AT&S : Hintergrund: AT&S eröffnet ein neues Werk in China

Wer im zentralchinesischen Chongqing im ziemlich grauen Industriegebiet ein Fabriksgebäude betritt, erwartet nicht unbedingt idyllische Alpen-Bilder über dem Empfangsschalter oder in der Kantine. Doch die Österreicher verstecken sich nicht und präsentieren die heimische Landschaft gerne auch in ihrer IT-Fabrik. Denn die steirische Leiterplattenschmiede AT&S hat sich in China erfolgreich etabliert.

Eine sogenannte IC-Substrate-Produktion hat AT&S in Zentralchina aufgezogen (hier gehts zur Analyse der Strategie der AT&S). Unter höchsten Qualitätsstandards mit vielen komplexen Arbeitsschritten werden im Reinraum besondere Bauteile für Computer produziert. An den Maschinen stehen - fast völlig verhüllt in weiße Arbeitskleidung - nur Chinesen. Doch viele hoch qualifizierte Führungskräfte, die in Chongqing für kurze Zeit oder mehrere Jahre tätig sind, kommen aus Österreich. Sie haben hier eine High-End-Produktion aufgebaut.

Umgekehrt werden auch viele chinesische Beschäftigte immer wieder nach Leoben-Hinterberg geholt, um geschult zu werden und das Unternehmen besser kennenzulernen. Für die Chinesen, die Millionen-Metropolen im eigenen Land gewohnt sind, ist es wohl ein Kulturschock, wenn sie das AT&S-Headquarter im ländlichen steirischen Umfeld erstmals besuchen. "Ich wusste gar nicht, wohin ich nach der Arbeit gehen sollte", schildert eine chinesische Mitarbeiterin österreichischen Journalisten, die zur AT&S-Werkseröffnung nach Chongqing gekommen waren.

Dass bei AT&S ungeachtet der globalen Größenverhältnisse vom kleinen Leoben aus die Werke in chinesischen Millionenstädten wie Chongqing und Shanghai gesteuert werden, ist zu einem großen Teil Hannes Androsch zu verdanken. Der frühere Finanzminister und SPÖ-Politiker hat es zwar vom "Kronprinz" Bruno Kreiskys nicht zum Nachfolger des "Sonnenkanzlers" geschafft. Als Unternehmer und Industrieller hat er seit der Übernahme des Leiterplatten-Unternehmens 1994 durch den zielgerichteten Auf- und Ausbau des IT-Unternehmens und den Schritt nach Asien allerdings unzweifelhaft österreichische Industriegeschichte geschrieben.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Androsch besitzt über seine Privatstiftung 16,3 Prozent der Aktien des börsennotierten Unternehmens. Sein Partner ist Aufsichtsratsvize Willibald Dörflinger, der als das technische Gehirn des Unternehmens gilt, mit 17,8 Prozent. Der Rest der Aktien ist zur Hälfte bei verschiedenen institutionellen Investoren untergebracht, die andere Hälfte befindet sich im privaten Streubesitz. Gemeinsam ziehen sie in der Leiterplattenschmiede die Fäden.

"Warum soll ich nicht auch Industrieller werden, nachdem ich schon so vieles gemacht habe?" fragte Androsch vor der Übernahme im Jahr 1994. Die Herausforderung eines exportorientierten Hochtechnologie-Unternehmens in einer globalen Wirtschaft hat er bewältigt. Doch Androsch, der in Chongqing in Begleitung seines Sohnes seinen 78. Geburtstag feierte, ist noch lange nicht am Ende seiner Pläne: Er will AT&S über die Umsatzmilliarde und über die Grenze von 10.000 Beschäftigten bringen. Nur dank der Globalisierung und dem Schritt nach China sei es gelungen, die Arbeitsplätze in Österreich zu halten und das Überleben des Unternehmens zu sichern, ist er überzeugt. Der Wirtschaftsstandort Österreich leide aber an zu hohen Arbeitskosten, zu viel Bürokratie und mangelndem Reformwillen, mahnt er unermüdlich - sogar im fernen Zentralchina.