Planungssoftware : So funktioniert globales Supply-Chain-Management

Die Herausforderung, vor welcher der Konzern steht, ist gewaltig. An Standorten in Europa, Asien und den USA bearbeitet WMF drei voneinander weitgehend unabhängige Geschäftszweige: die Produktion der klassischen Konsumgüter wie Küchenmaschinen, Geschirr und Besteck, für die man weltberühmt ist, das globale Geschäft mit Kaffeemaschinen für kommerzielle Nutzer wie Tankstellenketten oder McDonalds. Und als drittes Standbein gibt es schließlich auch noch den Geschäftszweig Hotellerie. Und damit die Sache nicht zu einfach wird, erfolgt das Ganze unter fünf Markennamen, von denen zwei bislang völlig autonom agiert haben. Aus diesem Berg an Puzzlestücken soll nun ein integrierter Konzern werden.

Vor dieser Herausforderung steht jedenfalls Thomas Schneider, der Leiter S&OP und Performance Management bei WMF, als er ein neues S&OP-System im Unternehmen aufsetzen will. Die Voraussetzungen dafür sind komplex. Die vorhandene IT-Architektur sieht nämlich nicht gerade einheitlich aus: Für die Produktionsplanung gibt es zwar SAP-Lösungen, daneben aber auch viel Wildgewachsenes, Selbstgebautes, Dazugekauftes, quer über die Kontinente verstreut. Dass am Ende unter den vielen kontaktierten Systemanbietern am Ende SAP das Riesenprojekt begleitet, hat viele Gründe. Die meisten von ihnen hängen irgendwie mit sechs Buchstaben zusammen: SAP IBP, dem neu entwickelten Integrated-Business-Planning-Tool aus Walldorf.

Der Daten-Vielfraß

Nicht, dass SAP vorher keine Planungssoftware im Talon gehabt hätte. Knapp vor der Jahrtausendwende hat man mit APO, dem Advanced-Planning-&-Optimization-System eine Lösung auf den Markt gebracht, die jahrelang Standard war und bis heute in unzähligen Unternehmen für Planungen genützt wird. Mit SAP IBP wird aber alles, was APO konnte, auf eine neue, wenn man so will, Big-Data-kompatible Ebene gehoben. So wurde SAP IBP von Anfang an auf der SAP-HANA-Plattform entwickelt und läuft hier daher auch besser als Systeme, die erst nachträglich auf die Plattform aufgesetzt wurden.

Damit ist es ein Werkzeug, das sich besonders gut dazu eignet, cloudbasiert richtig große Datenmengen zu verarbeiten. Dass SAP überdies mit dem zusätzlichen Modul SAP VORA eine Brücke zwischen der SAP-HANA-Welt und den Big-Data-Frameworks Apache Hadoop und Apache Spark geschaffen hat, erweitert die Möglichkeit von interaktiven Big-Data-Analysen als Grundlage der Entscheidungsfindung noch weiter. Passenderweise leitet sich der Name des neuen Moduls übrigens vom englischen Adjektiv "voracious" (für gefräßig) ab: Input kann das Ding tatsächlich nie genug zum Verarbeiten bekommen.

Für WMF war die Möglichkeit, in der Cloud große Mengen an Daten schnell verarbeiten zu können, einer der entscheidenden Punkte, warum SAP IBP bei der Integrierung des Konzerns zum Zuge kam. Es gab aber noch andere – etwa die sehr guten, intuitiven Benutzeroberflächen, für die SAP mittlerweile bekannt ist. Weil viele Nutzer bei Planungs- und Kalkulationsaufgaben gewohnt sind, Excel als Oberfläche zu verwenden, kann das System allerdings auch in einer Excel-Darstellung genutzt werden.

