Mikroeleektronik : AT&S: Große Investition mitten in der Corona-Flaute

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© AT+S / Werner Krug 2020

"Wenn man in Zeiten einer wirtschaftlichen Krise von Investitionen sprechen kann, ist es ein guter Tag", sagt Andreas Gerstenmayer bei einer Pressekonferenz Standort Leoben-Hinterberg. Hier, am Stammsitz des steirischen Technologiekonzerns AT&S, kündigt der Konzernchef für die nächsten Jahre Investitionen von 120 Millionen Euro an, davon etwa 20 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung und 100 Millionen Euro in Maschinen und Prozesse. In einer ersten Phase sollen bis zum kommenden Frühjahr 44 Millionen Euro fließen. Etwa ein Viertel dieser Investitionen wird das Unternehmen voraussichtlich als Zuschuss bekommen, und zwar über die europäische Förderschiene IPCEI.

Gerstenmayer: Produktionskapazität von "IC-Cores" stark erhöhen

Beim Ausbau stehen so genannte IC-Substrate im Mittelpunkt. "Das sind Verbindungselemente zwischen Leiterplatte und Chip, sie übersetzen gewissermaßen die Nanostrukturen des Chips auf die Mikrometer-Strukturen einer Leiterplatte", erklärt Gerstenmayer. Mit der Erweiterung und Modernisierung der Produktionsprozesse soll die Produktionskapazität so genannter "IC-Cores" um 50 Prozent gesteigert werden. Zur Veranschaulichung: Aktuell werden in Leoben-Hinterberg pro Jahr 225.000 Panels produziert, das entspricht einer Fläche von 56.000 Quadratmetern oder knapp acht Fußballfeldern. Nach der Investition sollen knapp 340.000 Panels produziert werden.

Moitzi: Miniaturisierung als riesiger Treiber

Der Bedarf an den von AT&S gefertigten Technologien sei groß und er nehme ständig zu, so der operative Vorstand Heinz Moitzi. Der Hersteller beliefert heute den Mobilfunkbereich und Smartphoneproduzenten ebenso wie die Autoindustrie, die Investitionsgüterindustrie oder die Medizintechnik. Mit den winzigen Komponenten aus Leoben könne die Leistung der Verbindungselemente und die Geschwindigkeit der Datenübertragung massiv erhöht werden, während der Energieverbrauch sinke, so Moitzi. Mehr dazu: AT&S: Chancen auf Wachstum bleiben trotz Corona intakt >>

Auch Moitzi veranschaulicht das mit einem Beispiel: "1971 hatte ein Halbleiter 2.300 Transistoren - heute sind es 3,35 Milliarden Transistoren. Und mit der immer weiter gehenden Miniaturisierung werden Microchips noch leistungsfähiger." Solche Entwicklungen machten viele technische Sprünge in der Digitalisierung überhaupt erst möglich, sie seien auch die Basis dafür, dass in Prozessoren hinter 5G hohes Tempo erreicht werde.

200 neue Arbeitsplätze in Hinterberg geplant - Ausbau auch in Asien

Die Investitionen in neue Entwicklungen sollen sich auch am Arbeitsmarkt der Region widerspiegeln: Rund 980 Mitarbeiter sind derzeit in Leoben-Hinterberg beschäftigt. Mit dem Ausbau sollen an diesem Standort 200 neue Arbeitsplätze entstehen. Während allerdings im Werk von AT&S in Fehring in der Oststeiermark für 320 von 400 Mitarbeiter Kurzarbeit herrscht, baut der Konzern seine Standorte in Shanghai und Chongqing in China weiter aus. Von den konzernweit rund 10.000 Mitarbeitern beschäftigt AT&S bereits über 4.000 Mitarbeiter in China. Auch für den Standort Ansan in Korea kündigte der Hersteller Ende vergangenen Jahres einen deutlichen Ausbau von Produktionsflächen an.

