Abgasaffäre : Abgasskandal: Diesel-Kläger gehen vor Höchstgericht leer aus

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© Oliver Killig / Volkswagen AG

Die Zivilrichter am Höchstgericht in Karlsruhe entschieden am Donnerstag, dass Leasing-Kunden mit einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Auto in der Regel kein Geld aus den Raten zurückbekommen (Az. VII ZR 192/20). Außerdem wurden mehrere Schadensersatz-Klagen gegen Daimler wegen des sogenannten Thermofensters in Mercedes-Dieseln abgewiesen (Az. VII ZR 190/20 u.a.).

Beim Leasen kauft der Kunde das Auto nicht, sondern zahlt über einen vereinbarten Zeitraum monatliche Raten für die Nutzung, wie eine Miete. Hier sehen die Richter einen wichtigen Unterschied zum Kauf: Während ein gekauftes Autounter Umständen gefahren werde, bis es schrottreif ist, habe die Fahrzeugnutzung beim Leasing "einen eigenen, grundsätzlich zeitraumbezogenen Wert".

Für den Senat gilt deshalb der Grundsatz: Wer seinen Diesel über den gesamten Leasing-Zeitraum "ohne wesentliche Einschränkung" nutzen konnte, hat keinen Anspruch auf Schadensersatz. Der Kunde habe einen Vorteil gehabt und dafür Raten gezahlt, beides wiege sich auf.

Eine Ausnahme wäre dem Urteil zufolge höchstens dann denkbar, wenn im Voraus fest vereinbart wurde, dass der Kunde oder die Kundin das Auto nach der Leasing-Zeit übernimmt. Das war hier aber nicht der Fall.

Volkswagen begrüßte das Urteil

Volkswagen begrüßte das Urteil, der BGH habe die vorherrschende Auffassung der obergerichtlichen Rechtsprechung bestätigt. Die Entscheidung betreffe eine vierstellige Anzahl an Fahrzeugen.

Der Kläger, ein Mann aus dem Ostalbkreis in Baden-Württemberg, hatte seinen Audi mit dem Skandalmotor EA189 vier Jahre lang geleast und dann gekauft. Außer den Leasing-Raten wollte er den Kaufpreis zurück.

Das wäre nach der Karlsruher Rechtsprechung zum VW-Abgasskandal eigentlich auch möglich. Betroffene können ihr Auto zurückgeben, bekommen allerdings nicht den vollen Kaufpreis wieder. Abgezogen wird eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer.

Das Problem hier: Der Mann hatte nicht die Konzernmutter VW, sondern die Tochter Audi verklagt. Und der Motor EA189 mit der illegalen Abgastechnik wurde zwar auch bei Audi eingesetzt, aber bei VW entwickelt. Für eine Verstrickung von Audi-Verantwortlichen in die Kundentäuschung fehlen dem BGH bisher hinreichende Anhaltspunkte. Der Kläger bekommt aber noch einmal die Möglichkeit, dazu am Stuttgarter Oberlandesgericht (OLG) Konkreteres vorzutragen.

Volkswagen hatte in Millionen Diesel-Autos heimlich eine Betrugssoftware eingesetzt, die in Behördentests verschleierte, dass eigentlich zu viele Schadstoffe ausgestoßen wurden. Seit Donnerstag müssen sich deshalb vier frühere Manager und Ingenieure in einem Strafprozess vor dem Landgericht Braunschweig verantworten.

Abgesehen davon bekommen Käufer von Mercedes-Fahrzeugen keinen Schadensersatz, obwohl in ihren Fahrzeugen ein Thermofenster programmiert war, die Reinigung der Abgase von Stickoxiden also nur in einem begrenzten Temperaturbereich erfolgte. Tausende Klägerinnen und Kläger werfen dem Stuttgarter Autobauer Daimler vor, dass diese Maßnahme ebenfalls eine illegale Abschalteinrichtung darstelle.

Die Technik, die auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzt wurde, kommt bei der Abgasreinigung ins Spiel. Damit die Fahrzeuge weniger giftige Stickoxide ausstoßen, wird ein Teil der Abgase direkt im Motor verbrannt. Herrschen draußen kühlere Temperaturen, wird dieser Mechanismus automatisch gedrosselt. Die Hersteller sagen, das sei notwendig, um den Motor zu schützen.

Der BGH hatte sich schon mehrfach mit dem Thermofenster befasst und meint, dass der Vergleich mit VW hinkt. Die Betrugssoftware von VW schaltete auf dem Prüfstand in einen anderen Modus. Das Thermofenster dagegen arbeitet immer gleich - ob auf der Straße oder im Test.

Diesmal war ein anderer Senat am Zug, aber er bekräftigte frühere Entscheidungen, wonach Daimler nur wegen Verwendung der Technik nicht gleich Betrugsabsichten unterstellt werden können. Dafür müsste den Verantwortlichen nachzuweisen sein, dass sie die Behörden bewusst hinters Licht führen wollten. Konkrete Anhaltspunkte dafür wurden bisher nicht vorgebracht, auch nicht von den vier Autokäufern, deren Klagen jetzt abgewiesen wurden. Sie hatten in der Vorinstanz am OLG Koblenz behauptet, Daimler habe den Mechanismus exakt auf die Prüfbedingungen abgestimmt, um die Grenzwerte einhalten zu können. Dafür sahen die BGH-Richterinnen und -Richter aber keine Belege.

Daimler begrüßte die Entscheidung. Sie habe "Leitcharakter für Tausende von Gerichtsverfahren in Deutschland".

Der BGH-Anwalt der Kläger, Siegfried Mennemeyer, kritisierte, von den Verbrauchern würden Informationen verlangt, die sie gar nicht haben könnten. Es sei an der Zeit, ein Sachverständigen-Gutachten einzuholen. "Es muss doch mal Licht ins Dunkel kommen."

(APA)