Co-Engineering : Aktives Co-Engineering beim Stanzen und Feinschneiden legt Potenziale frei

Beim Stanzen und beim Feinschneiden entstehen im Komplett-Schnitt oder mittels Folgeverbund-Technologie Stanz- und Feinschneideteile, deren Werkzeuge zumeist viele unterschiedliche Arbeitsschritte beinhalten und die höchst präzise aufeinander abgestimmt sind. Ehe es aber zum Bau der jeweiligen Werkzeuge kommen kann, sind seitens der Etampa AG, einem Stanzspezialisten aus der Schweiz, mindestens ebenso präzise Überlegungen und Abwägungen erforderlich. Würde man hier nicht größtmögliche Sorgfalt walten lassen, könnten die Folgen verheerend sein - im schlimmsten Fall sogar lebensbedrohlich, werden die fertigen Teile doch unter anderem in Bremssysteme oder medizinische Geräte eingebaut. Besonders gefragt sind daher die Konzeption und die Konstruktion, aber auch das Qualitätsmanagement ist angesprochen, denn mindestens ebenso viele Überlegungen gelten den Werkstoffen, aus denen die zu fertigenden Teile hergestellt werden sollen. Wie sieht es mit deren magnetischen Eigenschaften aus? Kann mit dem gewünschten Werkstoff der erforderliche Umformungsgrad erreicht werden? Erfüllt er in Verbindung mit den Nachbearbeitungsschritten die Korrosionsschutz-Anforderungen?

Aktives Co-Engineering

Am Anfang eines Neuprojektes steht immer eine Zeichnung, die den Hersteller in einem unterschiedlich frühen oder späten Produkt- oder Teile-Planungsstadium erreicht. Sie ist Grundlage des zu fertigenden Teils und muss gründlich auf Herz und Nieren geprüft werden. Viele Kunden legen dabei großen Wert auf das aktive Co-Engineering und die große Erfahrung der Präzisions-Fertiger. Und je früher diese in den Planungs- und Gestaltungsprozess mit einbezogen werden, desto besser. Josef Lorenz, Leiter Qualitätsmanagement des Unternehmens: „Die Kundenzeichnungen sind immer mit Werkstoff-Angaben versehen. Diese resultieren aus diversen Tests, die die Kunden im Vorfeld in ihren Prüflaboren durchgeführt haben, um die mechanischen und chemischen Eigenschaften der Materialien zu prüfen; das sind beispielsweise Ermüdungs-, Haltbarkeits- oder Belastungstests.“ Dazu Etampa-CEO Hans Rudolf Haefeli: „Die kundenseitig nach Norm festgelegten Werkstoffe dürfen wir niemals eigenmächtig ändern, da Auswahl und Festlegung der Werkzeuge oftmals sehr lange dauern. Genau aus diesem Grund schätzen unsere Kunden unsere Expertise und technischen Input schon zu einem frühen Zeitpunkt, weil wir natürlich auch in Sachen Material und Werkstoff beraten können und weil Produktionen dadurch optimaler und auch schneller realisierbar sind. Voraussetzung dafür ist, dass wir die Anforderungen und Funktionsweise der zu fertigenden Teile genauestens verstehen, erst dann können wir an die Teileplanung gehen und entsprechende Funktionstoleranzen und Prüfvorschriften festlegen.“

