Autoindustrie : "Alles steht auf dem Prüfstand": Wechsel bei Daimler in schweren Zeiten

Der scheidende Daimler-Chef Dieter Zetsche hat dem deutschen Autobauer zum Abschied noch einmal einen klaren Sparkurs vorgegeben. "Alles steht auf dem Prüfstand: fixe und variable Kosten, Sach- und Personalkosten, Investitionsvorhaben, die Wertschöpfungstiefe und die Produktpalette", sagte Zetsche bei der Hauptversammlung des Konzerns in Berlin.

Die neuen Technologien in den Autos kosteten viel Geld. "Das heißt auch, dass Mobilität in Zukunft teurer wird", erklärte Zetsche. "Unsere Aufgabe als Unternehmen ist, den Anstieg für die Kunden zu begrenzen."

Im gesamten Unternehmen müssten dazu Kosten gesenkt und die Effizienz gesteigert werden, sagte Zetsche, nannte aber erneut keine Details zu dem Sparprogramm, das er schon bei der Bilanzvorlage im Februar angekündigt hatte.

Als Folge von weltweiten Handelskonflikten, Diesel-Rückrufen und Problemen bei der Umstellung auf den neuen Abgasteststandard WLTP hatte Daimler 2018 mehr als ein Viertel seines Gewinns eingebüßt. Und auch der Start ins Jahr 2019 verlief eher schleppend. "Das hatten wir erwartet, aber das macht es nicht besser", räumte Zetsche ein.

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Eine Ära endet

Der 66-Jährige übergibt seinen Posten als Vorstandschef mit dem Ende der Hauptversammlung an seinen Nachfolger Ola Källenius. Der Schwede wird den Konzern, sofern die Aktionäre zustimmen, grundlegend umbauen. Eine neue Struktur mit drei rechtlich eigenständigen Sparten unter dem Dach der Daimler AG soll den Autobauer flexibler machen - eine für Autos und Vans, eine für Trucks und Busse und eine für Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen. Das soll Freiräume schaffen, zum Beispiel für die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen.

Zetsche stand mehr als 13 Jahre an der Spitze des Autobauers. Er löste in seiner Amtszeit die Ehe mit dem US-Autobauer Chrysler auf, die erst euphorisch gefeiert worden war, sich dann aber schnell zur Belastung entwickelt hatte. Nach der Finanzkrise führte er den Konzern aus einer schweren Flaute, er modernisierte die Designsprache der Stammmarke Mercedes-Benz und eroberte damit jüngere Käuferschichten. Nach vielen Jahren hinter dem Erzrivalen BMW konnte Mercedes 2016 die Weltspitze bei Premium-Autos zurückerobern.

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Zetsches Erfolge sind auch unter den Aktionären unbestritten, dennoch musste sich der langjährige Vorstandschef an seinem letzten Tag auch viel Kritik anhören. Ein Vorwurf: Unterm Strich bleibe bei Daimler zu wenig übrig - nicht nur im Moment. Daimler habe ein chronisches Effizienzproblem, das Zetsche nie richtig angepackt habe, kritisierte Janne Werning von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Daimler kämpfe an allen Fronten, und die Renditeziele seien in weite Ferne gerückt, stellte auch Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka Investment fest.

Die Rendite gibt an, wie viel vom Umsatz nach Abzug aller Kosten letztlich als Gewinn übrigbleibt. In der Autosparte peilt Daimler hier eigentlich generell acht bis zehn Prozent an - aber das hält Zetsche erst 2021 wieder für realistisch. (dpa/apa/red)

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Die Ablöse von Dieter Zetsche beginnt offiziell erstabend. Aber wie das aussieht, wenn der scheidende Vorstandschef eines Multi-Milliarden-Weltkonzerns wie Daimler zwischendurch schon mal ein bisschen das Aufhören übt und anderen den Vortritt lässt, hat man schon beobachten können.

Beim Automobilsalon in Genf etwa, im März war das. Da stand nicht etwa Zetsche vorn, um vor Journalisten noch einmal im Detail zu erläutern, wie Daimler sich die Zukunft vorstellt. Da stand Ola Källenius. Und Zetsche, der saß etwas abseits auf einem dieser Höckerchen, auf denen man bei solchen Veranstaltungen heutzutage so sitzt, den Blick gesenkt, die Arme verschränkt, und lauschte über Kopfhörer den Worten des neuen Chefs.

Die Ära Zetsche bei Daimler endet

Nach 13 Jahren und knapp fünf Monaten an der Spitze des deutschen Autobauers endet nach der Hauptversammlung die Ära Zetsche bei Daimler - und der Schwede Källenius, bis jetzt Entwicklungschef und schon lange Kronprinz in Stuttgart-Untertürkheim, ist am Zug.

