Justiz : "Schwarze Kassen" bei Siemens Österreich - "Aufträge fallen nicht vom Himmel"

Im Prozess um die "schwarzen Kassen" bei Siemens Österreich haben die Verteidiger der beiden Angeklagten die Untreue-Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zurückgewiesen. Der Verteidiger des erstangeklagten ehemaligen Finanzverantwortlichen wies die Anklage als "einseitig" zurück, ganze Teile des Siemens-Archivs würden ausgeblendet.

Die Theorie der Anlage verschiebe die gesamte Beweislast auf die Angeklagten. Das sei aber sehr schwierig, denn die Vorgängen lägen nun zwölf und mehr Jahre zurück, führte der Verteidiger des Erstangeklagten aus. Außerdem werde von der Anklage behauptet, es gebe keinen Zahlungsgrund - das stimme aber nicht. Der Erstangeklagte, ehemaliger Finanzvorstand, wird vor Gericht gleich von drei Verteidigern vertreten. Außer einer Haushälfte besitze er nichts mehr, gab er in der Befragung durch Richterin Claudia Moravec-Loidolt an. Auch seine 900.000-Euro-Abfertigung sei verbraucht, "alles ist weg". Schließlich habe er in den letzten zehn Jahren sehr hohe Ausgaben für seine Rechtsvertretung gehabt.

Der Verteidiger des zweiten angeklagten ehemaligen Siemens-Managers erläuterte die Situation für Siemens, an Aufträge in einem so schwierigen Markt wie am Balkan zu kommen. "Wir müssen hier in die Schluchten des Balkan gehen". Die Darstellung der Staatsanwaltschaft gehe "völlig an der Realität vorbei", meinte er. "Es ist völlig naiv zu glauben, dass solche Aufträge an Unternehmen vom Himmel fallen - da muss man investieren, da braucht es Akquisitionskosten, das ist auch sachlich gerechtfertigt." Zunächst habe die Staatsanwaltschaft in Richtung Bestechung ermittelt. "Es konnte kein einziger Nachweis wegen Bestechung eines Amtsträgers gefunden werden, das Verfahren wegen Bestechung wurde eingestellt", argumentierte der Anwalt. Nun sei wegen Untreue angeklagt worden.

Der Verteidiger verwies auch auf die lange Zeit, die seit den inkriminierten Vorgängen verstrichen war. Die wichtigsten Zeugen seien alle schon tot. Ein Beteiligter an den Vorgängen starb bei einem Jagdunfall. Über die Vorwürfe habe schon die Kronenzeitung im Jahr 2008 berichtet. Der Zweitangeklagte wird übrigens von zwei Juristen vor Gericht vertreten. (APA/red)

Der Prozess um "schwarze Kassen" bei Siemens Österreich ist im Wiener Straflandesgericht gestartet. Zwei ehemalige Siemens-Manager stehen vor Gericht, weil sie mit Scheinrechnungen und Scheinfirmen Gelder abgezweigt und diese für Schmiergelder verwendet haben sollen. Die Vorgänge liegen schon viele Jahre zurück. Die Angeklagten weisen die Untreue-Vorwürfe zurück.

Staatsanwalt Gregor Adamovic von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führte zu Prozessbeginn die Anklage aus: Demnach sollen die beiden über ein Netz von Scheinfirmen an angebliche Berater Gelder überwiesen haben, denen aber keine Gegenleistung gegenüberstand. Von einem international weitverzweigten Firmen- und Kontensystem sollen die Gelder schließlich mittels Barabhebungen geholt worden sein, um als Schmiergelder bei Siemens-Geschäften in Ex-Jugoslawien zu dienen. Der Konzern wurde dadurch laut Anklage um über 17 Mio. Euro geschädigt.

In den 90er-Jahren sei dieses System noch gefördert worden, weil Provisionen sogar steuerrechtlich absetzbar waren. Mit einer OECD-Konvention gegen Korruption, die in Österreich im Jahr 1999 umgesetzt wurde, sei die "große Zäsur" gekommen. Im Siemens-Konzern sei dann ein System geschaffen worden, das im Jahr 2006 zu einem der größten Schmiergeldskandale in Deutschland und Österreich führte, so der Staatsanwalt - "ein System aus Schmiergeldern, Scheinrechnungen und schwarzen Kassen".

Mit Briefkastenfirmen auf Zypern und anderen Offshore-Destinationen seien die Gelder aus dem Unternehmen herausgeschleust worden. Die langen Ermittlungen in Österreich - während in Deutschland schon rechtskräftige Urteile dazu vorliegen - erklärte der Staatsanwalt so, dass man den Weg des Geldes durch die Briefkastenfirmen genau verfolgt habe. Beim Erstangeklagten seien darüber hinaus noch auf einem panamesischen Firmennetzwerk mit Schweizer Konto 2,9 Mio. Euro gefunden worden. Die Erklärungen des Ex-Managers, es habe sich um ein Erbe seines Vaters gehandelt, das er mittels eines Zettels mit handgeschriebenen kyrillischen Schriftzeichen und durch Recherchen in Serbien und Russland erst Jahre nach dessen Tod erhalten habe, sei nicht nachvollziehbar, schloss Adamovic.

Von Siemens Österreich kommt auf APA-Anfrage eine kurze Stellungnahme zum Prozess: "Bei dem Verfahren geht es um lange zurück liegende, bereits bekannte Vorgänge. Wir sind Geschädigte in diesen Vorgängen und machen unsere Ansprüche entsprechend geltend." (apa/red)