Energiewirtschaft : APG: Ein starkes Stromnetz funktioniert wie ein Energiespeicher

Der Ausbau der Erneuerbaren bringt enorme Schwankungen in den Stromnetzen mit sich. Unentbehrlich wird auch eine Flexibilisierung bei Erzeugung wie auch beim Verbrauch, etwa bei besonders energieintensiven Herstellern wie der Voestalpine. Was in der Energiewende immer noch fehlt, sind industriell nutzbare Möglichkeiten der Stromspeicherung. Die einzige heute funktionierende Art sind Pumpspeicherkraftwerke - doch auch diese Technik ist aufgrund geografischer Gegebenheiten begrenzt.

Ein Ausbau der Stromnetze sei daher für das Gelingen der Energiewende unabdingbar, so der österreichische Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG). "Eine gut ausgebaute 380-kV-Leitung kann bis zu 2000 Megawatt aufnehmen, so viel kann keine Batterie", so Gerhard Christiner, Vorstand der APG, jüngst bei einem Hintergrundgespräch in Wien. Der Ausbau der Netze sei daher derzeit die effektivste und günstigste Art, mehr Flexibilität des gesamten Systems zu erreichen.

Teures Redispatch

Gibt es zu viel oder zu wenig Strom in den Netzen, müssen Netzbetreiber massiv mit thermischen Kraftwerken dagegenhalten – und das ist nicht nur teuer, sondern treibt auch den CO2-Ausstoß hinauf. 92 Millionen Euro kostete im Jahr 2017 das sogenannte Redispatch, also Eingriffe, um das Stromnetz zu stabilisieren. "Im Vorjahr sind die Kosten auf 117 Millionen Euro gestiegen. Das sind also rund zehn Millionen Euro pro Monat, die letzlich Endverbraucher und Industrie zahlen müssen", sagt APG-Finanzvorstand Thomas Karall. Auch die Anzahl der Eingriffe brachte im Vorjahr einen neuen Rekord: An 88 Tagen funktionierte das System von allein. An allen anderen musste die APG eingreifen.

Leitungskapazitäten in Österreich fehlen

Eine Schwierigkeit neben den Schwankungen ist auch der Transport: Die großen Pumpspeicher stehen vor allem im Westen Österreichs, während große Gaskraftwerke und Erneuerbare im Osten stark sind. Ein weiteres großes Thema hier ist die Leitung von Strom aus Deutschland, der europaweit am billigsten ist und damit einen Vorteil auch für den Standort Österreich darstellt.

Durch den geplanten starken Ausbau der Erneuerbaren Energien in Österreich - neben Wasserkraft vor allem bei Windenergie und Photovoltaik - wird die Herausforderung in mehr als einem Jahrzehnt eher darin bestehen, den Spitzenanfall von Wind- und PV-Strom "wegzubringen", etwa von den Windparks im Burgenland, als Deckungslücken zu schließen, wie es im Vorjahr erforderlich war. Damals gab es im ersten und im vierten Quartal Deckungslücken von bis zu 6.000 MW. Auch im Juli, August und September waren teils erhebliche Stromimporte nötig.

"Kleine Lösungen sind keine Lösung"

Wenn die installierte Windkraft-Leistung bis 2030 von 3.000 MW auf 9.000 MW gesteigert und die PV-Leistung von 1.400 auf 12.000 MW klettern soll, müssen in Zukunft verstärkt saisonale Stromspeicher zum Einsatz kommen - auch Power-to-Gas-Lösungen, also mit Sonnenstrom gewonnener Wasserstoff oder Erdgas.

Trotzdem verweisen die Vorstände der APG auch hier auf die engen Grenzen dieser Technologien. "Microgrids können natürlich nützlich sein. Auch ist viel von der Nutzung von Elektroautos als Stromspeicher die Rede. Aber wie man am Beispiel Burgenland sieht, funktionieren kleine Systeme auf der Ebene des gesamten Systems nicht. Kleine Lösungen sind keine Lösung. Wir sind die einzigen, die die Systemfunktionalität in ganz Österreich im Blick haben müssen."

Salzburgleitung: "Grünes Licht" vom VfGH - Entscheidung des VwGH steht noch aus

Daher sind die APG-Vorstände Christiner und Karall über das kürzlich erfolgte "grüne Licht" des Verfassungsgerichtshofs für den Bau der 380-kV-Salzburgleitung froh, obwohl noch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ausständig ist, bis zu der es zwei Jahre dauern könnte.

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Also plant die APG, die übrigens nicht gewinnorientiert arbeitet und von der E-Control reguliert ist, mit dem Neubau auf 128 Kilometern mit 449 Masten, während gleichzeitig ältere Netze auf 193 Kilometern und 678 Masten demontiert werden sollen. "Unterm Strich werde deutlich mehr Leitungen abgebaut als neu errichtet. Es gibt Gemeinden, die profitieren massiv, weil ältere Leitungen ganz verschwinden", sagt APG-Vorstand Karall.

Die Kosten des Projekts belaufen sich auf 800 Millionen Euro. Bringt der Netzbetreiber seine Pläne durch, ist heuer im September Baubeginn. Beim geplanten Baustart stützt sich die APG auf ein bis dahin zu erwartendes Gutachten von Experten für Öffentliches und Gesellschaftsrecht. Formal soll der APG-Aufsichtsrat dann bei seiner Sitzung im September den definitiven Baubeschluss für die Leitung fällen. Die Inbetriebnahme soll dann 2024 erfolgen.

(pm)

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