Viel gesagt hat Zetsche nicht in all den Monaten, seit sein Abschied angekündigt wurde, immerhin aber, dass er mit sich "total im Frieden" sei. Mit dem 66-Jährigen mit dem markanten Schnauzbart, zwischendurch auch mal als "Dr. Z" unterwegs, geht auch das Gesicht von Daimler. Der promovierte Ingenieur ist seit mehr als 40 Jahren im Unternehmen und selbst zur Marke geworden. Er hat den Konzern umgekrempelt, ihm die Krawatten ab- und die Sneakers zur Jeans angewöhnt. "Er hat eine Perle daraus gemacht", sagt der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Daimler ist jetzt hip, der Rentner-Benz passé.

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Die Rekorde sind vorerst passé

Passé sind erst einmal aber auch die Rekorde, die Zetsche noch vor einem Jahr verkünden konnte. Danach zeigte der Handelsstreit zwischen China und den USA Wirkung, dazu kamen Kosten etwa für Dieselrückrufe, Probleme bei der Umstellung auf den neuen Abgastest WLTP und nur noch ein ganz knappes Plus bei den Autoverkäufen. Die Folge: 2018 musste der Konzern einen herben Gewinneinbruch verbuchen. Und weil weiter viel Geld in den Aufbruch ins Elektro-Zeitalter fließt, gleichzeitig aber die Verkaufszahlen bei den aktuellen Modellen nun richtig schwächeln, lief auch der Start ins Jahr 2019 eher mies.

Gesamtbetriebsratschef: Eine Amtszeit mit vielen Höhen und Tiefen

So scheidet Zetsche ohne neue Rekordzahlen aus dem Amt, was aber, so hat er es jedenfalls gesagt, weder für Daimler noch für ihn selbst eine Rolle spiele. Auch Dudenhöffer sieht die Leistung Zetsches dadurch nicht geschmälert. "Alle haben momentan Schwierigkeiten, ihre Renditen zu erreichen", merkt er an. Von einer Amtszeit mit vielen Höhen und Tiefen spricht Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht. Aber: "Insgesamt, glaube ich, haben wir eine sehr gute Entwicklung in den letzten Jahren gehabt."

"Gegenmaßnahmen" hat Zetsche noch angekündigt, aber wie die im Detail aussehen sollen, muss jetzt Källenius sagen. Und er wird ein Kartellverfahren der EU und vor allem den Dieselskandal erben. Auch in Mercedes-Fahrzeugen soll es bei der Abgasreinigung nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Es gibt Ermittlungen, ein Bußgeldverfahren. Zudem müssen hunderttausende Mercedes-Diesel für Software-Updates in die Werkstatt.

Wie seine Agenda aussieht, lässt Källenius bis jetzt offen. So wenig Zetsche bisher über seinen Abschied gesagt hat, so wenig spricht Källenius über seinen Antritt - öffentlich jedenfalls. Anfang der Woche war es zwar wieder er, der Daimlers Nachhaltigkeitsstrategie präsentierte - was sich dann als Abkehr vom reinen Verbrenner-Antrieb bis zum Jahr 2039 entpuppte. Zu sich selbst und zum bevorstehenden Wechsel ganz nach oben aber wie üblich: kein Wort.

Dass der 49-Jährige jetzt alles anders macht, ist aber nicht zu erwarten. "Ola Källenius ist ja nicht neu", sagt Brecht. "Es ist nicht so, als wenn da jetzt jemand vom Himmel fällt und wir nicht wüssten, wie er tickt."

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Der Schwede ist ein Mann der Zahlen - nicht der Motoren

Anders als Zetsche ist der Schwede kein Ingenieur, sondern von seiner Ausbildung her eher ein Mann der Zahlen. Was die Strategie angeht, heißt es, lägen die Ansichten der beiden aber dicht beieinander. "Er ist keiner, der mit Benzin im Blut auf die Welt gekommen ist. Aber da hat er sich über seine vielen Funktionen richtig gut reingearbeitet", lobt der Betriebsratschef. Zetsche selbst hat seinen jetzigen Nachfolger schon vor Jahren einen "echten Car Guy" genannt.

Källenius wird eigene Akzente setzen wollen und müssen, die groben Linien inklusive eines kompletten Umbaus des Konzerns sind aber klar. Alles Wichtige der vergangenen Monate hat er ohnehin mitentschieden. Er ist derjenige, der all die jüngst vereinbarten Kooperationen etwa mit dem chinesischen Großinvestor Geely beim Kleinwagen Smart oder mit dem Konkurrenten BMW bei der Entwicklung des autonomen Fahrens jetzt mit Leben füllen muss.

Dieter Zetsche wird das alles aus der Ferne verfolgen - müssen. Für ihn beginnt die sogenannte Abkühlungsphase. Erst wenn die in zwei Jahren abgelaufen ist, kann er sich in den Aufsichtsrat von Daimler wählen lassen. Geplant ist, dass er 2021 dort den Vorsitz übernimmt - und dann Ola Källenius auf die Finger schaut.

(von Nico Esch, dpa/APA/red)

Zuhören, überzeugen, nie die Ruhe verlieren - so tritt der künftige Daimler-Chef Ola Källenius auf. Mit dem Ende der Hauptversammlung übernimmt der Schwede vom langjährigen Vorstandschef Dieter Zetsche die Führung des zweitgrößten deutschen Autokonzerns nach Volkswagen.

