Sozialpartner : Ära Leitl zu Ende: Mahrer neuer Präsident der WKÖ

Nach 18 Jahren ist am Freitag die Ära Christoph Leitl in der Wirtschaftskammer (WKÖ) zu Ende gegangen. Harald Mahrer hat den Präsidentensessel von ihm im Rahmen einer Sitzung des Wirtschaftsparlaments übernommen. Mahrer will das große Ganze, also ganz Österreich, im Auge haben und mit starker Stimme für die Unternehmen sprechen, wie er sagt. Den anderen Sozialpartnern streckt er die Hand aus.

"Ein Kapitel geht zu Ende", sagte Leitl in seinen letzten offiziellen Worten als WKÖ-Präsident im Beisein von Bundespräsident Alexander van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und einem etwas verspäteten Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ), dessen Kommen Leitl eigens "Respekt, dass du kommst" abrang.

Seinem Nachfolger Mahrer, der den passenden Teamspirit für die Aufgabe mitbringe, wünschte Leitl viel Glück. "Du hast hier ein Haus, dass in den entscheidenden Momenten bei Aus- und Weiterbildung Hervorragendes leistet. Du hast ein Netzwerk in die ganze Welt."

Leitl: Die Wirtschaftskammer steht gut da

Die Wirtschaftskammer stehe gut da, betonte Leitl. Zur Sozialpartnerschaft sagte Leitl, dass es ein Stück österreichische Identität sei, durch ein Miteinander die Dinge besser zu machen. Auch bei ihnen bedankte sich Leitl. "Sie haben nicht alles 'deppat' gemacht." So könne man mehr bewegen, auch mehr bewegen als mit guten Einzelstücken. Zur Lage zwischen Europa und den USA zeigte sich der nunmehrige Ex-WKÖ-Präsident alarmiert: "Wir sind keine Hampelmänner und wir dürfen uns schon gar nicht erpressen lassen." Es brauche eine Partnerschaft auf Augenhöhe.

Leitl hob auch die organisatorischen Änderungen in der Kammer in seiner Ära hervor. Trotz der Änderungen sei der Geist der Kammer erhalten geblieben. "Und der Geist ist einer der dem Lande und seine Menschen dient. Es ist ein Dienst an einem Netzwerk, wenn es dem Netzwerk gut geht, geht es den Betrieben gut. Geht's der Wirtschaft gut, geht's den Menschen gut, geht's den Menschen gut, geht's der Wirtschaft gut."

Den Delegierten und den Mitgliedern des WKÖ-Präsidiums sprach er einen herzlichen Dank aus. Auch seiner Mama dankte Leitl ganz besonders. Sie sei mit 92 Jahren immer noch ein neugieriger Mensch. Die Bestellung Mahrers erfolgte auf Basis einer Nachwahl. Dafür reicht der Vorschlag der stimmenstärksten WKÖ-Fraktion. Das ist der ÖVP-Wirtschaftsbund, dessen Präsident Mahrer ebenso ist - auch als Nachfolger von Leitl, der noch Chef der europäischen Wirtschaftskammern Eurochambres bleibt. Am Ende seiner Rede wünschte Leitl der gesamten Kammer ein "Glück auf" und erhielt stehenden Applaus. Begonnen wurde die Sitzung mit der Bundeshymne, beendet mit der Europahymne.

Mahrer fordert "dringend" eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten

Wirtschaftskammerpräsident als Lebensaufgabe für Mahrer, der stets betont, aus der Wirtschaft zu kommen? "Für jemanden, der mit Leib und Seele Unternehmer ist, für den ist das eine ganz besondere Aufgabe, die österreichische Wirtschaft repräsentieren und in ihrem Namen sprechen zu dürfen. Es nicht eine Lebensaufgabe, aber eine einzigartige Aufgabe, die ich mit sehr viel Demut und großem Verantwortungsbewusstsein übernehme", sagt Mahrer im Interview mit der APA. Er könne auf einem soliden Fundament gestalterisch tätig werden. Er will neue innovative Gedanken einbringen und den "Freiheitsgedanken forcieren".

