Volkswagen : VW-Zulieferstreit: Die sieben wichtigsten Antworten

Ein heftiger Konflikt zwischen Volkswagen und zwei Zulieferern droht zu einem echten Problem für Europas größten Autobauer zu werden. Die Kosten dürften in die Millionen gehen. Aber nicht nur für die Wolfsburger steht viel auf dem Spiel.

Volkswagen streitet sich vor Gericht mit zwei Zulieferern. Kurzarbeit in Emden in Deutschland, Produktionsstopp auch beim Verkaufsschlager Golf im Stammwerk Wolfsburg - Mitarbeiter und Kunden sind verunsichert.

Fast 30.000 Beschäftigte können nicht wie gewohnt arbeiten, weil die Firmen Car Trim und ES Automobilguss keine Bezüge für Autositze und Getriebegehäuse liefern. Auch VW-eigene Zulieferwerke müssen die Produktion drosseln, damit die Lager nicht überlaufen.

Während die Hintergründe des Streits um die Lieferung von Sitzbezügen und Getriebeteilen noch unklar sind, drängen sich mehrere Fragen auf. Folgend die aktuellen Antworten.

Der Fall ist sehr selten, kommt aber vor. 1998 etwa sorgten fehlende Türschlösser bei Ford in Köln für einen Stillstand in der Produktion.

Problematisch wird es immer dann, wenn ein Zulieferer im sogenannten single sourcing die einzige Bezugsquelle bestimmter Teile ist und nicht schnell genug Ersatz gefunden werden kann.

Normalerweise meiden Zulieferer den Konflikt - so gut es geht

Der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer spricht in diesem Zusammenhang von "Fehlern" bei VW. Zulieferer vermeiden es normalerweise tunlichst, die großen Hersteller zu verärgern. Denn wer in der Branche als unzuverlässig gilt, ist oft schnell auch bei anderen Firmen unten durch.

Die beiden traditionsreichen Zulieferer aus Sachsen gehören inzwischen der in Bosnien beheimateten Firmengruppe Prevent. Hier die Details zu dieser Gruppe, die auch in Österreich Anteile an Autozulieferern hält.

Durch den Lieferstreit wird die Produktion in sechs VW-Werken in Mitleidenschaft gezogen. Fast 30.000 Beschäftigte können nicht wie gewohnt arbeiten. Auch konzerneigene Zulieferwerke von Volkswagen müssen die Produktion drosseln, damit die Lager nicht überlaufen. Hier die Übersicht der betroffenen Werke:

Wolfsburg - Im größten VW-Werk ruht von Montag bis Samstag die Golf-Produktion, etwa die Hälfte der Belegschaft von rund 20.000 Beschäftigten ist betroffen.

Zwickau - In dem sächsischen Werk stehen von Montag bis Freitag die Bänder in der Produktion von Golf und Passat still, rund 6.000 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit.

Kassel - Teilbereiche der Getriebe- und der Abgasanlagenfertigung ruhen vom 25. bis 29. August, rund 1.500 Beschäftigte können nicht arbeiten.

Salzgitter - In der Motorenfertigung gehen rund 1.400 Mitarbeitern vom 24. bis 30. August in Kurzarbeit.

Braunschweig - In der Produktion von Fahrwerksteilen und Kunststoffteilen müssen vom 22. bis 29. August rund 1.300 Beschäftigte zu Hause bleiben.

Emden - In der Passat-Fertigung sind bereits seit Donnerstag vergangener Woche rund 7.500 Beschäftigte in Kurzarbeit (bis 24. August). Dies gilt auch für 450 Mitarbeiter der VW-Tochter Sitech in Emden, die seit einiger Zeit von Car Trim keine Sitzbezüge erhält. Sitech hat nach eigenen Angaben zudem für 500 Beschäftigte an seinem Hauptsitz in Wolfsburg Kurzarbeit beantragt.

Das hängt davon ab, wie lange die Bänder stillstehen. Volkswagen selbst will sich noch nicht zu möglichen finanziellen Folgen äußern. Unter anderem sei noch nicht abzusehen, wie lange der Streit dauert und welche Maßnahmen ergriffen werden.