Die Entscheidung für den 49-Jährigen, ein Daimler-Eigengewächs, fiel schon im vergangenen Jahr. Dabei gab es weder Drama noch Staunen, denn der Manager hatte sich in geordneten Bahnen bei Mercedes-Benz bis in den engsten Kandidatenkreis vorgearbeitet. Die Wende zur Elektromobilität müsse Daimler beschleunigen, schrieb Källenius sich kürzlich selbst ins Aufgabenheft. "Wir wollen nicht zugucken, wie diese passiert, sondern wir wollen einer der Architekten dieser Wende sein", sagte er zur Präsentation höherer CO2-Reduktionsziele des Konzerns.

Zum ersten Mal kein Deutscher, zum ersten Mal kein Ingenieur

Dass erstmals kein Deutscher und auch kein studierter Ingenieur auf dem Chefsessel von Daimler Platz nimmt, sei in dem Konzern gar kein Thema, sagt ein Insider. In Stuttgart kennen sie Källenius schon lange: Nach Betriebswirtschaftsstudium und Managementschule in Schweden und in der Schweiz angelte Källenius sich seinen ersten Job in der Nachwuchsgruppe der Daimler-Benz AG 1993. Seither lebte der Wahlschwabe, mit einer Deutschen verheiratet und Vater von drei Söhnen, die meiste Zeit in Deutschland. Deutsch spricht er so fließend wie Englisch. Internationale Erfahrung sammelte er als Controller und später Leiter von Mercedes-Benz USA. Dass Källenius anders als Zetsche kein Ingenieur ist, gilt nicht als Mangel. "Er ist ein BWLer mit großem Technikverständnis", sagt einer seiner engen Mitarbeiter. Er sei ein "echter Car Guy", bescheinigte ihm einst Zetsche.

Auch als Chef von Mercedes AMG, der Tochter für hochmotorisierte Luxuswagen, eignete sich Källenius viel technische Expertise an. In den Daimler-Konzernvorstand stieg er 2015 zunächst als Pkw-Vertriebschef auf. Vor gut zwei Jahren übernahm er dann die Verantwortung für Forschung und Entwicklung, was damals viele als Bewährungszeit für den obersten Chefposten betrachteten. Im obersten Management sei Källenius bisher noch nicht in der Situation gewesen, unangenehme Entscheidungen treffen zu müssen, sagt ein Konzernkenner. Die Straffung des Vertriebs war schon beschlossene Sache, als er das Ressort 2015 übernahm. In der Entwicklung sorgte er dafür, dass es einige Monate weniger dauert, bis ein neues Modell auf die Straße kommt. Wenn er etwas durchsetzen will, setzt der stets freundlich und locker wirkende Schwede auf Überzeugung und Dialog statt auf Zwang. Er lässt sich von vielen mit dem Vornamen ansprechen, Krawall ist seine Sache nicht. Das wissen auch die Arbeitnehmervertreter zu schätzen. "Er agiert besonnen, und er hört uns zu", lobt etwa der Betriebsratschef des größten Komponentenwerks Untertürkheim, Michael Häberle.

"Källenius muss in sein Amt noch hineinwachsen"

Auch Autoexperten sehen dem Chefwechsel wohlwollend entgegen. Källenius sei bodenständig und sympathisch, sagt etwa Christian Ludwig, Analyst vom Bankhaus Lampe. Jetzt bleibe abzuwarten, wie er sich schlägt. "Källenius muss noch hineinwachsen – es ist schließlich ein großer Konzern mit Betriebsräten, die auch mitzureden haben", sagt Stefan Bauknecht, Automobilanalyst der Deutsche-Bank-Tochter DWS. Källenius könne nach seinem Eindruck gut zuhören, sich eine Meinung bilden und dann durchgreifen. Dass Källenius kein Deutscher ist, sieht Bauknecht als Gewinn. "Es ist wichtig, von einem rein deutschen Führungsstil wegzukommen – Daimler ist ein globaler Konzern, dem steht ein global geprägter Manager gut an."

Der neue Konzernlenker hat zwei Jahre Zeit, seine Pflöcke einzuschlagen. Denn 2021 soll Zetsche nach zwei Jahren Abkühlphase als Aufsichtsratsvorsitzender zu Daimler zurückkommen. Die erste Bewährungsprobe steht schon bevor: Denn Källenius muss den traditionellen Auto- und Lastwagenbauer ins Zeitalter von Elektroantrieb und Mobilitätsdienste führen, ohne dass Gewinn und Beschäftigung darunter stark leiden. Und das, während sich die wichtigen Absatzmärkte gerade abkühlen. Ein Sparprogramm ist unausweichlich - unangenehme Entscheidungen könnten bevorstehen.

Die Rendite gibt an, wie viel vom Umsatz nach Abzug aller Kosten letztlich als Gewinn übrigbleibt. In der Autosparte peilt Daimler hier eigentlich generell acht bis zehn Prozent an - aber das hält Zetsche erst 2021 wieder für realistisch.

(von Ilona Wissenbach, Reuters/APA/red)