Autotest BMW 330i - 3er-Serie : Appstore statt Shopfloor

© BMW AG

Hier steht er nun, in teurer Pracht. Der neue 3er – fahrzeuggeworden als 330i Xdrive. Bis zum Anschlag der Aufpreisliste ausgestattet und knappe 88.000 Euro schwer ist er. Was an diesem Wagen gut ist, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: er fühlt sich auch an wie ein Auto für fast 88.000 Euro. Das Leder duftet geradlinig nach Neuwagen, jeder Schalter fühlt sich präzise wie ein (kalter) Sturmgewehrverschluss von Heckler und Koch an und man denkt sich zufrieden, ach, die deutsche Autoindustrie kann´s halt einfach. Das Automatikgetriebe von ZF treibt Technikern Freudentränen in die Augen, der turbogeladene Vierzylinder ist ein Raketentriebwerk mit geerdeten 7 Litern Durchschnittsverbrauch. Weil der Wagen ein Kombi ist, sagt BMW seit den 80er Jahren „Touring“ dazu und man kann ihm unbefangen attestieren, auch ein sehr schönes Fahrzeug zu sein.

Seitenliniensekretär

Es wäre so leicht gewesen, diese Lobkulisse aufzubauen und dann zufrieden in der ersten Reihe Platz zunehmen. Wäre da nicht dieser Satz in den Presseinformationen: „Das umfangreich erweiterte Angebot an Fahrerassistenzsystemen ebnet den Weg zum automatisierten Fahren“.

Der neue 3er kommt mit einer Vielzahl an Kameras, Radarsystemen und Ultraschallsensoren, die ihre Umwelt laufend erfassen und vermessen. Was sie dort in Erfahrung bringen, wird von den Assistenten direkt ins Getriebe und aufs Lenkrad übertragen. Erstes machen sie recht gut, zweiteres ist recht gewöhnungsbedürftig. Immer wieder greift die Elektronik wie ein strenger Fahrlehrer in die Lenkung ein und versucht dem Wagen ihren Willen zwischen Mittel- und Seitenlinie aufzuzwängen. Das ist manchmal ganz gut, oft nervt es und auf der Autobahn vermittelt es das Gefühl, mit einem Reifenschaden 160 zu fahren. Der Wagen pendelt zwischen den Linien umher und schnell ist der Eindruck gewonnen, dass die Assistenten nicht nur sehr fleissig, sondern auch sehr einfältig sind. So richtig vertrauen möchte man ihnen nicht, dafür sind einfach noch nicht ausgereift genug. Fährt der BMW noch ganz passabel selbständig um sanfte Kurven, dann hört er damit einfach auf, wenn der Radius zu klein wird. Tatsächlich, er fährt dann gerade aus. Das ist für die Bewältigung einer Kurve keine hilfreiche Assistenzfunktion. Hat man sich elektronisch an ein voranfahrendes Auto angehängt, wird es souverän verfolgt, bis die Fahrbahnbreite sich ändert. Ob wir den rechten Spiegel verloren hätten wissen wir nicht, wir wollten es am Ende nicht darauf ankommen lassen und haben den Assistenten assistiert.

Florian Zangerl testet den BMW 3 330i Xdrive

Überhaupt, die Sportlenkung mit variabler Lenkübersetzung, einst ein wertvoller Beitrag zum Claim „Freude am Fahren“ ist diesmal aus der Spur geraten. Angenehm ist der Wagen in der Stadt zu fahren, aber bei hohen Geschwindigkeiten wirkt es zuerst, als habe die Lenkung Spiel, um sich dann mit viel Widerstand dem Fahrer entgegenzustellen. So ist das Fahren im letzten Viertel der Geschwindigkeitsanzeige nicht entspannt, sondern ein einziger Balanceakt.

Von den Hilfssystemen als gelungen abhaken lässt sich eigentlich nur der Abstandstempomat. Er folgt mit wenig Verzögerung und lässt auch kaum Lücken entstehen, wenn der Vordermann die Geschwindigkeit ändert. Nur: einen Abbiegevorgang des vorausfahrenden Autos erkennt auch der neue Assistent nicht, sondern bremst gleich dumm wie der Alte herunter, obwohl das vermeintliche Hindernis schon fast ganz um die Kurve gefahren ist. Und wieder assistiert der Fahrer dem Wagen und nicht umgekehrt.

BMW verspricht, dass auch die Automatik etwas von den laufend genierten Fahrdaten hat und sich besser darauf einstellt, was demnächst zu tun sein wird. Das macht sie gut, wie auch die Bremseingriffe recht zuverlässig funktionieren. Auf Wunsch hält der Wagen vor roten Ampeln und ein unsichtbarer Fuss steigt vor stehenden Hindernissen mit Vehemenz in die Klötze. Zusammengefasst: längs arbeiten die Assistenten hui, quer aber leider nur pfui.

Schafft der BMW 3 330i Xdrive kleine Hindernisse?

Tuning ade

Klickt man sich durch die vielen Menüs des zentralen Touchscreens, dann merkt man, wie sich auch bei BMW das Verhältnis von Soft- und Hardware gewandelt hat. Tacho und Drehzahlmesser sind längst nur mehr Pixel auf einem Display, das darüber hinaus auch den Weg weist, Befindlichkeiten des Fahrers analysiert und je nach Antriebsmodus unterschiedliche Farben annimmt. Über BMW Connect lassen sich wie in einem Appstore Funktionen wie der Stop&Go-Assistent oder ein elektronisches Fahrtenbuch gegen Geld freischalten. Extrapoliert man diesen Gedanken, wird dasselbe vielleicht auch irgendwann mit der Endgeschwindigkeit passieren. Den Gang in die Tuning-Werkstatt kann sich der geneigte BMW-Pilot auf Grund der Komplexität der Systeme jetzt schon sparen. Dafür darf er dem Wagen nun einen Namen geben, auf den er hört, soll er die Sitzheizung abstellen oder den Radiosender wechseln. Wenig überraschend heißt diese Funktion „BMW Intelligent Personal Assistent“ und soll laufend weiterentwickelt werden. Zum ganzen Digitalpaket gehört auch die Gestensteuerung, über die sich zum Beispiel berührungslos der Verkehrsfunk abstellen lässt.

In einer engen Kurve wird auch wieder der Fahrer zum Assistent des Wagens.

Über die Funktionen der Entertainment-Systeme ließe sich noch ein ganzes Buch schreiben. Alles ist recht benutzerfreundlich ausgeführt und wirkt eher wie Apple Iphone statt wie Windows 95. Die Qualität der verbauten Elektronik passt zum hochwertigen Rest des Wagens. Das alles hält die Frage spannend: wofür werden die Käufer der vielleicht irgendwann ein bisschen besser selbstfahrenden Autos den Premium-Aufschlag bezahlen?