Strategie : Die Vorschau auf einen radikalen Umbau bei VW

Der Vorabend eines historischen Umbruchs sei angebrochen: Mit solch deutlichen Worten schwor er die versammelten PR-Verantwortlichen des Konzerns auf die Zukunft ein, um sie auf einen radikalen Wandel in der Automobilbranche vorzubereiten, wie das Handelsblatt berichtet. Denn waren es früher noch Toyota und General Motors, sind die neuen Konkurrenten Google und Apple - sie stellen durch Digitalisierung und Elektromobilität das etablierte VW-Geschäftsmodell infrage und wollten dem Konzern so "die Deutungshoheit in Sachen Auto streitig machen", erklärte Winterkorn den Volkswagen-Kommunikatoren.

Ein solcher Auftritt deutet stark darauf hin, wie radikal der für den Herbst fällige Konzernumbau ausfallen könnte: Eine deutliche Änderung im Geschäftsmodell und ein modernisiertes Führungsmodell zeichnen sich ab. Denn das Ziel kann es nicht mehr sein, mehr Autos als Toyota zu verkaufen, was VW kürzlich endlich erreicht hat. Ohnehin stand Martin Winterkorn als Person und sein Konzern im Vordergrund der Berichterstattung - durch die lautstarke Kritik durch den einst mächtigen Patriarchen Ferdinand Piëch fragten sich viele, wie es denn nun mit dem Konzern weitergehen wird. Das nahm Winterkorn schließlich zum Anlass, an einer umfassenden Strategie zu feilen und den Konzern neu aufzustellen. Wie das genau aussehen wird, wird wohl erst im Oktober öffentlich.

Veränderung als dominante Komponente

Doch vorab schwört Martin Winterkorn seine Mitarbeiter schon ein - so auch die Kommunikatoren bei der letzten Versammlung, die vor allem von dem Wort "Veränderung" geprägt war. Denn unter dem Motto "Change" hatten sich erstmals die PR-Verantwortlichen quer über alle Marken getroffen. Dazu waren Experten wie Paul Begala eingeladen, der ehemalige Wahlkampfmanager von Bill Clinton und Barack Obama. Dabei waren auch Google-Manager Jens Redmer oder Julie Meyer, die als Chefin von Ariadne Capital versucht, die erfolgreichsten Startups in Internet und Technologie aufzufinden.

"Große Bewährungsprobe steht bevor"

Man habe den Konzern aus dem Mittelfeld in die Champions League geführt, beschrieb Fußball-Fan Winterkorn den Status Quo bei Volkswagen. Allerdings stehe "die eigentliche, die große Bewährungsprobe noch bevor." Denn vielfältige Herausforderungen stehen vor der Tür: So seien Volatilität und Unsicherheit in Wirtschaft und Politik der neue Normalzustand, eine verlässliche Langfristplanung werde immer schwieriger, und darüber hinaus werde der chinesisch Markt herausfordernder denn je.

Doch das ist nicht alles, denn die wirklich großen Herausforderungen sind neue Konkurrenten bzw. neue Technologien. "Die Digitalisierung und die Elektromobilität stellen unser etabliertes Geschäftsmodell in Frage", warnte er in eindringlichen Worten. Für ihn gebe es keine Zweifel, dass die Automobilwelt am Vorabend eines historischen Umbruchs stehe. So drastisch hatte Winterkorn die Lage der Branche noch nie dargestellt.

Julie Meyer, die seit 16 Jahren erfolgreich Startups der Internet-Szene finanziert, führte das unweigerlich zum Vergleich zwischen David und Goliath, in der sich die Autobranche heute befindet. "Man sollte schnell die Tür öffnen, wenn ein digitaler David anklopft. Diese kleinen Tech-Firmen verändern die Industrie. Und die Goliaths, die sich dafür öffnen, erreichen ihre Ziele früher", zitiert das Handelsblatt die Managerin.

Neue Führungsstruktur?

Doch ist es möglich, mit dem bestehenden Personal solche Herausforderungen zu stemmen? Seit Wochen treten Gerüchte auf, dass VW seinen Vorstand verkleinern könnte - er soll dann vor allem für die übergeordnete Strategie zuständig sein. Die zwölf Marken sollen dazu mehr Eigenständigkeit bekommen und in vier Bereiche gegliedert werden. "Die Rolle der Zentrale ist es, die übergeordnete strategische Richtung vorzugeben, im Gegenzug sollten die Markenmanager die innovativsten Ideen für ihren Markt entwickeln", riet Songezo Zibi, Chefredakteur der südafrikanischen Wirtschaftszeitung "Business Day", Winterkorn. Der nahm die Worte dankend auf. Wohl wissend, dass sie in die von ihm angedachte Richtung gehen. Er braucht "Beweger statt Bewahrer, Mobilitätsermöglicher statt reiner Autobauer" als Manager.

Fotostrecke: Volkswagen - der Zwölf-Marken-Konzern