unterbrochen. Die Abstimmung fiel dann deutlich aus. Enderle kündigte aber bereits Widerspruch gegen sämtliche Beschlüsse an.

Die Hastors sind derzeit mit gut 23 Prozent der Anteile größter Grammer-Aktionär. Auf der Hauptversammlung waren allerdings 67,3 Prozent der Aktien vertreten - ungewöhnlich viele für Grammer.

Möglicherweise "nur ein Pyrrhussieg"

Andreas Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sagte, der Ausgang sei vielleicht "nur ein Pyrrhussieg, eine kleine Atempause". Jahrelange Auseinandersetzungen und Prozesse drohten Grammer im eigentlichen Geschäft zu lähmen.

"Wenn wir derart verhärtete Fronten haben, dass fast putschartige Zustände herrschen, liegt das in der Regel nicht nur an einer Seite." Ein Aktionär meinte, Grammer habe nun einen unzufriedenen, mit dem Vorstand zerstrittenen Großaktionär an Bord.

Hastor-Anwalt Enderle warf Grammer-Vorstandschef Hartmut Müller Untreue und den Verrat von Geschäftsgeheimnissen vor. Dieser und Aufsichtsratschef Klaus Probst hätten zusammen mit dem größten Grammer-Kunden VW einen Plan zur Abwehr der Hastors geschmiedet und den Auftragseinbruch seit der Bekanntgabe der Hastor-Pläne veröffentlicht.

Angriff Hastors sorgt für einen Einbruch der Aufträge

Dass Grammer nach langer Durststrecke im vergangenen Jahr den bisher höchsten Umsatz und Gewinn einfuhr, quittierten die anwesenden Aktionäre mit Beifall. Mehr zu den Ergebnissen: Rekordgewinn bei Grammer stärkt dem Management den Rücken >>

Allerdings waren laut Konzernchef Müller seit Jänner 60 Prozent weniger Bestellungen eingegangen. Enderle sagte, darüber hinaus habe Müller gelogen mit dem Vorwurf, die Hastors hätten das Gespräch mit dem Vorstand verweigert. Das Vertrauen sei nun zerstört. An die Stelle der drei abzuwählenden Aufsichtsräte wollte Enderle daher Manager von Hastors Prevent-Gruppe wählen lassen.

Die Familie werde investiert bleiben und ihr Aktienpaket nicht nennenswert aufstocken, sagte Enderle. Bereits ab 25,1 Prozent haben die Hastors ein Vetorecht und könnten alle wichtigen Entscheidungen blockieren. Derzeit fehlen ihnen wie gesagt zwei Prozent der Anteile an Grammer, um diese Marke zu erreichen.

Ob der von Grammer kurz vor der Hauptversammlung als Aktionär und "weißer Ritter" an Bord geholte chinesische Autozulieferer Jifeng überhaupt mitstimmen durfte, werde womöglich erst in fünf Jahren der Bundesgerichtshof klären. Der chinesische Autozulieferer Jifeng ist derzeit zweitgrößter Anteilseigner bei den Bayern.

"Nicht nachvollziehbarer Anschlag auf das Unternehmen"

Müller hatte gewarnt, die Hastors gefährdeten die Zukunft von Grammer. Diese Ansicht teilen offenbar nicht nur mehrheitlich die Aktionäre, sondern auch die Mitarbeiter. Bei einer Kundgebung von 2.500 Beschäftigten der Werke von Grammer und Siemens in der Nähe sagte der bayerische IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler, in Deutschland seien 3.000, weltweit sogar 15.000 Arbeitsplätze "gefährdet, wenn die Hastors bei Grammer das Sagen kriegen. Deshalb kämpfen wir so vehement gegen diesen Investor."

Der Autoexperte der Gewerkschaft, Frank Iwer, meinte: Wer "versucht, höhere Margen mit Gewalt durchzusetzen, setzt bewusst die Existenz von Betrieben, Beschäftigten mit ihren Familien, ja von ganzen Regionen aufs Spiel".

Gesamte Zulieferindustrie schaut zu - Autokonzerne auch

Die ganze Autoindustrie verfolgt, was sich da in Amberg in der deutschen Oberpfalz abspielt. Denn die Hastors haben die Spielregeln im Verhältnis von Autokonzernen und Zulieferern in Frage gestellt: Machtkampf bei Grammer - und das Bauchweh einer ganzen Branche >>

Der 66-jährige bosnische Unternehmer Nijaz Hastor hat Jahrzehnte mit VW zusammengearbeitet. Nun sind seine Söhne Kenan und Damir mit im Spiel. Der Wind habe sich verschärft, heißt es in Branchenkreisen.

Der Rückblick: So blockierte Prevent die Bänder bei Volkswagen

Prevent ließ im Streit mit VW die Muskeln spielen. 2015 lieferte man VW-Werken in Brasilien erst monatelang keine Sitze mehr. Im August 2016 standen dann Bänder in Wolfsburg und Emden still, weil plötzlich keine Getriebeteile mehr kamen. Volkswagen lenkte ein, stellte aber sofort neue Aufträge auf den Prüfstand.

Hier unser Hintergrundbericht:

VW-Zulieferstreit und die Drahtzieher: Wie es wirklich gewesen sein könnte >>

Offizielle Ursache des Streits waren angeblich nicht eingehaltene Zusagen zwischen Volkswagen und zwei traditionsreichen ostdeutschen Autozulieferern. Dabei hatte sich die Gruppe Hastor über ihre Firma Prevent erst kurze Zeit vorher bei eben diesen Firmen eingekauft.

Auch beim Autozulieferer Grammer ist Nijaz Hastor erst seit rund einem Jahr über zwei Tochterfirmen an Bord. Die zu Prevent gehörenden Investmentfirmen Cascade und Halog halten Anteile am bayerischen Hersteller.

In Österreich ist Prevent übrigens ebenfalls mit mehreren Beteiligungen an industriellen Herstellern tätig, so etwa in Niederösterreich und Oberösterreich.

Hier die Eckdaten zu Prevent:

VW-Zulieferstreit: Eine Gruppe aus Bosnien als wichtiger Player >>

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(red /dpa/apa)