Zulieferindustrie : Autoindustrie fertigt zunehmend in Tunesien, Algerien und Marokko

In einigen Ländern Nordafrikas brummt das Geschäft mit der westlichen Kfz-Industrie. So hat sich Algerien längst als "Assembler" für Autos von VW, Renault, Peugeot, Kia & Co. positioniert. "Und das entsteht bei Lkw und Bussen auch", erwartet der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Algerien, Franz Bachleitner.

Der oberösterreichische Löschfahrzeughersteller Rosenbauer präpariert in dem Land bereits alte Feuerwehrfahrzeuge. Nach dem Ölpreisverfall habe sich das Land "bemüßigt gefühlt, die Industrialisierung zu 'pushen'", sagte Bachleitner am Donnerstag vor Journalisten in Wien.

Auch für Tunesien werde der Automotive-Bereich immer interessanter. Dasselbe gilt dem Handelsdelegierten in Casablanca, Michael Berger, zufolge für Marokko: "Die Auto- und Luftfahrtzulieferindustrie wird hier zunehmend wichtig", bekräftigte er.

Renault sei bereits seit fünf Jahren mit einem Dacia-Werk in Tanger vertreten. Der "Renault-Effekt" führe zu einem Wachstumsschub in der Branche: Derzeit sei ein großes PSA-Werk (Citroen, Peugeot) um 600 Mio. Euro in Bau. PSA will seinen Fahrzeugabsatz in der Region Afrika/Mittlerer Osten bis 2025 laut Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) auf eine Million Stück steigern. "Und es gibt weitere Vorhaben", so Berger. Der chinesische Elektroautohersteller BYD habe etwa ebenfalls die Errichtung eines großen Standorts mit mehr als 2.500 Arbeitnehmern bei Tanger angekündigt.

Im abgelaufenen Jahr wurden in Marokko laut WKÖ-AußenwirtschaftsCenter Casablanca fast 400.000 Autos produziert. Damit rangiere das Land weltweit an 28. Stelle. In den dort aktuell 170 Produktionsstätten der Kfz-(Zuliefer)-Industrie sind derzeit rund 100.000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Umsatzziel für 2020 liege bei 10 Mrd. Euro. Internationale Unternehmen der Flugzeugindustrie wie Hexcel, Tecalemit und Alcoa hätten sich 2016 ebenfalls in Marokko niedergelassen und 2017 bereits einen Umsatz von mehr als 1 Mrd. Euro erzielt.

Marokko etabliert sich zusehends als verlängerte Werkbank und Lohnveredler. Investitionen kommen hauptsächlich von französischen und spanischen Unternehmen - das Schwellenland punktet mit niedrigen Lohnkosten und geografischer Nähe zu Europa. Die Infrastruktur ist allerdings unterentwickelt. "Es fehlt an Häfen, Verkehrsverbindungen, Strom und Eisenbahnverbindungen", betonte Berger.

Was die massive Migration und die von der EU angestrebte Verstärkung der Kooperation mit den Ländern in Nordafrika betreffe, sei eines klar: "Sie wollen sicher keine Zentren für Subsahara-Afrikaner sein, sie wollen vielmehr Know-how, um konkurrenzfähig zu sein und Arbeitsplätze zu schaffen", so Bachleitner. Wichtig wäre es seiner Ansicht nach den privaten Sektor in der Wirtschaft zu stärken. "Wenn ich es schaffe, eine Industrialisierung auszulösen, dann stoppe ich auch die Migration", meinte der Wirtschaftsdelegierte.

"Wir müssen Strukturen finden, wie man Investoren das Risiko nimmt", sagte er auch im Hinblick auf plötzliche Minister- oder Regierungswechsel mitten in Betriebsgenehmigungsverfahren. Alles, was irgendwie dem Infrastrukturausbau helfen könne, sei gefragt, ergänzte Berger. "Nur so kann man lokale Produktion aufbauen, die die lokalen Bedürfnisse befriedigen kann."

Das gilt vor allem für den Agrarbereich. In Algerien etwa wurde die Eigenproduktion von landwirtschaftlichen Produkten vernachlässigt, da man sich auf die sprudelnden Öleinnahmen verließ. Das Bevölkerungswachstum und damit auch die Nachfrage sind aber enorm. Die lokale Produktion reicht nicht aus. Momentan legen noch regelmäßig Riesenschiffe vollgeladen mit Weizen aus aller Welt an, um die Versorgung der - auch rasch wachsenden - Bevölkerung zu sichern.

Marokko wiederum hatte nie Öl und Gas - dort arbeiten 40 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft, die 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts stellt. Das Land hat auch ein Freihandelsabkommen mit der EU, über dessen Vertiefung derzeit diskutiert wird.

Nach Algerien lieferte Österreich 2017 Waren im Wert von rund 261 Mio. Euro, nach Marokko waren es gut 137 Mio. Euro. Im Gegenzug wurden Importe im Wert von rund 156 bzw. 173 Mio. Euro bezogen. Das heimische Außenhandelsvolumen mit beiden Ländern ist relativ gering. (apa/red)