Bauindustrie : HeidelbergCement wagt Milliardendeal in Italien

HeidelbergCement wagt sich erstmals seit der existenzbedrohenden Übernahme von Hanson vor acht Jahren an einen Milliardenzukauf heran.

Für 3,7 Mrd. Euro will sich Deutschlands größter Baustoffkonzern Italiens Nummer eins Italcementi einverleiben und damit den Rückstand auf den neuen Branchengiganten LafargeHolcim wieder verkürzen.

Vorstandschef Bernd Scheifele zeigt sich überzeugt, dass HeidelCement sich dieses Mal nicht verschlucken wird: "Das Timing ist genau richtig." Der Markt in Südeuropa habe die Talsohle erreicht und stehe vor einer Erholung.

Bei der Übernahme des britischen Baustoffkonzerns Hanson habe er 2007 dagegen auf dem Höhepunkt der Baukonjunktur und damit im falschen Moment zugegriffen.

Die Börse strafte den Dax-Konzern aber mit einem Kursrutsch von mehr als sieben Prozent ab. Anleger nahmen dem Konzern übel, dass zur Finanzierung der Übernahme das Kapital leicht erhöht werden soll, was den Kurs verwässert.

Analysten: Kauf sieht nur auf dem Papier gut aus

Einige Analysten sehen auch den strategischen Sinn der Übernahme kritisch: Der Kauf sei nur auf dem Papier gut, schrieb Robert Muir von Berenberg. Italcementis Heimatmarkt sei strukturell schwierig, in Asien habe der Familienkonzern mit Überkapazitäten zu kämpfen.

Fast-Pleite bei der letzten Übernahme

HeidelCement war wegen der Hanson-Übernahme fast in die Pleite geschlittert. Kurz vor Ausbruch der Finanzkrise gab der Konzern 14 Mrd. Euro für den Zukauf aus und häufte einen entsprechenden Schuldenberg an. Mit einem eisernen Sparkurs brachte Scheifele HeidelCement wieder auf Linie - der Konzern gilt unter Analysten als der effizienteste der Branche.

Der Schuldenberg wird bis Ende des Jahres auf rund 5,3 Mrd. Euro geschmolzen sein. Den Erfolgskurs will der 57-jährige Badener nun mit Italcementi fortsetzen und mit einem "Management im Heidelberger Stil" Synergien heben und die Rendite steigern. Durch die Fusion entsteht ein Konzern mit einem Jahresumsatz von 17 Mrd. Umsatz und knapp 63.000 Mitarbeitern.

Branchenbeobachter begrüßen den Schritt

Eine Verbindung von HeidelCement und Italcementi gelte seit Jahren in der Branche als ideal, erklärte Scheifele. Geografisch ergänzten sich beide Konzerne perfekt. Denn die Italiener sind in Italien, Frankreich und Spanien stark. Die Heidelberger sind dort schwach vertreten, was Scheifele während der Euro-Krise ganz recht war.

Nun sieht er Europa im Aufwind und erhofft starkes Wachstum von Italcementis Standorten in Nordafrika. Zudem brachte die Elefantenhochzeit der französischen Lafarge und der Schweizer Holcim die Kurpfälzer unter Zugzwang. Die Position des Weltmarktführers bei Zuschlagstoffen wie Kies und Sand hätten die Kurpfälzer ohne Italcementi verloren.

Schließlich sei die Eignerfamilie Pesenti auf HeidelCement selbst mit dem Verkaufswunsch zugekommen. Ihre Familien-Holding Italmobiliare soll knapp die Hälfte des Preises für ihre 45-Prozent-Beteiligung in Aktien bekommen und dadurch mit bis zu 5,3 Prozent zweitgrößter Aktionär von HeidelbergCement werden. Einschließlich Schulden müsste der Heidelberger Konzern 6,7 Mrd. Euro für Italcementi in die Hand nehmen. Das wäre die mit Abstand größte Übernahme, die ein deutsches Unternehmen in diesem Jahr stemmt.

Stark in Südeuropa - Eckdaten zu Italcementi

Die in Italien, Frankreich und in Spanien starke Italcementi hat jahrelang Verluste geschrieben und eine harte Sanierung hinter sich. Für dieses Jahr erwartet der Konzern aus Bergamo zum ersten Mal auch unter dem Strich wieder einen Gewinn, operativ soll er bei 850 Mio. Euro vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen liegen. "Italcementi hat seine Hausaufgaben gemacht", sagte Scheifele. Ein Anstieg des Ebitda auf eine Milliarde Euro sei bis 2017 realistisch.

Eckdaten zu HeidelbergCement

Mit seinen eigenen Zahlen blieb der Dax-Konzern im zweiten Quartal hinter den Erwartungen der Analysten zurück. Von April bis Juni legte der Umsatz um gut ein Zehntel auf 3,6 Mrd. Euro zu, das operative Ergebnis vor Abschreibungen um 15 Prozent auf 752 Millionen.

Der Nettogewinn kletterte um elf Prozent auf 322 Millionen Euro. Die Wachstumsziele bis 2019 setzten die Kurpfälzer wegen der Übernahme auf mehr als 20 Mrd. Euro Jahresumsatz und einen operativen Gewinn von mehr als fünf Milliarden Euro herauf. (reuters/apa/red)