Produktionsoptimierung : Analyse: Warum viele Methoden zur Effizienzsteigerung im Chaos enden

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Der Sanktus vom Betriebsrat kam schnell. Als 2009 die Absatzkrise den Maschinenbaubetrieb in Oberösterreich mit voller Wucht erfasst, ist die Unternehmensführung mit den Belegschaftsvertretern rasch „handelseins“: Eine echte Alternative zum stärkeren Einsatz von Effizienzsteigerungsmethoden wie Kaizen, so kommen die Herrschaften in der knapp einstündigen Besprechung zum Schluss, sei nicht zu erwarten.

Und so schlägt der Betrieb mit aller Kraft den Optimierungsweg ein: Mit erschlankten Prozessen, sklavischer Disziplin und mehr Arbeitseffizienz hält sich der Betrieb in den Folgemonaten auf Kurs.

Die Einführung von Kaizen – effizienter kann man sie nicht vorleben. 2012 meint es das Management dann aber doch zu gut mit dem betrieblichen Optimieren. Die Unternehmensspitze versucht, MTM zur automatisierten Zeitmessung der betrieblichen Arbeitsabläufe einzuführen – für den Betriebsrat eine Provokation: Nicht mehr durch menschliche Messungen, unter der Anwesenheit des Betriebsrats, sollte nun evaluiert werden, wie lange Mitarbeiter für ihre Arbeit brauchen, sondern per Rechenmodell. Ein Vorstoß, der den Betriebsrat auf die Barrikaden treibt und sonst nur eins bringt – Verunsicherung in der Belegschaft.

Quereinsteiger

Ein Szenario, das einigen im Produktionsumfeld bekannt vorkommen wird: Immer öfter schlagen Betriebe beim Einsatz von Optimierungslehren und Methoden zur Effizienzsteigerung über die Stränge, immer öfter erwehren sich Betriebsräte dagegen nur mit List oder Geduld.

Das dürfte mit der Aufwertung zusammenhängen, die Themen wie Lean oder 5S zuletzt spürbar in der Produktion erfahren haben – kaum ein Betrieb hat heute nicht seine Jünger einer Produktionsphilosophie. Was die Situation verschärft: Im Stab der Qualitätsabteilungen sitzen heute vielerorts nicht mehr klassische Mitarbeiter aus der Produktion, sondern nicht selten Quereinsteiger mit Controller-Ausbildung – und Distanz.

Ohne persönliche Involvierung in den einzelnen wertschöpfenden Abteilungen, dafür aber mit direktem Draht zum Vorstand, optimiert es sich leichter, lautet die Schlussrechnung mancher. Nicht nur innerhalb der Unternehmen findet allerdings ein Wandel statt. Methoden wie MTM, deren bloße Erwähnung im Zusammenhang mit dem mitarbeitergetriebenen Kaizen einige Experten heftig zurückweisen, seien ein klassisches Instrument großer globaler Beratungsunternehmen, die derzeit massiv in der Produktionswelt nach Beratungsaufträgen suchen.

„Das Geschäft der klassischen Strategieberatung ist seit Jahren rückläufig, da wagen sich die Berater in die Niederungen der Produktionsberatung vor“, beobachtet ein Experte. Deren Mitarbeiter würden unheimlich genau auf die Methoden dressiert und „klinisch ihre Instrumente beherrschen“, meint ein Ex-Mann von Ernst & Young.

Das sei aber zugleich „ihre große Schwäche, wenn ein Instrument einmal seine Wirkung verfehlt“, sagt er. Weniger mitarbeiterorientiert als mit MTM – einem Ansatz, der laut einem Produktionsprofi stellvertretend für zu scharfe Ansätze in der Produktionsoptimierung steht – „können Betriebe gar nicht handeln“, sagt Dieter Budinsky, Geschäftsführer der Acon Management Consulting. Das sei eine „mechanistische Herangehensweise in Reinform, die auf lange Sicht „für hohen Frustrationsgrad und extreme Mitarbeiterfluktuation“ sorge, beobachtet er.

Schon nach wenigen Monaten kristallisierte sich heraus, dass die von oben verordnete Veränderungskur so keinen Erfolg bringe. Die Optimierer „agierten über die Köpfe der Mitarbeiter hinweg und am Ende bekam der Vorstand feierlich einen schön geschriebenen Bericht vorgelegt“, erzählt er.

