Industrieproduktion : Schwere Zeiten für Europas Stahlindustrie

Die Wirtschaftsminister der EU-Länder beraten in Brüssel über die schwierige Situation europäischer Stahlerzeuger. Der Termin wurde eigens als Sondertreffen anberaumt, denn Stahl ist in der Europäischen Union ein wichtiger Industriezweig. Unter den weltgrößten Stahlproduzenten kommt die EU nach China an zweiter Stelle. In 23 Mitgliedsstaaten gibt es mehr als 500 Produktionsstätten, elf Prozent der Weltproduktion werden hier hergestellt.

Doch die Zeiten für die europäische Stahlindustrie sind gerade nicht leicht. Vor allem die steigenden Billigausfuhren aus China machen der Branche weltweit zu schaffen und halten die Preise unter Druck. In Europa hat sich die Lage im Stahlsektor insbesondere in Großbritannien massiv verschlechtert. Aber auch in Deutschland spürt die Stahlindustrie den Druck - bei dem wichtigsten Handelspartner Österreichs hat die Stahlbranche gerade ihre Erwartungen zum heurigen Jahr nach unten geschraubt.

Transporteure spüren die Flaute der Stahlwerke

Die Flaute bekommen sogar Transportunternehmen zu spüren - etwa die heimische ÖBB. So meinte ÖBB-Konzernchef Christian Kern in einem Interview mit den Bundesländer-Zeitungen und der "Presse", die Wirtschaftskrise beeinträchtige bereits das wichtigste Geschäftsfeld der Bahn, nämlich den Güterverkehr. "Von den 80 Stahlwerken in Europa laufen 50 unter ihren Kapazitäten. Die Containerhäfen verzeichnen große Rückgänge", sagt Kern.

Stahlbetriebe schließen

Die Wirtschaftsminister Europas suchen angesichts zahlreicher Betriebsschließungen und des großflächigen Personalabbau nach Wegen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu verbessern.

Die Lage wurde als ernst beschrieben, die anhaltende Wirtschaftskrise hat die Konjunktur verlangsamt. Angetrieben durch gestiegene Kosten für Rohstoffe wurde auch der Stahlpreis erhöht, das führte zu einem starken Rückgang der Nachfrage.

Gegen den Trend entwickeln sich offenbar die Großhandelspreise für Stahl in Österreich. Denn Statistik Austria hat soeben gemeldet, dass der Preis für den Bereich "Eisen und Stahl" sich im Großhandel im Oktober um 11,1 Prozent verbilligt hat.

ArcelorMittal schreibt rote Zahlen

Ein Beispiel für die Lage des Sektors ist der weltgrößte Stahlhersteller ArcelorMittal. Die Geschäfte des indisch-europäischen Konzerns haben sich im dritten Quartal dramatisch verschlechtert. Unter dem Strich stand ein Fehlbetrag von 711 Millionen Dollar (umgerechnet 653,31 Millionen Euro). Vor einem Jahr gab es zumindest noch einen kleinen Gewinn von 22 Mio. Dollar. Der operative Gewinn ging um 30 Prozent auf knapp 1,4 Milliarden Dollar zurück. Der Umsatz ging um fast ein Viertel auf 15,6 Milliarden Dollar zurück.

Trotzdem operativer Gewinn in Milliardenhöhe

Der Vorstand von ArcelorMittal musste seine Prognose für das zu Ende gehende Jahr erneut senken. Nun hält er nur noch einen operativen Gewinn von 5,2 bis 5,4 Mrd. Dollar für möglich. Bisher hatte das Management 6 bis 7 Mrd. Dollar in Aussicht gestellt. ArcelorMittal kündigte als Reaktion weitere Einsparungen an. Zudem soll die Schlussdividende für dieses Jahr ausfallen.

Salzgitter: Deutlich mehr Vorsteuergewinn, geringere Prognose

Unterdessen hat der deutsche Stahlkonzern Salzgitter in den ersten drei Quartalen seinen Vorsteuergewinn kräftig gesteigert. So meldet Salzgitter für die ersten drei Quartale ein Vorsteuerergebnis von 24 Millionen Euro. Im selben Zeitraum des Vorjahres betrug dieser Wert 5,5 Millionen Euro.

Doch zugleich revidiert der deutsche Stahlkonzern seine Prognose. Grund seien negative Einflüsse aus der Beteiligung am Kupferhersteller Aurubis. Wegen gesunkener Metallpreise wird der Ergebnisbeitrag von Aurubis nämlich geringer ausfallen als bisher erwartet.

Für das Gesamtjahr werde ein Vorsteuergewinn im unteren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich erwartet, so Salzgitter. Zwischendrin erwartete der Stahlhersteller etwas mehr - die jüngste Prognose entspricht jener vom heurigen Jänner.

Deutschlands Stahlindustrie erwartet Produktion wie 2014

Die Situation bei Salzgitter spiegelt die Lage der Stahlindustrie in Deutschland insgesamt. So hat die Branche jetzt ihre Produktionsprognose zurückgeschraubt. Die Produktion im laufenden Jahr werde nicht über das Vorjahresniveau von 42,9 Millionen Tonnen hinauskommen, teilt die Wirtschaftsvereinigung Stahl mit. Bisher hatte die Schwerindustrie ein Wachstum von einem Prozent angepeilt.

Die Auftragseingänge seien zuletzt aber für die Beibehaltung der Prognose zu schwach gewesen, erklärte der Verband. Im Oktober stieg die Rohstahlproduktion in Deutschland im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,7 Prozent auf 3,6 Millionen Tonnen. Im bisherigen Jahresverlauf liegt das Wachstum damit aber lediglich bei 0,3 Prozent.

ThyssenKrupp & Co rechnen mit Anstieg im nächsten Jahr

Im kommenden Jahr rechnet die Branche um ArcelorMittal und ThyssenKrupp mit einer Erholung der Nachfrage, da die Konjunktur bei den Verarbeitern solide verlaufe. (red/dpa/reuters/apa)