Energieeffizienz : "Potentiale nicht ausgeschöpft"

INDUSTRIEMAGAZIN: Ihre Stiftungsprofessur soll das Kapitel Energieeffizienz in der Industrie voranbringen. Haben Sie das Gefühl, man tut zu wenig?

Hofmann: Natürlich sind die Energieeffizienzpotenziale in Österreich schon weit vorangetrieben. Aber eben nicht ausgeschöpft. Um einen weiteren Schritt vorwärts zu kommen, braucht es vertiefte Forschungsaktivitäten, um neue Technologien zu entwickeln sowie deren Integration in optimierte Prozesse umzusetzen, die einen noch effizienteren Einsatz von Energie in der industriellen Produktion ermöglichen.

Mehr Effizienz wünschen sich viele. Wie soll das funktionieren?

Hofmann: Ein Ansatzpunkt, die Energieversorgung effizienter zu machen, liegt in der Verkürzung der Produktionsdurchlaufzeit und damit indirekt in der Senkung bei der Energieversorgung. Eine weitere Möglichkeit liegt in der Flexibilisierung der Energieversorgung zum Beispiel durch optimierte Betriebsstrategien. Industrieanlagen sind sehr vielfältig, das heißt, maßgeschneiderte und angepasste Systeme sind oftmals erforderlich.

Welche Projekte sind geplant? Es gibt es doch sicher unzählige Ideen?

Hofmann: Derzeit entwickeln wir Projekte mit starkem Bezug auf Flexibilisierungsmaßnahmen und Betriebsführungskonzepten. Im Rahmen von "StoreITup!", einem Projekt aus dem Bereich thermischer Speicher, wurden erstmals systematisch 70 Polymere als Phasenwechselmaterial für neuartige Polymer-Latentwärmespeicher untersucht. Wir konnten feststellen, dass sechs Materialklassen besonders kostengünstige Speicherkonzepte und eine breite Anwendungspalette ermöglichen, beispielweise in der Prozesswärme und Solarthermie sowie bei Wärmenetzen und Kraftwerken. Im Folgeprojekt "StoreITup-IF" werden wir daher optimierte Polymercompounds und Wärmeübertrager entwickeln, um damit Laborspeicher zu bauen und zu vermessen. Am Ende können wir dann erste Betriebserfahrungen bei der Abwärmenutzung in Kunststoff-Extrusion und Aluminium-Guss sammeln.

Was reizt Sie persönlich dabei am meisten?

Hofmann: Die Entwicklung von Methoden und Modellen zur Flexibilisierung der Energieversorgung und Produktion durch Integration neuer Speicher- und Umwandlungstechnologien ist äußerst interessant. Dazu zählen neben Load-Management, die Prozessintegration und die Prozessintensivierung, die mittels numerischer Simulation das Ziel verfolgt, einzelne Industrieprozesse beziehungsweise Detailenergiesysteme und Produktionsstandorte energetisch zu optimieren.

Das dürfte einige Ressourcen in den Unternehmen binden.

Hofmann: Voroptimierte Systeme mit möglichst optimalem Echtzeit-Datenabgleich haben ja auch einiges zu bieten. Etwa das Potenzial einer Maximierung der Betriebseffizienz bzw. Leistungsbewertung. Beispiele hierfür sind die intelligente Nutzung von Abwärme-Potenzialen, optimierte Integration von innovativen Systemen in industrielle Prozesse, Integration erneuerbarer Energieträger, innovative Regelungskonzepte und opti- mierte Betriebsstrategien sowie Prozessoptimierung zum Beispiel durch Anpassung des Nutzungsverhaltens mit dem Gedanken der Koppelung von Design und Betrieb.

René Hofmann, Jahrgang 76, ist Professor für "Industrielle Energiesysteme" an der TU Wien sowie Senior Scientist am AIT. Das Interview führte Ann Kimminich.