Modellrechnung: 410 Millionen Euro Umsatz pro Woche weniger

Klar ist: Ab kommender Woche werden in Wolfsburg und Emden pro Tag rund 3.450 Autos vorwiegend der Modelle Golf und Passat weniger gefertigt. Im ersten Halbjahr verdiente die Kernmarke Volkswagen Pkw an jedem ausgelieferten Auto vor Zinsen und Steuern im Schnitt rund 394 Euro - pro Woche wären das insgesamt knapp 7 Mio. Euro weniger operativer Gewinn. Beim Umsatz fehlen jede Woche nach dieser Rechnung 410 Mio. Euro.

Die Beispielrechnung ist aber nur ein Anhaltspunkt. Zum einen kann Kurzarbeitergeld die Kosten abfedern helfen, zum anderem kann im Nachhinein fehlende Produktion wieder aufgeholt werden. Allerdings sind entsprechende Sonderschichten wegen der Zuschläge teuer. Ob sich der Konzern über Schadenersatz etwas zurückholen kann, ist fraglich.

Experte: Schaden in zweistelliger Millionenhöhe am wahrscheinlichsten

Branchenexperte Frank Schwope von der deutschen NordLB rechnet nicht damit, dass sich der Streit noch über Wochen hinzieht. "Das Problem kann beim Ergebnis aber durchaus einen zweistelligen Millionenbetrag kosten - wenn es schlecht läuft und sich hinzieht auch dreistellig", sagt er.

Beispiele für teure Produktionsausfälle gibt es häufiger: Als nach der Erdbeben-Katastrophe von Fukushima ein Werk des deutschen Chemie- und Pharmakonzerns Merck in Japan für knapp zwei Monate ausfiel, fehlten plötzlich bei vielen Autobauern die Lacke.

Ihnen droht mitten im Dieselskandal mit Umrüstaktionen mitunter weiterer Ärger. Schon jetzt sorgen sich einige um die Liefertermine ihrer bestellten Autos, wie Händler berichten.

Wohl nicht ohne Grund: In einem Schreiben an die Händler hieß es vom VW-Vertrieb zwar, das Unternehmen rechne mit einer Entspannung der Lage. Bei einzelnen Fahrzeugen könne es aber zu Verzögerungen kommen. Falls nötig, wollen Händler und VW dafür sorgen, dass die Kunden mobil bleiben.

Von der österreichischen Porsche Holding, der VW-Generalimporteurin, hieß es gegenüber der Austria Presse Agentur, man gehe aktuell davon aus, die bereits von Händlern bestätigten Liefertermine einhalten zu können.

Bestätigte Liefertermine werden wohl eingehalten

"Wir werden alles tun, um mögliche Auswirkungen von unseren Kunden fern zu halten. Sollte es in Einzelfällen zu eventuellen Lieferverzögerungen kommen, so bitten wir schon jetzt um Entschuldigung", so Volkswagen. Darüber, wieviele Kunden in Österreich betroffen sind, gab es keine Angaben.

Viele Mitarbeiter von Volkswagen verdienen jetzt weniger, wenn Kurzarbeit beantragt wird. Die betroffenen Beschäftigten erhalten vom Arbeitgeber zwar weiter Lohn und Gehalt - aber nur für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit.

Ihr ausfallendes Netto-Entgelt wird von der deutschen Bundesagentur für Arbeit durch das Kurzarbeitergeld teils ausgeglichen: zu 60 Prozent bei Kinderlosen, zu 67 Prozent bei Beschäftigten mit mindestens einem Kind.

Der deutsche Steuerzahler muss dafür zumindest teilweise über das Kurzarbeitergeld aufkommen. Gedacht ist das Kurzarbeitergeld dafür, bei vorübergehendem Arbeitsausfall die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen und Entlassungen zu vermeiden. Deshalb soll das Instrument der Kurzarbeit helfen, spätere Kosten für Arbeitslosigkeit zu vermeiden und damit auch im Interesse der öffentlichen Haushalte zu sein.

Für die Börsianer ist der Konflikt derzeit eher "ein Problemchen"

Im Konzern sieht man das nicht so. Eine sogenannte Ad-hoc-Mitteilung an die Börse muss ein Unternehmen veröffentlichen, wenn der Aktienkurs erheblich beeinflusst werden könnte.

Aber Börsianer sehen das Zulieferproblem derzeit eher noch als Problemchen: Die Aktie reagierte kaum auf die jüngsten Nachrichten - ganz anders als beim Bekanntwerden der Dieselaffäre.

(dpa-AFX/Reuters/APA/red)

Im Bild:

Das war der 9. Industriekongress 2016 >>