Werkstoffkompetenz ist immer auch Normenkompetenz

Lorenz: „Es ist extrem wichtig, nicht nur das Stanzdesign, sondern im Zusammenhang damit auch die Werkstoffauswahl zu hinterfragen: Warum wird nicht Stahl oder rostfreier Stahl, sondern Edelstahl verwendet? Warum muss der Werkstoff die vorgegebene Härte haben?“ Ihre metallurgische Kompetenz stellen die Schweizer unter anderem auch bei Kundenbesuchen vor Ort unter Beweis. Lorenz weiter: „Bei einem Kunden gab es Unstimmigkeiten wegen der angegebenen Härte des Stahls. Auf seiner Zeichnung war die Härte mit 110 HV Härte Vickers angegeben, aber wir arbeiten stets mit einer Härte von 123 HV. Wir haben den Kunden darauf hingewiesen, dass die Härte unbedingt erhöht werden müsse. Die Zugfestigkeit und Härte des Rohmaterials, die auf das Coil wirken, aus dem die Teile ausgestanzt werden, sind einfach zu groß, und bei der mechanischen Bearbeitung, also beim Stanzen und Biegen, steigt die Härte nochmals an.“ Der Kunde habe daraufhin die Härtegrade angepasst und sowohl die internen Normen als auch die Zeichnung geändert. Lorenz: „Werkstoffkompetenz bedeutet immer auch Normenkompetenz“.

Zu enge Toleranzfelder sind richtig teuer

Nicht nur der Werkstoff, auch ein gemeinsam erarbeitetes, stanzoptimiertes Design habe einen nachhaltigen Einfluss auf Werkzeugkonzeption, Nachschleifzyklen und Lebensdauer der Werkzeuge. Und natürlich seien die Auswirkungen auch auf die Produktion an sich nicht zu unterschätzen. Haefeli: „Wir sagen unseren Kunden, wenn sich durch geringfügige Veränderungen an der ursprünglichen Teileplanung die Produktivität erhöhen würde. Und wir weisen selbstverständlich darauf hin, wenn wir das zu fertigende Teil durch veränderte Toleranzen günstiger produzieren könnten“. Immer wieder würden sie feststellen, dass Kunden die Toleranzen an den zu fertigenden Teilen viel zu ungenau wählen und das, so Haefeli, koste richtig viel Geld: „Allein schon durch das maßvolle Anpassen der Toleranzen haben wir unseren Kunden immer wieder richtig viel Bares einsparen können“.

Materialauswahl als Schlüssel zum Erfolg Auch Marco Costa, Konstrukteur aus Leidenschaft und seit 20 Jahren Konstruktionsleiter bei Etampa, kennt dieses Thema nur zu gut: „Qualitätsoptimierungen lassen sich keinesfalls nur dadurch erzielen, dass man mehrspurig fertigt, den Streifen optimal ausnutzt und allein schon dadurch die Nutzung der Rohstoffe optimiert. Zur Qualitätsplanung gehört mehr, viele Kunden unterschätzen die Wechselwirkung von Materialwahl und Stanz- oder Feinschneideprozess.“ Kürzlich habe ihm ein Kunde ein Sperrventil gebracht, das ursprünglich einmal gedreht wurde und das nun gestanzt werden sollte. Man habe einen Prototypen erstellt – und dann nochmals das gleiche Teil mittels Feinschneiden produziert. Das Ergebnis: Die Oberfläche war härter, glatter, die Wiederholbarkeit extrem höher. Insgesamt bedeutete diese Produktionsart weniger Aufwand, aber die Funktionalität war deutlich besser als beim Drehteil. So macht Planung richtig Spass!

Machbarkeitsanalyse: Genau ein Versuch

Ist die Konstruktionszeichnung angefertigt und die Materialfrage geklärt, ist der nächste wichtige und vor allem unabdingbare Schritt die Machbarkeitsanalyse. Denn eines, das unterstreicht Haefeli nachhaltig, stehe fest und verdeutliche die grosse Verantwortung, die man mit Feststellung der Machbarkeit eines Produktionsteils ausspreche: „Wir haben genau einen Versuch. Wenn wir einmal gesagt haben, dass wir uns zur Machbarkeit verpflichten, dann können wir diese Aussage später nicht mehr widerrufen - schon gar nicht mit dem Hinweis auf eine zuvor unfertige oder unzureichende Zeichnung. Nicht zuletzt deshalb ist Präzision in unserem Hause oberstes Gebot, im Denken und im Handeln“!

Ute Zimmermann ist freie Fachautorin in Wiesbaden.