Das kann böse enden: So wie 1999 bei einem deutschen Automobilzulieferer, dessen Betriebsrat extreme Stimmung gegen einen Optimierungsworkshop machte – der Geschäftsleitung blieb nichts anderes übrig, als die Trainer heimzuschicken.

Bei den Oberösterreichern blieb das Gastspiel der kennzahlengetriebenen deutschen Profiberater auch nicht folgenlos: Die Mitarbeitermotivation stürzte in den Keller, ein neuer Berater kam ans Ruder. Der überzeugte das Unternehmen von der Sinnhaftigkeit eines kompletten Neustarts: „Es ging darum, schon in der Aufbauorganisation grundlegende Veränderungen auf Schiene zu bringen.“

Der Instrumenteeinsatz müsse „Hand in Hand mit einem Wechsel in der Führungsarbeit“ einhergehen. Denn es erfordere eine sehr genaue Diagnose des Zustands einer Produktion, um Verbesserungsinstrumente wirkungsvoll auf den Weg zu bringen. Die Realität sieht häufig anders aus. Berater gehen mit knallharten Analysen an die Produktionslinie und schreiben dann streng methodisch Zielvorgaben in den Abschlussbericht. „Brutal und unverträglich“ findet das ein Produktionsoptimierer.

Er weiß von einem Konzern, wie die Geschichte dann mitunter weitergeht: „Nicht ein Punkt wird umgesetzt.“ Seine Begründung dafür: Mitarbeiter wüssten „ohne Umsetzungsbegleitung“ gar nicht, „welche Punkte wie“ anzupacken seien.

Motivationsproblem

Und es ist Gift für den Teamgeist und die Mitarbeiterzufriedenheit. Ein richtiges Kultur- und Motivationsproblem handelte sich etwa ein heimischer Maschinenbauer von Holzbearbeitungsmaschinen ein, der sich Berater ins Haus holte, die ausschließlich auf externe Audits setzten. „Die waren extrem scharf, bis hin zu Kündigungen“, erinnert sich ein Experte aus der Beraterszene. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter wurden weggeschaltet, wie es im Beraterdeutsch heißt. Hinterher half dem Unternehmen nur mehr ein Neustart. „Die Strategie wurde komplett umgekrempelt“, heißt es aus dem Umfeld des Betriebs.

Ein Produktionssystem fand ins Unternehmen. Und auch ein so genannter „Vereinbarungsprozess“ lief an. Audits fallen nun in den Aufgabenbereich von internen Expertenteams und Teamkoordinatoren. Sie wiederum sind „intensivst geschult in den Themen Kommunikation und Motivation“.

Die Erwartungshaltung bei den Beteiligten ist dabei naturgemäß ganz unterschiedlich, wie ein ehamaliger Kaizen-Trainer sagt: „Der Topklient erwartet sich eine spürbare Ergebnisverbesserung, die lokalen Werke machen sich schon auch mal aufs Schlimmste gefasst.“

Vertrauen könnte dort nur in großer Runde aufgebaut werden. „Wir betreiben die kontinuierliche Verbesserung schon sehr exzessiv und nehmen fast jede Stunde einen neuen Blickwinkel in der Fertigung ein“, gibt der Geschäftsführer eines niederösterreichischen Produktionsbetriebs zu Protokoll.

Nur die intensive Beschäftigung mit Methoden aber führe zum Ziel: „Kaum ein Instrument funktioniert in jeder Situation gleich gut“, sagt er. Und: Berater, die sich ihre Sporen nicht in der Produktion verdient haben, wären häufig zu wenig spezifisch.

Sie wären „auf einer sehr hohen Flughöhe unterwegs“. Ihr Zugang, sich Prozesse lediglich aufgrund von Zahlenströmen anzuschauen, berge die Gefahr, den tatsächlichen Handlungsbedarf in der Fertigung zu übersehen“, glaubt er.

"Kurze, fokussierte Einheiten"

Auch die Mitarbeitermotivation könnte dabei zu kurz kommen. „Wir binden die Mannschaft voll ein“, sagt er. Mitunter finden Unternehmen – einmal auf dem richtigen Weg – dann auch selbst die richtige Dosis für Optimierungsmaßnahmen. „Tagesworkshops sind kontraproduktiv“, meint der Geschäftsführer. „Unser Ansatz sind kurze, sehr fokussierte Einheiten, die sich in der Praxis zeitnah umsetzen lassen.“