Was die Sozialpartner bisher nicht lösten, ist die Frage einer Arbeitszeitflexibilisierung, die die Arbeitgeberseite intensiv fordert. Eine Lösung sei "sehr dringend", sagte Mahrer. Er hält es für eine urbane Legende ("urban legend"), dass die Arbeitnehmer keine Flexibilisierung wollten. Den Arbeitnehmervertretern von Arbeiterkammer und ÖGB warf er in diesem Zusammenhang eine "Gräuelpropaganda" vor. Die Digitalisierung miteinbezogen, sagte Mahrer: "Die Debatte über eine neue Arbeitswelt ist keine österreichische. Die Arbeitswelt verändert sich und die Veränderungen sind gekommen, um zu bleiben." Mit seinen Sozialpartnern wolle er durchbesprechen, was man machen könne: "Wir reden von zeitgemäßen Arbeitsbedingungen. Alle Zusatzarbeit soll bezahlt werden. Es geht um die Ausnahme und nicht den Regelfall." Ein Weg wären mehr betriebliche Lösungen.

Verschiebung der Marktmacht weg von Europa

Als größte Herausforderung sieht Mahrer die Verschiebung der internationalen Marktmacht - von Europa und den USA Richtung Asien. "Es ist nicht nur China, es ist der gesamte Raum von Indien über China nach Südostasien." Die rasante Weiterentwicklung dort sei ein Faktum, mit dem sich die heimische Wirtschaft auseinandersetzen müsse. Gepaart mit der Digitalisierung müsse man die Chancen sehen. Mahrer lenkt den Blick gern weg von Ängsten. Die großen Themen beträfen alle.

"Wir haben extreme Chancen, weil wir bedingungslos qualitätsorientiert sind." Innerhalb der nächsten fünf Jahre würde sich der kaufkräftige Mittelstand in China verdoppeln und damit die Größe Europas erreichen. "Wir müssen als Pfadfinder und Wegbegleiter dorthin gehen, wo die größten Geschäftschancen sind. Diese Aufgabe werden wir weiter intensivieren. Wir müssen so etwas wie die wirtschaftspolitischen Trüffelschweine auf den Weltmärkten sein." Es könnte zu Verschiebungen bei der Außenwirtschaftsarbeit mit mehr Fokus auf die asiatischen Märkte kommen, kündigte Mahrer gegenüber der Austria Presse Agentur an.

Eine "solidarische Fondslösung" auf europäischer Ebene denkt Mahrer bezogen auf US-Sanktionen an. Ein Fonds könnte betroffene Firmen unterstützen. "Jetzt ist ein klares, lautstarkes Auftreten der EU nötig. Es geht um die Zukunft Europas. Die EU darf sich nicht erpressen lassen."

Die wichtigsten Reformvorhaben, die die Regierung umsetzen müsse, sei ein Abschaffen von "Sinnlosregelungen". "Der Vorschriftendschungel ist zu lichten. Ich hoffe auf schnelle erste Ergebnisse. Wir unterstützen bei dem Mammutprojekt." Die Steuer- und Abgabenquote müsse runter, sowohl für Betriebe als auch für die Mitarbeiter. Einkommenssteuer und Unternehmenssteuer müssten runter.

Mahrer verteidigt - wenig überraschend - die Pflichtmitgliedschaft in der WK

Die Selbstverwaltung der Kammern und die Pflichtmitgliedschaft verteidigte Mahrer einmal mehr. Die Selbstverwaltung sei ein zutiefst liberaler Gedanke, "staatliche Abhängigkeit ist schlecht". Der Staat sollte im Sozialbereich stark sein, sich sonst aber mehr zurückhalten, "Hilfe zur Selbsthilfe tätigen".

Von der Regierung geforderte Kammerreformen und Einsparungen sieht Mahrer für sein Haus "entspannt". Dabei verweist er auf ein schon fixiertes 100-Millionen-Euro-Sparprogramm, das ab 2019 greift. Sein "vorbildhafter Vorgänger Christoph Leitl" sei schon ein Garant für Effizienz gewesen. In den kommenden Monaten und Jahren werde man weitere Schritte überlegen und umsetzen.

Das geplante Fünfträger-System bei der Sozialversicherung, das im Regierungsprogramm steht, begrüßt Mahrer. Es handle sich ursprünglich um ein Modell der Wirtschaftskammer. Es gehe um Effizienzsteigerungen.

Was werden die Unterschiede seiner früheren Position als früherer Minister im Wirtschaftsressort und Wissenschaftsressort und seine heutige Position als Chef der Wirtschaftskammer sein? Dazu meint Mahrer, er verstehe sich nach wie vor als "Innovator". Das Innovationspotenzial Österreichs biete die größte Zukunftschance im internationalen Wettbewerb. (apa, red)