Österreich : AIT: Energieversorgung der Industrie nur mit Erneuerbaren ist möglich

Abgase einer Fabrik: Die Industrie macht einen großen Teil der CO2-Emissionen aus.
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Die heimische Industrie könnte ihren gesamten Endenergieverbrauch mit erneuerbaren Energien abdecken, wobei nur zur Hälfte an Strom zu denken ist. Die heimischen Potenziale an "Erneuerbaren" reichen dafür, so eine neue Studie des AIT Austrian Institute of Technology im Auftrag des Klima- und Energiefonds. Für Verkehr und Privathaushalte würde das aber nicht mehr reichen, man müsste importieren.

Laut allen Szenarien könnte der Industrie-Endverbrauch mit den im Inland bestehenden Erneuerbaren-Potenzialen - insgesamt 231 Terawattstunden (TWh), davon gut die Hälfte elektrische und zu knapp der Hälfte thermische Energie - bilanziell gedeckt werden. Um auch die übrigen Sektoren wie Verkehr, öffentliche und private Dienstleistungen, private Haushalte und Landwirtschaft zu versorgen, müsste aber (weiterhin) Energie eingeführt werden, in Summe bis zu 97 TWh oder 31 Prozent des Endenergiebedarfs, so die Studie.

Ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs geht aktuell an die Industrie

Aktuell braucht die heimische Industrie rund 30 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs, nämlich 94 TWh. Die Szenarien zeigen eine Bandbreite von 82 bis 108 TWh an industriellem Endenergieverbrauch auf. Umgekehrt heißt das, dass je nach Szenario über den Industrie-Bedarf hinaus noch Überschüsse zwischen 123 und 149 TWh bestünden. Das Erneuerbaren-Gesamtpotenzial von 231 TWh versteht sich inklusive Fernwärme und brennbaren Abfällen sowie bestehender elektrischer Energie aus Geothermie und Müll.

Eine Schlüsselrolle spielen wird den Experten zufolge die Elektrifizierung auf Basis erneuerbaren Stroms, nämlich durch schrittweise Substitution vornehmlich fossiler Energieträger. Die Szenarien weisen eine Brandbreite des jährlichen Strombedarfs zwischen 32 TWh ("Effizienz") und 66 TWh ("Umbruch") auf. Damit würde gemäß dem Umbruch-Szenario die Stromnachfrage der Industrie um mehr als das Doppelte gegenüber dem Status Quo (30 TWh) steigen. Im Basis-Szenario (Strom-Annahme 39 TWh) und im Effizienz-Szenario haben auch biogene Brenn- und Treibstoffe eine wichtige Rolle mit doppelt so viel Anteil wie im Status-quo.

Für elektrische Energie ergibt sich den Autoren zufolge je nach Szenario eine Unterdeckung zwischen 1,9 TWh ("Effizienz") und 7,1 TWh ("Umbruch") für Gesamtösterreich - nämliche welchen Zeitpunkt man wählt. "Dieser Bedarf kann also nicht direkt mit den vorhandenen Erneuerbaren-Potenzialen abgedeckt werden", heißt es zu den Stunden-Auswertungen. Und: Die Unterdeckung steigt in einem höheren Ausmaß an als der Bedarfszuwachs, zeigt ein Verbrauch des Umbruch-mit dem Effizienz-Szenarios.

Außerdem erhöhe sich im Umbruch-Szenario die berechnete Höchstlast der Industrie mit 14,6 Gigawatt (GW) um mehr als das Doppelte gegenüber dem Status quo (6,3 GW). Im Vergleich dazu lag im Jänner 2017 die Höchstlast im öffentlichen Stromnetz in Österreich bei 10,6 GW. "Das heißt im Umbruch-Szenario ist die berechnete Höchstlast der Industrie um 38 Prozent höher als die derzeitige Gesamt-Höchstlast im öffentlichen Stromnetz", wird betont.

Szenario mit stärksten Änderungen für Oberösterreich und Steiermark

Die stärksten Strombedarfsänderungen ergeben sich im Umbruch-Szenario für die Bundesländer Oberösterreich und Steiermark - bedingt durch die Umstellung des Hochofenprozesses auf Direktreduktion mit Wasserstoff in der Eisen- und Stahlerzeugung. In OÖ steigt demnach der Strombedarf deutlich von 9,1 TWh (Status Quo) auf 37,2 TWh (Umbruch) - und die ermittelte Höchstlast steigt auf das Vierfache, nämlich von 1.934 auf 7.697 Megawatt (MW). Allein in OÖ, speziell im Raum Linz, würde somit die auftretende Höchstlast an elektrischer Energie etwas mehr als die Hälfte der für ganz Österreich errechneten industriellen Höchstlast betragen.

Studie lässt viele Fragen offen

Dass allerdings die Wasserstofftechnologie noch Jahrzehnte vom großindustriellen Einsatz entfernt ist, sagt die Studie offenbar nicht. Auch werden in dem Papier viele kleinere Einzelmaßnahmen genannt - doch es bleibt völlig unklar, wie der Umstieg auf Erneuerbare in diesem Maßstab zu bewältigen wäre.

Die präsentierte Studie zeigt, dass bei Ausschöpfung aller verfügbaren Potenziale für Erneuerbare - und unter der Annahme einer vollständigen Dekarbonisierung des Industriesektors - eine Deckungslücke von bis zu 97 TWh im Endenergiebedarf entsteht, die durch Importe gedeckt werden muss. Daher sei es "unumgänglich, die vorhandenen Potenziale für erneuerbare Energien großflächig und unverzögert auszubauen". Um die Versorgungssicherheit im Sinne eines gesamtwirtschaftlichen Optimums zu gewährleisten, seien Erhaltung und Ausbau von europaweit vernetzten Energieinfrastrukturen notwendig. Es sei daher essenziell, die Übertragungsinfrastrukturen gemäß den europäischen Netzentwicklungsplänen auszubauen. Zudem müsse wegen des steigenden Bedarfs an energetischer Flexibilität in Speicher, Power-to-Gas, regelbare Kraftwerke usw. investiert werden. (apa/red)