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"Ohne China gäbe es unsere Standorte in Österreich nicht mehr"

Beim Blick auf diese immer wichtiger werdende Position der asiatischen Standorte im Konzern findet Konzernchef Andreas Gerstenmayer eine recht markante Erklärung: "Ohne unseren Ursprung hier in Österreich gäbe es keine Standorte in China. Aber ohne unsere Werke in in China gäbe es auch die Standorte in Österreich nicht mehr." Viele Hersteller in Europa hätten inzwischen ihre Position am Weltmarkt verloren, so Gerstenmayer. "Wir aber nutzen Synergien und sind einer der Weltmarktführer in der Leiterplattenindustrie, der auch weiter wächst." Mehr dazu: AT&S setzt stark auf China - heimische Standorte sollen profitieren >>

Ministerin Schramböck: Europa muss Schlüsselindustrien schützen

Die Gefahr für europäische Schlüsselindustrien ist auch für Margarete Schramböck (ÖVP) ein zentrales Thema. "In den vergangenen 15 Jahren war es ein Fehler vieler Vorgängerregierungen und auch der Politik Europas, nur die Forschung, aber nicht die Produktion gefördert zu haben. Ich habe mich bereits in der ersten Regierung von Sebastian Kurz dafür eingesetzt und tue es auch jetzt. Wir müssen die Renaissance der Produktion in Europa vorantreiben und Schlüsselindustrien hier halten."

Gerade die Branche der Mikroeleektronik stehe dabei an vorderster Front: Während der Bedarf des globalen Marktes weiter wächst, haben Hersteller in Asien inzwischen 70 Prozent der Wertschöpfungskette erobert. Der Anteil der USA an der Wertschöpfung bei Mikroelektronik beträgt nach Schramböcks Angaben 20 Prozent - und jener Europas lediglich 8,4 Prozent. "Inzwischen gibt es in Europa lediglich drei nennenswerte Industriekonzerne in diesem Bereich", sagt die Ministerin.

Österreich ist dem Programm IPCEI beigetreten

Was die Stärkung des Standorts angeht, verweist Schramböck konkret auf das europäische Förderprogramm IPCEI (Important Projects of Common European Interest), das sich an bestimmte Industriebranchen richtet. Diesem Programm haben bisher Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien angehört. Nach einem Beschluss im österreichischen Ministerrat Anfang Juli gehört nun auch Österreich dazu. Geplant ist, dass Industriebetriebe über IPCEI in den kommenden Jahren 1,75 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt bekommen.

Investition in Leoben als erstes Förderprojekt

Dabei fließt zwar einerseits viel Geld aus dem heimischen Budget in diesen Fördertopf, andererseits kommt auch Geld zurück. So sollen ab Herbst drei Unternehmen in Österreich Förderungen im Rahmen des IPCEI-Mikroelektronik-Projekts bekommen, und zwar in Form von Zuschüssen von bis zu 25 Prozent einer Investitionssumme. Die 120 Millionen Euro schwere Investition am Standort Leoben-Hinterberg ist das erste Projekt hierzulande, das von dieser Förderschiene profitieren soll. Weitere Details dazu: Mikroelektronik: Neue Förderung für Infineon, AT&S und NXP geplant >>

Schützenhöfer: Steirische Forschungsquote im europäischen Spitzenfeld

Für Investitionen in die Forschung eigne sich gerade die Steiermark in besonderem Maße, betont der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP). "Die Steiermark gehört als Region mit einer Forschungsquote von knapp fünf Prozent zum Spitzenfeld in ganz Europa - und hat bei diesem Wert übrigens gerade Baden-Württemberg überholt." In Österreich gebe es nirgendwo außerhalb von Wien so viele Universitäten und so viele außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Auch ganz grundsätzlich sei die Investition von AT&S "ein Lichtblick in einer herausfordernden Zeit. Denn was wir jetzt vor allem brauchen, ist Zuversicht, damit die Wirtschaft schnell wieder in Gang kommt und Arbeitsplätze gesichert werden."

Eibinger-Miedl: Mikroelektronik als "Stärkefeld" für den Süden Österreichs

Gerade die Mikroelektronik habe sich zu einem "unglaublichen Stärkefeld" in Kärnten und der Steiermark entwickelt, sagt dazu die steirische Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP). In diesem Bereich kommen demnach 80 Prozent der heimischen Wertschöpfung aus dem Süden Österreichs. AT&S sei in diesem Sinne ein Leitbetrieb, so Eibinger-Miedl: "Die aktuelle Investition ist ein Zukunftsprojekt, das gerade in der jetzigen Situation für Aufbruchstimmung sorgt." ///