OMV und Gazprom : Ziemlich beste Partner

Lädt die OMV zu "Energiegesprächen" ein, bekommt auch die imperiale Pracht der Wiener Hofburg eine sehr kühle Anmutung. So war an einem Montag im November der Große Redoutensaal ganz in die Konzernfarben Blau und Grün getaucht, als Gerhard Schröder ans Rednerpult trat. OMV-Chef Rainer Seele hatte den ehemaligen deutschen Bundeskanzler nach Wien eingeladen – und Schröder kam gern. Schließlich ist der einstige Spitzenpolitiker heute so etwas wie der oberste Interessensvertreter des staatlichen russischen Gasmonopolisten Gazprom – und damit auch der Interessen Russlands. Bei seinem Auftritt betonte Schröder, eine neue Gaspipeline von Russland durch die Ostsee unter Beteiligung der OMV werde nicht etwa die Abhängigkeit Europas von Moskau erhöhen, sondern vor allem die Versorgungssicherheit. Und Russland sei neben Norwegen der sicherste und verlässlichste Energiepartner Europas.

Genau darum ging es Seele auch: Die massive Annäherung der OMV an Russland in das richtige Licht zu rücken. Seit der Norddeutsche im Sommer das Ruder beim heimischen Energieriesen übernommen hat, sind bereits mehrere weitreichende Entscheidungen gefallen. Erst am 18. Februar will Rainer Seele zwar die neue Konzernstrategie vorstellen. Doch klar ist: Den Kurs seines Vorgängers Gerhard Roiss wird Seele ändern. Ebenso sicher ist: Dieser künftige Kurs wird mit Russland zu tun haben.

Rege Reisediplomatie

An sich ist für die OMV, den mit Abstand größten heimischen Industriekonzern, eine Zusammenarbeit mit den Russen nichts Ungewöhnliches. 1968, mitten im Kalten Krieg, vereinbarten die Österreicher als erster westlicher Konzern Gaslieferungen aus der Sowjetunion. Seither sei Russland immer ein verlässlicher Partner gewesen, heißt es in Wien. In den letzten Wochen allerdings ist eine regelrechte Reisediplomatie zwischen dem Wiener Konzernsitz und Moskau entstanden. Jede bis jede zweite Woche fliege er hin, sagte Seele in seinem ersten Interview als OMV-Chef der russischen Zeitung "Wedomosti".

Im September vereinbarten die Österreicher und Gazprom gemeinsam mit den Energiekonzernen BASF, Eon, Shell und Engie den Bau von zwei weiteren Strängen der Gaspipeline Nord Stream. Die OMV soll zehn Prozent daran bekommen. Im Oktober kam Gazprom-Chef Alexej Miller zu Gesprächen nach Österreich. Worum es genau ging, will keiner der Beteiligten sagen. Allerdings betonte Seele an anderer Stelle mehrmals, sein Unternehmen werde alles daran setzen, dass das Gas aus der neuen Pipeline zum OMV-Gasknoten ins niederösterreichische Baumgarten gepumpt werde.

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Dabei ist das größte Problem der OMV zur Zeit das Öl: Während die Opec den Markt mit dem Rohstoff flutet, wird ab 2016 der Iran als neuer Lieferant den Preis weiter nach unten drücken. Für das dritte Quartal veröffentlichte der Konzern eine Abschreibung von einer Milliarde Euro. Der Erlös der ersten neun Monate sackte um 38 Prozent auf 17,5 Milliarden Euro ab.

Der Tauschhandel

Für Optimismus gebe es bei der OMV im Moment keinen Grund, sagen die Analysten der Erste Group. Rainer Seele sieht das naturgemäß anders: Der Konzern müsse Kosten senken und das Portfolio anpassen. Und weil die Kosten in der Nordsee zehn Mal so hoch seien wie im Mittleren Osten und Russland, werde sich die OMV auf genau diese Regionen konzentrieren. So ist bei der Annäherung an Russland neben dem Anteil an Nord Stream II ein zweiter Schachzug bereits fixiert: Die Österreicher bekommen von Gazprom 24,98 Prozent an zwei Projekten im westsibirischen Förderfeld Urengoi.

Gazprom folgt hier seiner üblichen Strategie: Technisch ganz leicht auszubeutende Lagerstätten macht man selbst, sehr komplexe und damit risikoreiche Felder dagegen als Kooperation mit Ausländern. Entsprechend laufen schon seit Monaten Überprüfungen der möglichen Fördermengen in Urengoi. Am Ende müsse die OMV den Rohstoff noch in Russland an Gazprom verkaufen, so die "Presse" – weil der Staatsmonopolist auch das Exportmonopol für Russland habe. Dafür bekommen die Österreicher nicht einmal eine Sperrminorität an dem Projekt. Offenbar mehren sich selbst innerhalb der OMV die Zweifel, welche Vorteile dieser milliardenschwere Tausch Österreich bringe. Der Deal ist alles andere als ein Geschenk. Im Gegenzug ist mit den Russen ein Tausch der Vermögenswerte vereinbart.

Antworten auf die zentrale Frage im Februar

Was wird die OMV an Gazprom abtreten? Das ist die spannendste Frage im neuen Kurs von Rainer Seele. Er selbst schweigt dazu beharrlich und wiederholt lediglich, dass ein direkter Einstieg von Gazprom bei der OMV nicht in Frage kommt. Erst nächsten Februar will der Konzernchef konkrete Details nennen.

Einige Bewegungen zeichnen sich trotzdem ab. So übernimmt die OMV die Großhandelsgesellschaft EconGas ganz. Zugleich erstaunt die Analysten, dass sich der Konzern von 49 Prozent des profitablen Gasleitungsbetreibers Gas Connect Austria (GCA) trennen will. Eine für das Energiegeschehen nicht ganz unwichtige Entscheidung, denn GCA spielt eine zentrale Rolle in der Gasversorgung für Österreich und fünf Nachbarstaaten. Doch der Anteil an GCA werde nicht an Gazprom, sondern an den Bestbieter verkauft, heißt es in Wien.

Außerdem könnte der russische Staatsmonopolist Anteile an den Raffinerien der OMV, an EconGas oder am Gasknoten Baumgarten bekommen – den einst schon Seeles Vorgänger Roiss Gazprom zugesagt hatte. So oder so dürfte der russische Konzern seinem Ziel ein gutes Stück näher rücken: direkte Verbindung zu den Endkunden in Westeuropa.

Während sich Rainer Seele zu den Details der Kooperation mit Gazprom gegenüber österreichischen Medien bedeckt hält, formulierte er es im Interview mit der russischen "Wedomosti" so: "Eines ist absolut klar: Gazprom wird diese Kooperation schätzen, und Gazprom kann sich auf meine aktive Mitwirkung verlassen."

(INDUSTRIEMAGAZIN 12/2015 - 01/2016)