VW-Skandal : Abgasskandal bei VW weitet sich nochmals aus

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen zieht immer weitere Kreise. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat ihre Ermittlungen wegen Marktmanipulation auf Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch ausgedehnt. Die Behörde geht nach VW-Angaben dem Verdacht nach, dass Volkswagen möglicherweise bewusst verspätet über die finanziellen Folgen der millionenfachen Abgasmanipulation informierte.

Zudem droht dem Konzern neuer Ärger aus den USA. Nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" hat die kalifornische Umweltbehörde Carb im Sommer dieses Jahres eine weitere Schummelsoftware bei Audi entdeckt, die auch bei Fahrzeugen in Europa eingesetzt werde und CO2-Werte manipuliere.

Pötsch steht schon seit längerem in der Kritik von Investoren, weil er Finanzvorstand war, als der Dieselskandal im September 2015 bekanntwurde. Im Oktober 2015 wechselte er dann an die Spitze des Aufsichtsrats. Das Verfahren beziehe sich auf die Zeit, als Pötsch Finanzvorstand war, erklärte Volkswagen.

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Die Großaktionäre Porsche und Niedersachsen halten Pötsch trotz der Ermittlungen die Treue. "Die Familien Porsche und Piëch stehen uneingeschränkt hinter Herrn Pötsch", sagte Wolfgang Porsche, Aufsichtsratschef der Porsche SE, am Sonntag. "Auch für Herrn Pötsch gilt die Unschuldsvermutung", erklärte eine Sprecherin der niedersächsischen Landesregierung. "Der endgültige Abschluss der Ermittlungen bleibt abzuwarten, vorschnelle Schlussfolgerungen verbieten sich." Die Porsche SE kontrolliert rund 52,2 Prozent der VW-Stimmrechte, Niedersachsen hält 20 Prozent.

Nach einer Strafanzeige der deutschen Finanzaufsicht BaFin ermitteln die Braunschweiger Strafverfolger bereits seit dem Sommer gegen den amtierenden VW-Markenchef Herbert Diess und den früheren VW-Chef Martin Winterkorn. Damals hatte die Behörde noch ausdrücklich betont, dass Pötsch nicht im Visier sei. Was die Staatsanwaltschaft nun zum Umdenken brachte, war zunächst nicht zu erfahren. Von der Behörde war am Sonntag keine Stellungnahme zu erhalten.

Großaktionäre stellen sich hinter Pötsch

Volkswagen hat die Anwaltskanzlei Jones Day mit der Aufklärung des Dieselskandals beauftragt. Die Mitglieder des Aufsichtsrat seien über den aktuellen Stand der Untersuchungen informiert worden, erklärte Niedersachsen. Danach habe sich kein Anlass für weitere Maßnahmen ergeben.

Die Ausweitung der Ermittlungen ist Wasser auf die Mühlen von Investoren, die Volkswagen eine verspätete Information über den Dieselskandal vorwerfen. Sie verklagen den Konzern auf Milliardensummen, weil der Aktienkurs nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen im September des vergangenen Jahres abgestürzt war. Allein am Landgericht Braunschweig sind Schadenersatzklagen über mehr als acht Mrd. Euro anhängig.

Anwälte und Finanzfirmen wollen Geld sehen

Volkswagen erklärte, man sei weiterhin der Auffassung, dass der Vorstand seine kapitalmarktrechtliche Publizitätspflicht ordnungsgemäß erfüllt habe. Dabei stütze sich der Konzern auf die sorgfältige Prüfung durch interne und externe Rechtsexperten. Über die Mitteilung hinaus wollte Volkswagen sich nicht äußern.

Der Wolfsburger Konzern hatte am 20. September auf Druck der US-Umweltbehörden zugegeben, Abgaswerte durch eine illegale Software manipuliert zu haben. Nach dem Geständnis brach die VW-Aktie um 20 Prozent ein. Am 22. September gab das Unternehmen bekannt, dass weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge von dem Betrug betroffen seien und der Konzern deswegen 6,5 Mrd. Euro zur Seite legen müsse. Die Rückstellungen wurden später auf mehr als 16 Mrd. Euro erhöht. Der Konzern wies deshalb im vergangenen Jahr den höchsten Verlust seiner Firmengeschichte aus.

US-Behörde weitet Ermittlungen gegen Audi aus

Auch an einer zweiten Front droht dem Konzern neuer Ärger. Die "Bild am Sonntag" berichtete, die kalifornische Umweltbehörde Carb habe eine weitere illegale Softwarefunktion bei einem Audi mit V6-Motor entdeckt. Der Autobauer habe die Schummelsoftware auch für die Manipulation von CO2-Werten für Diesel- und Benzinmotoren in Europa verwendet.

Dem Bericht zufolge können Audi-Modelle mit einem bestimmten Automatik-Getriebe erkennen, ob sie auf einem Rollenprüfstand sind oder auf der Straße fahren. Werde das Lenkrad nach dem Start nicht bewegt, aktiviere sich ein Schaltprogramm für das Getriebe, das besonders wenig CO2 produziere. Andernfalls laufe das Fahrzeug mit einem anderen Programm, das mehr Kraftstoff verbrauche und mehr CO2 ausstoße.

Das betroffene Getriebe verwende Audi bei Autos mit leistungsstarken Motoren und sei in mehreren 100.000 Fahrzeuge eingebaut worden, berichte das Blatt weiter. Audi habe den Einsatz der Software in den Getrieben im Mai 2016 gestoppt, kurz bevor Carb die Manipulation in einem älteren Modell entdeckte. Die VW-Tochter habe in dem Fall bereits mehrere verantwortliche Techniker suspendiert. Audi und Carb wollten sich zu dem Bericht nicht äußern.

Richter Breyer "optimistisch"

Audi hatte vergangenes Jahr zugegeben, eine nach US-Recht als illegal geltende Software bei Sechszylinder-Diesel-Motoren mit drei Litern Hubraum eingebaut zu haben. Noch vor wenigen Tagen hatte Bezirksrichter Charles Breyer erklärt, Audi habe bei den Verhandlungen mit den US-Behörden über eine Lösung für die 85.000 betroffenen Fahrzeuge wesentliche Fortschritte gemacht. Er sei optimistisch, dass bis Anfang Dezember eine Einigung erzielt werden könne. Audi hat in diesem Jahr schon 752 Mio. Euro zurückgelegt für die Reparaturen und den noch ausstehenden Vergleich. (APA/Reuters/red)