Meinung : Sanktionen gegen Russland: Putins industrielle Drohkulisse

Haltung lässt sich leichter bewahren als wiedergewinnen. Getreu diesem Motto versucht Europa heute eine Antwort darauf zu finden, dass reguläre russische Truppen im Nachbarland (Russlands aber auch der EU!) operieren und den Konflikt weiter eskalieren lassen. Eine neue Sanktionsrunde (alle Details lesen Sie, sobald die Eckdaten feststehen, hier) soll zumindest pro Forma eine Antwort darauf sein.

Politisch können die Sanktionen durchaus Sinn machen. Irgendwann, so die Hoffnung, würden für den russischen Präsidenten Wladimir Putin die politischen und wirtschaftlichen Kosten in Relation zum Nutzen, in Form von Landgewinn, zu hoch. Wirtschaftlich sollen die Sanktionen die österreichische und europäische Wirtschaft schonen. Lediglich in Schlüsselbranchen der Militärtechnik soll das Embargo wirken. Und besonders hart dürfte auch die neue, verschärfte Embargorunde nicht ausfallen. Dass heimische Produzenten ziviler Güter deswegen schlaflose Nächte leiden, ist nicht anzunehmen.

Ganz anders sieht es allerdings bei der Gegenreaktion auf das europäische Embargo aus. Punktuel, und vor allem inoffiziell, wird derzeit in Russland die Forderung nach local Content, also lokaler Produktion laut. Russen berichten ihren österreichischen Geschäftspartnern von sanftem, staatlichem Druck, in Zukunft russische Mitbewerber ausländischen Partnern vorzuziehen. Um etwaigen weiteren politischen Sanktionen und Gegensanktionen zuvorzukommen, könnte man doch – so der Tenor der Unterhaltungen – eventuell auch vor Ort produzieren. Besonders für sensible Technologielieferanten stellt der schleichende Vertrauensverlust, der sich auch im Geschäftsleben atmosphärisch wahrnehmen lässt, die weitaus größere Herausforderung dar als das pure Embargo, das heute erweitert wird.

Manche in Russland tätige Unternehmer sehen die Gefahr, dass man Moskau mit den Sanktionen erst den Anlass liefert, Warenströme umzulenken. Mit massiver staatlicher Förderung soll, so die Angst vieler, in all jenen technologischen Schlüsselbranchen aufgeholt werden, die Russland als Rohstoffland bisher sträflich vernachlässigt hat. Die Angst ist verständlich – doch Skepsis ist angebracht: Wäre es tatsächlich so einfach, durch staatliche Verordnung Innovation zu schaffen und quasi per gesetzlichem Federstrich lokalen Mitbewerb zu kreieren, dann würde die UdSSR – an deren imperiale Bedeutung derzeit angeknüpft werden soll – wohl noch existieren.

Fest steht allerdings: 1.200 österreichische Unternehmen exportieren nach Russland, allein die Warenexporte beliefen sich zuletzt auf knapp 3,5 Milliarden Euro – keine westeuropäische Industrie ist so intensiv mit der Russischen Föderation verflochten als die österreichische. Viele Unternehmen erleiden derzeit Einbußen, die weit über die monetäre Auswirkung der konkreten Sanktionen hinaus gehen. Die heimische wie auch die europäische Politik wird diesen Unternehmen ein Angebot machen müssen, wenn die Sanktionen nicht nur politisch sondern auch wirtschaftlich erfolgreich sein sollen.