Hintergrund : ArcelorMittal: Zehn Jahre nach der Fusion ist der Glanz verblasst

Es war Mittals Krönung. Fünf Monate lang tobte eine erbitterte Übernahmeschlacht, bis sein Unternehmen Mittal Steel den luxemburgischen Stahlkocher Arcelor für rund 26 Mrd. Euro übernehmen konnte. Es entstand der bis heute mit Abstand weltgrößte Stahlhersteller. Die Hoffnungen waren groß: ArcelorMittal sollte "die Zukunft der Stahlindustrie prägen". Das ist jetzt zehn Jahre her. Seit dem 1. August 2006 kann Mittal den Koloss aus Luxemburg sein Eigen nennen. Doch die Stahlwelt hat sich inzwischen fundamental verändert - gelohnt hat sich das Geschäft kaum.

Mittal kauft Stahlwerke in aller Welt - auf Pump

Zunächst freilich glänzte der neue Stahlriese. Im ersten vollen Geschäftsjahr nach der größten Unternehmensfusion der Stahlbranche legte ArcelorMittal für 2007 Rekordzahlen vor: einen Überschuss von 10,4 Mrd. US-Dollar, gut 105 Mrd. Dollar Umsatz, 110 Millionen Tonnen Stahl und 320.000 Beschäftigte. Es waren goldene Zeiten für die Stahlindustrie. Die Weltwirtschaft war im Wachstumsmodus: In Südeuropa boomte die Baubranche, und China versprach noch großartige Zuwächse. Die Stahlnachfrage übertraf das Angebot. Wer viel produzierte, verdiente auch viel.

Sein Reich hat sich der Sohn eines indischen Stahlindustriellen durch Übernahmen von Stahlwerken in aller Welt zusammengekauft - finanziert vor allem durch Schulden. "Ich kaufe Unternehmen, fusioniere, konsolidiere sie, reduziere ihre Kosten, mache sie sehr effizient", beschrieb der Milliardär einst sein Geschäftsmodell. Sein Meisterwerk sollte schließlich die Übernahme von Arcelor sein - einem Konzern, der erst wenige Jahre zuvor aus dem Zusammenschluss dreier europäischer Stahlunternehmen entstanden war.

Dann kam die Krise

Doch dann kamen die Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise. Bis heute hat sich die Stahlbranche davon nicht erholt. "Allein in Europa liege die Rohstahlerzeugung immer noch 20 bis 25 Prozent unter dem, was man vor der Krise als Normalwert hatte", sagt Stahlexperte Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Die Preise stehen unter Druck. Im vergangenen Jahr verschärfte sich die Situation weiter, als auch noch China begann, seine Überproduktion zu Billigpreisen auf den Weltmarkt zu werfen.

Das hinterlässt tiefe Spuren bei ArcelorMittal. Der Konzern hat in den vergangenen Jahren in Europa vier seiner 25 Hochöfen geschlossen, ganze Sparten wie den Edelstahlbereich ausgliedert und weltweit zehntausende Arbeitsplätze gestrichen. Doch ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht. Immer wieder musste ArcelorMittal hohe Abschreibungen vornehmen. Auch der Ausbau der eigenen Rohstoffförderung hat sich bisher kaum gelohnt, da die Erzpreise in den vergangenen Jahren deutlich eingebrochen sind.

Rekordverlust von acht Milliarden Dollar im Vorjahr

Als Höhepunkt kam im vergangenen Jahr ein Rekordverlust von fast 8 Mrd. US-Dollar zusammen. Derzeit arbeiten noch knapp 210.000 Menschen im Konzern, der Umsatz ist auf 64 Mrd. Dollar abgesackt. Als vergleichsweise stabile Stütze gelten dabei die vier deutschen Werke Bremen, Duisburg, Eisenhüttenstadt und Hamburg mit ihren zusammen gut 9.000 Beschäftigten.

An den Kapitalmärkten wird ArcelorMittal kritisch beäugt. Der Aktienkurs ist seit dem Höchstkurs Mitte 2008 um 90 Prozent eingebrochen. Die großen Ratingagenturen halten die Schuldscheine des Konzerns inzwischen für riskante Investitionen - zu hoch sind die Schulden im Vergleich zu den schwachen Erlösaussichten. Daran hat auch die jüngste Kapitalerhöhung nichts geändert, die rund drei Mrd. Dollar einbrachte. Es war bereits die dritte für den Konzern seit 2009. Und dabei musste die Familie Mittal selbst immer wieder frisches Geld aus dem eigenen Vermögen zuschießen. Nun soll ein neues Sparprogramm helfen.

Massenstahl: Die Hauptkritik an ArcelorMittal

Zu viel Massenstahl - das ist die Hauptkritik an ArcelorMittal. Die Branche wünscht sich vom Weltmarktführer eine stärkere Führungsrolle beim Abbau von Kapazitäten. Der Konzern wiederum betont, schon genug geleistet zu haben. Derzeit bemühen sich die Luxemburger sogar darum, das einst größte europäischen Stahlwerk im süditalienischen Tarent zu übernehmen. Dabei hofft der Konzern auf umfangreiche Subventionen. Die Anlage gilt als marode und befindet sich derzeit unter staatlicher Kontrolle. Viele Konkurrenten fordern stattdessen eine Schließung der Anlage. Dass die Stahlindustrie noch einmal zu einer Wachstumsbranche wird, glaubt etwa RWI-Experte Döhrn nicht mehr. (dpa/apa/red)