Abgasskandal : Harte Kritik an VW - und seinen willigen Auftragsforschern

Volkswagen hat nach Bekanntwerden des umstrittenen Diesel-Abgastests mit Affen angekündigt, auf Tierversuche zu verzichten. "Wir wollen Tierversuche für die Zukunft absolut ausschließen. Damit so etwas nicht noch einmal passiert", sagte der VW-Generalbevollmächtigte Thomas Steg der "Bild"-Zeitung.

Nachtrag: Inzwischen wurde Steg von VW in Zwangsurlaub geschickt. Mehr dazu: Zwangsurlaub für Generalbevollmächtigten bei VW >>

VW will jetzt wissen, wie es den Affen nach dem Test geht

VW lasse prüfen, was nach den Versuchen mit den Affen geschehen sei, in welchem Zustand sie übergeben wurden und wie es ihnen heute gehe. Zuvor hatte auch VW-Konzernchef Matthias Müller die Versuche als inakzeptabel bezeichnet.

Massive Kritik auch an der Wissenschaft im Dienste der Industrie

Die Autoindustrie hatte Wissenschafter eingespannt, um mit der von BMW, Daimler und VW betriebenen Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) Gesundheitsgefahren von Dieselabgasen zu verharmlosen.

Nachdem 2015 aufgeflogen war, dass VW bei Dieselfahrzeugen Messergebnisse manipuliert hatte, erklärten drei der sieben Mitglieder des Forschungsbeirates nach Informationen von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR ihren Rücktritt.

Reaktionen zum Fall:

Versuche an Studenten waren ethisch sauber - aber sinnlos >>

Internationale Presse: Autoindustrie missbraucht Forschung >>

Bereits am Wochenende hatte der VW-Konzern auf Medienberichte reagiert, wonach 2014 bei einem Experiment in den USA zehn Affen Dieselabgase eines VW einatmen mussten und sich "klar von allen Formen der Tierquälerei" distanziert.

Veranlasst worden war die Studie, die in breiten Teilen der Öffentlichkeit einen Sturm der Entrüstung auslöste, von EUGT. Die Vereinigung war 2007 von Unternehmen der deutschen Automobilindustrie gegründet worden und wurde Mitte 2017 aufgelöst.

Überblick:

Medien: Abgastests mit Affen - und mit Menschen >>

Die EU-Kommission hofft auf umgehende Antworten aus Deutschland über die Abgasversuche an Affen und Menschen. Die Kommission kenne die entsprechenden Medienberichte dazu, erklärte eine Sprecherin am späten Montagabend. Man hoffe, dass "der Minister des betreffenden Landes" in der Lage sein werde, bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen am Dienstag im Brüssel zu erklären, was dort passiert sei.

Machbarkeitswahn einer Technokratenkaste

Die Kritik aus der Politik an den Tests riss nicht ab. Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag): "Was da berichtet wird, ist einfach schockierend. Wer solche Tests in Auftrag gibt, scheint jeglichen Maßstab verloren zu haben." Menschen und Tiere für die eigenen Zwecke zu missbrauchen sei "einfach entsetzlich".

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel forderte, die Nähe der Wirtschaft zu wissenschaftlichen Einrichtungen stärker in den Blick zu nehmen. "Wir brauchen eine breite Debatte über den zunehmenden Einfluss wirtschaftlicher Interessen auf Forschung und Lehre an Hochschulen", sagte Barthel im "Handelsblatt".

Verkehrsminister: "Distanzierung der Industrie unglaubwürdig"

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hält die Distanzierungen der Autoindustrie für unglaubwürdig. "Es ist ja schön, dass sich heute alle davon distanzieren, weil die öffentliche Meinung das inzwischen von ihnen verlangt", sagte er im rbb-Inforadio.

"Vor allem die Aufsichtsräte müssen jetzt mal aufklären, wie die Verantwortungs- und Entscheidungsstrukturen in ihren Unternehmen jeweils laufen. Denn es kann doch nicht wahr sein, dass keiner von ihnen etwas gewusst hat und immer ist es irgendwie passiert."

Die umstrittenen Tests sollen auch Thema im Deutschen Bundestag werden. Die Grünen beantragten für diese Woche eine Aktuelle Stunde im Parlament. Die Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann warf den Autobauern vor, mit angeblich wissenschaftlichen Tierexperimenten und Tests an Menschen die Gefahr von Stickoxiden zu verharmlosen.

(APA/dpa/Reuters/AFP/red)