Industrieproduktion : Metallbranche erwartet für 2016 eine Seitwärtsbewegung

2021 wurden in Österreich 7,88 Millionen Tonnen Rohstahl erzeugt. Das war ein Anstieg von über einer Million im Vergleich zum Vorjahr.
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Die deutsche Metall- und Elektroindustrie erwartet im kommenden Jahr kein Wachstum für die Branche. "Wenn's gut läuft, gehe ich allenfalls von einer Seitwärtsbewegung aus", sagte der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Rainer Dulger, zur dpa. Eine Prognose sei schwierig, weil der Konjunkturverlauf "mehr in der Hand der Notenbanken liegt als in der Hand der Kunden und der Hersteller".

Von der Wirtschaftsvereinigung Stahl kamen inzwischen trotzdem konkrete Zahlen. Der Branchenverband erwartet für das kommende Jahr eine Rohstahlproduktion, die in Deutschland voraussichtlich um drei Prozent auf 41,5 Millionen Tonnen sinken werde. Den weltweiten Trends der Stahlindustrie könne sich auch die Stahlindustrie in Deutschland nicht entziehen, so Verbandspräsident Hans Jürgen Kerkhoff. Ebenso wie in Österreich spüren derzeit die Hersteller in Deutschland die schwächelnde Nachfrage und den Preisdruck durch chinesische Billigimporte.

Industrie droht wieder mit Abwanderung

Dulger warnte davor, die Unternehmen zusätzlich finanziell zu belasten. Das würde die Tendenz verstärken, im Ausland statt im Inland zu investieren. Auch die IG Metall müsse "die Erwartungen an die Tarifrunde im Frühjahr bremsen", so der Verbandspräsident. Von der deutschen Regierung verlangte er "keine neuen Belastungen, die die Flexibilität einschränken und die Arbeit verteuern".

Am Ende dieses Jahres dürfte die Produktion höchstens um ein Prozent gewachsen sein, sagte Dulger. Er hatte zu Jahresbeginn noch 1,5 Prozent für möglich gehalten. "Es bleibt natürlich auch ein erhebliches Maß an Skepsis und Unsicherheit durch die aktuellen Vorgänge im Inland: Flüchtlingskrise, VW-Affäre, alles, was da so gelaufen ist." Das schwächere Wachstum in China und anderen Schwellenländern verstärke diese Verunsicherung noch.

Rekorde in der Elektroindustrie: Jammern als Vorsorgemaßnahme?

Zumindest was Deutschlands Elektroindustrie angeht, können derartige Töne auch als Jammern auf höchstem Niveau gesehen werden - schließlich meldete just wenige Stunden später der Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) einen noch nie da gewesenen Höchststand bei den Ausfuhren. Und das trotz der umfassenden Flaute in China und den Schwellenländern.

Gesamtmetall: Deutschland erlebt einen "Scheinaufschwung"

Rainer Dulger vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall bleibt trotzdem dabei: Deutschland und Europa profitierten derzeit von einem "Scheinaufschwung", der auf dem niedrigen Ölpreis, dem schwachen Eurokurs und dem niedrigen Zinsniveau basiere. "Im Moment ist es so, dass unsere Produkte in den ausländischen Märkten preiswerter geworden sind und damit wettbewerbsfähiger, ohne dass wir dafür etwas getan haben."

Dulger macht sich nach eigenen Angaben Sorgen wegen der steigenden Lohnstückkosten in Deutschland. "Seit Ende der Krise 2008/2009 sind die Lohnkosten in der Metall- und Elektroindustrie um fast 20 Prozent gestiegen, die Produktivität dagegen aber nur um noch nicht einmal zwei Prozent", so Dulger. "Das schürt und fördert die Investitionsneigung im Ausland, vor allem der deutschen Hersteller."

Arbeitgeber wollen "Ball flach halten" - bei den Löhnen der Arbeitnehmer

Schon jetzt gebe es "in Deutschland eine Deindustrialisierung. Wenn wir die Bilanzen genauer lesen, sehen wir, dass von vielen Unternehmen im Ausland mehr investiert wird als in Deutschland. Das hat unterschiedliche Gründe, aber die ständig steigenden Arbeitskosten sind einer davon."

Angesichts eines hohen Abschlusses in der vergangenen Tarifrunde sei es "umso wichtiger, dass wir in der kommenden Tarifrunde den Ball flach halten", betonte Dulger. "Ein Weiter-so der IG Metall würde sicherlich den Trend, ins Ausland zu gehen, beschleunigen." Auch wenn bis zum Beginn der Verhandlungen im März noch Zeit sei: "Die Situation ist klar: Wir können uns eine solche Lohnsteigerung wie in der letzten Runde nicht mehr erlauben." Im April waren die Einkommen um 3,4 Prozent erhöht worden. Dulger geht wie die IG Metall "von einer reinen Entgeltrunde aus".

Scharf kritisierte der Gesamtmetall-Präsident den ersten Gesetzentwurf zur Neuregelung von Zeitarbeit und Werkverträgen. "In einer Zeit, in der Millionen Flüchtlinge in unser Land strömen, ist Zeitarbeit der Beschäftigungsmotor, um diese Leute in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen."

Schützenhilfe für Zeitarbeitsfirmen

In der deutschen Öffentlichkeit wird Zeitarbeit häufig als eine systematische Vermittlung in Jobs zu unwürdigen und ausbeuterischen Bedingungen kritisiert. Allerdings bringt dieses System für die Arbeitgeber und vor allem für die Zeitarbeitsfirmen selbst durchaus Vorteile.

So ist auch Dulger naturgemäß anderer Meinung als die Kritiker der Zeitarbeit: Es sei "ein völlig falsches Signal, Zeitarbeit und Werkverträge weiter einzuschränken." Über den Entwurf wird derzeit in der Regierung sowie mit deutschen Arbeitgebern und Gewerkschaften diskutiert. Der zuletzt für Dezember geplante Kabinettsbeschluss in Berlin wurde verschoben. (dpa/apa/red)