Faktor Mensch

Und dann gibt es auch noch den Faktor Mensch. Oder besser gesagt: Menschen, die gerade bei großen integrierten Prozessen, wo Planung, Vertrieb, Produktion und Finanzen im Optimalfall nicht bloß auf den kleinsten gemeinsamen Nenner kommen sollten, sondern auf den bestmöglichen. "Wir kennen ja diese typischen Interessensgegensätze zwischen Marketing, Vertrieb und Produktion, die, überspitzt formuliert, dazu führen, dass das Marketing möchte, dass der Vertrieb etwas verkauft, was die Produktion nicht liefern kann und was auch noch viel zu teuer ist", sagt Peter Bickenbach, Leiter des Kompetenzcenters Supply Chain Management bei SAP. "SAP IBP verfolgt daher den Ansatz, solche Interessensgegensätze bereits in der Planungsphase zu berücksichtigen und auszugleichen. Zusammen mit der Kommunikationsplattform SAP JAM ist daher eine Planung möglich, bei der Verkauf, Vertrieb und Marketing sich in Echtzeit mit Produktion und dem Finanzbereich abstimmen können." Aufgaben verteilen, Meetings planen, Wissen hinterlegen, Dokumente teilen ist mit der Plattform über Abteilungsgrenzen hinweg und per Smartphone oder Tablet möglich.

Ob Kunden bei der Integration ihrer Planungsprozesse das System in eine bereits bestehende IT-Landschaft einfügen wollen, also das Brown-Field-Szenario fahren, oder alles in einem Green- Field-Szenario von Anfang an neu aufsetzen, sei übrigens, sagt Bickenbach, nicht spielentscheidend. Beide Möglichkeiten funktionieren gleich gut.

Simulieren in Echtzeit

Volatile Absatzmärkte, in denen die Kapazitäten oft sehr schnell angepasst werden müssen, Expansionen in neue Märkte, die gut durchgeplant werden sollten, Branchen mit kurzen Produktlebenszyklen und großem Modellreichtum bis hin zur individualisierten Fertigung – überall, wo diese Merkmale zutreffen, ist das Durchspielen von unzähligen Szenarien anhand möglichst aktueller Daten eine absolute Notwendigkeit. Mit Lösungen wie SAP IBP sind solche Planspiele in Echtzeit durchführbar.

"Solange alle Unternehmen anhand von alten Daten oder historischen Datenreihen geplant haben", erklärt Bickenbach, „war es letztlich egal, dass die Ergebnisse, zu denen man dadurch kam, immer veraltet waren. Schließlich hatte die Konkurrenz auch keine besseren." Heute könne ein Unternehmen, das seine Lagerbestände oder den Bedarf der Kunden anhand von Daten aus der Vorwoche berechnet, aber unter Umständen sehr bald in dramatische Probleme kommen: Weil es zum Beispiel auf einmal ein Lieferproblem bekommt, bei dem der Kunde sehr schnell zum nächsten Anbieter weiterzieht – im Consumer-Sektor passiert das sowieso, aber auch längst im B2B-Bereich.

Wobei exakte Planung ein Punkt ist. Aus den vorhandenen Daten wahrscheinliche Entwicklungen des Geschäftsgangs zu antizipieren und sie zum Ausgangspunkt von Planungen zu machen, ein anderer. Auch dafür gibt SAP IBP seinen Nutzern spannende Tools in die Hand. So kann zum Beispiel das Modul SAP IBP for Demand mit neuen Prognoseverfahren und Mustererkennungsmechanismen in die Zukunft schauen und Vorhersagen über den zu erwartenden Verkauf von einzelnen Produkten machen. Für Unternehmen, die in einem Umfeld arbeiten, das sich ständig verändert, ein unschätzbarer Vorteil und eine Gelegenheit, ein Stück Planungssicherheit zu bekommen.

Bei WMF haben solche Überlegungen am Ende zu einem beträchtlichen Change-Prozess geführt. Schon jetzt nutzt man den Supply-Chain-Control-Tower, der gewissermaßen die Schaltzentrale von SAP IBP darstellt. Der Tower führt alle Warnungen, die in diversen Systemen wie etwa CRM oder ERP anfallen, zusammen und ermöglicht so eine verbesserte Planungsorganisation anhand von unternehmensspezifisch angepassten Indikatoren.

Fortgeführt wird bei WMF auch die Harmonisierung von Stammdaten der vielen bislang selbstständigen Marken und Landesgesellschaften des Konzerns. Und auch eine Änderung der physischen Struktur des Unternehmens kam eines Tages auf den Plan. Das Ziel dabei: aus vielen dezentralen Lagerstandorten zwei zentrale Vollsortimentlager zu schaffen.

Dass diese natürlich einer umso besseren Planung bedürfen, liegt auf der Hand. Und ist ein weiterer Grund, warum beim WMF-Change-Prozess SAP IBP zum Einsatz kommt.