Umdasch-General : Andreas Ludwig: „Analystentreffen werde ich nicht vermissen“

Andreas Ludwig
© Helene Waldner

Herr Ludwig, wie führen dieses Gespräch an einem historischen Jahrestag. Wissen Sie an welchem? Nein, helfen Sie mir. Heute ist der zweite Jahrestag des Zusammenbruchs von Lehmann Brothers. Wissen Sie noch wo Sie bei Erhalt der Konkursnachricht gewesen sind? Genau weiß ich es nicht mehr. Ich kann mich aber noch an die große Unsicherheit und Unruhe erinnern, die bereits im Vorfeld geherrscht hat. Was hat sich für Sie als Manager seither geändert? Die Welt ist nicht mehr, was sie bis 2008 war. Bis dahin konnten wir von Prognosen ausgehen, die in Amplituden von zwei bis drei Prozent nach oben oder nach unten agierten. Heute müssen wir mit anderen Bandbreiten zurechtkommen. Doka musste 2009 als Vorreiter des Baugewerbes Auslastungsrückgänge von 50 bis 70 Prozent meistern. Wir müssen uns auch für die Zukunft so aufstellen, dass wir größere Ausschläge und Schwankungen verdauen können. Unsere Worst-Case-Szenarien liegen nicht mehr bei minus 20 Prozent, sondern bei minus 50 Prozent. Wenn Sie mir vor fünf Jahren einen Mittelfrist-Plan mit einer derartigen Planungsbasis abverlangt hätten, hätte ich dies als nutzlose Arbeit qualifiziert. Wie kann das gehen? Eine zentrale Stellschraube ist die regionale Diversifikation. Ich glaube nicht, dass alles auf der ganzen Welt gleichzeitig passiert. Ein weiterer Parameter ist die Balance zwischen Eigenproduktion und Zukauf. Hier verfügt Umdasch über ausgereifte Beziehungsnetze. Ein weiteres wichtiges Thema sind die flexibleren Arbeitszeitmodelle: Wie kann ich jetzt mit meiner Stammmannschaft auf die stark wechselnden Auftragslage reagieren? Diese Frage ist politisch zu klären. Folgt jetzt die übliche Drohung der Standortverlagerung? Überhaupt nicht. Doka bedient seine Märkte weltweit im wesentlichen von Amstetten aus. Wir haben hier die zentrale Produktion und Wertschöpfung unseres Konzerns, und wir denken nicht daran, dies zu ändern. Wir sind durch Innovation und Technologie global voll wettbewerbsfähig, obwohl wir praktisch nie die Billigstbieter sind. Die Preiskomponenten haben wir im Griff. Aber wir brauchen Luft zum Atmen. Mir muss erlaubt sein, die Systeme und Geschäftsmodelle so zu gestalten, dass ich schnell auf geänderte Situationen reagieren kann. Wir sprechen hier nicht über Geld. Für meine Leute soll unterm Strich das gleiche rauskommen wie vorher. Aber ich benötige die Mitarbeiter, wenn es die Kunden verlangen und wenn die Aufträge im Haus sind. Wir müssen einfach über längere Durchrechnungszeiträume reden können. Bei der Belegschaft stößt man mit diesen Notwendigkeiten ohnehin immer auf offene Ohren. Sehen Sie die Position der Gewerkschaften und jene ihrer Mitarbeiter auseinanderdriften? In einem gut funktionierenden Unternehmen mit gutem Betriebsklima verstehen die Mitarbeiter die Notwendigkeit. In Summe müssen die Vereinbarungen über Arbeit und Lohn halten. Darum geht es. Bei Zumtobel hatten wir in einem Sommer einen großen und unerwarteten Auftrag hereinbekommen, der kurzfristig zu erledigen war. Die Meister haben ihre Burschen angerufen, die im Urlaub waren, und ihnen erklärt, dass der Kunde weg ist, wenn wir den Auftrag nicht zeitgerecht schaffen. Die haben alles liegen und stehen lassen und haben eine Woche hineingebuckelt, dann waren sie wieder fort. Das war kein Thema. Und das funktioniert auch umgekehrt. Wir hatten viele Nebenerwerbsbauern bei Zumtobel. Wenn die mal schnell nach Hause mussten oder einen Wetterschaden hatten, dann war ein Spontan-Urlaub von unserer Seite auch kein Problem. Sie haben lange Jahre im Ausland gelebt. Wenn Thomas Bernhard in “Heldenplatz” Österreich und seine Bürger in literarischer Überhöhung als „stumpfsinnig, korrupt und engstirnig“ bezeichnet, wie Recht hat er da? Überhaupt nicht. Ich war 25 Jahre lang im Ausland und habe fast immer für österreichische Unternehmen gearbeitet. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil. Swarovski, Zumtobel oder Umdasch repräsentieren in ihren Geschäftsfeldern Weltmarktniveau. Sie beweisen täglich, dass man mit innovativer Technologie und kreativem Marketing eine Weltmarktposition auch aus einem kleinen Land heraus erarbeiten kann. Wenn die Horizonte so beschränkt wären wie sie Bernhard beschreibt, wäre das völlig unmöglich. Ich kann diese Haltung auch volkswirtschaftlich nicht nachvollziehen. Ganz egal, welche politische Einstellung man hat, in Summe muss man doch sagen, das in diesen Land in den letzten 50 Jahren ein unglaublicher Wohlstand geschaffen worden ist. Wir sind jetzt in den Top 5 der wohlhabendsten Länder dieser Welt. Also so schlecht, sag ich jetzt mal ganz pragmatisch kann es eigentlich nicht gewesen sein. Sie haben eine nun eine Holdung mit zwei so unterschiedlichen Branchen wie den Schalungsbau und den Ladenbau. Steigt dadurch die Managementherausforderung? Für mich ist dies normal. Ich vermute, dass der Aufsichtsrat der Umdasch-Gruppe auf mich zugekommen ist, weil ich ähnliche Erfahrungen schon machen durfte. Die Herausforderung liegt eher darin, das Unternehmen kennenzulernen. Als Entscheidungsträger will ich mich in die Kultur der Zusammenarbeit und der Organisation hineinarbeiten und verstehen, wie die Menschen ticken. Das ist eigentlich die viel größere Herausforderung. Ich sage immer, die Branche ist zweitrangig. Das lernt man schnell. Sie haben von 2001 bis 2003 drei Jahre in London als Investmentbanker bei Warburg gearbeitet. Ist die Perspektive eines Investmentmanagers, der wie Sie für drei Jahre in London gearbeitet hat, eine andere als jene des Vorstandsvorsitzenden eines produzierenden Unternehmens? Komplett. Ich habe 20 Jahre in der Realwirtschaft gearbeitet und drei im Investmentbanking. Ich war 2003 sehr froh, wieder in ein produzierendes Unternehmen zurückzukommen. Das Investmentbanking ist eine Beratungsdienstleistung. Ich persönlich habe mehr Spaß daran, etwas zu produzieren und dann zu verkaufen. Hier sind die Resultate greifbar. Umdasch ist ein familiengeführtes Unternehmen, Zumtobel ist börsenotiert. Worin liegen die Unterschiede? Das war ein wichtiger Motivationspunkte, nach Amstetten zu kommen. Ich habe zwei Börsengänge mitgemacht, einmal mit dem Schmuck von Swarovski in den USA und einmal mit Zumtobel. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich die Zeit, die man als Vorstandsvorsitzender bei Roadshows und Analystentreffen verbringt, nicht vermissen werde. Ich verstand immer, dass das notwendig ist. Aber es macht keinen Spaß. Erleben Sie jetzt einen Paradigmenwechsel zwischen Shareholder Value und eigentümerbasierender Nachhaltigkeit? Da unterstellt man den börsennotierten Unternehmen und deren Investoren zu große Kurzsichtigkeit. Gute Investoren denken nicht in Quartalen. Und den Daytrader treffe ich als CEO ohnehin nicht. Aber es ist Fakt, dass in den Familienunternehmen, die ich kennengerlernt habe, und da sind mit Swarovski, Zumtobel und Umdasch sicher repräsentative Beispiele, der nachhaltige Profit stärker im Vordergrund steht. Und das gibt die Chance, langfristige Strategien zu nutzen. Zum Beispiel? Das Geschäft von Doka besteht nicht nur im Verkauf von Schalungssystemen, sondern auch in deren Vermietung. Wenn ich einen neuen Markt erschießen will, muss man bereit sein, viel Geld in die Hand zu nehmen und auch geduldig sein, denn das Kapital bleibt relativ lange gebunden. Für ein derartiges Geschäftsmodell ist ein Privataktionär, der das Business versteht, weil er es selbst entwickelt hat, wesentlich geeigneter als eine Investmentbank, die permanent nach Alternativen und rascheren Return on Investments schielt. Die Oberösterreichichen Nachrichten beschreiben Sie in einem Porträt als „hemdsärmelig und gesellig“. Passt das? Da finde ich mich ganz gut getroffen. Darum entspricht mein Arbeitsplatz in einem Industriebetrieb meiner Persönlichkeit weit eher als die Tätigkeit in einer Investmentbank. Und Geselligkeit ist durchaus eine Eigenschaft, die ich schätze – an mir und bei anderen. Interview: Josef Ruhaltinger