Verbund-Konferenz Energy2050 : Die Schwierigkeiten von morgen erkennen

Zahlreiche Energiemanager, Techniker und Marktforscher diskutieren zur Stunde auf der „energy2050“ Fragen zu den kommenden Entwicklungen der Energiebranche. Alle zwei Jahre lädt der Verbund zur wichtigsten Konferenz der heimischen Energiewirtschaft. Das INDUSTRIEMAGAZIN und der ORF sind Medienpartner.

Der Ort der Konferenz ist das malerische Fuschl am See – doch die Verwerfungen, vor denen die Branche steht, sind gewaltig. Die angestammten Geschäftsfelder brechen weg. Die Umstellung auf Erneuerbare bringt das gesamte System an seine Grenzen. Und die Energiewirtschaft steht unter dem enormen Druck, die permanent steigende Flexibilität in der Erzeugung an ihre Kunden weitergeben zu müssen – denn ohne die großen Verbraucher in der Industrie wie auch die kleinen in den Haushalten wird ein grundlegender Umbau des Systems hin zu weniger CO2-Verbrauch nicht gelingen.

Sechs Megatrends der nächsten Jahre

Anmoderiert von den ORF-Moderatoren Birgit Fenderl und Gernot Frischenschlager tritt als erster Ray Hammond ans Rednerpult. Der Zukunftsforscher listet sechs Megatrends der nächsten 30 Jahre auf. Zunächst ist da ein massives Bevölkerungswachstum auf bald neun Milliarden Menschen, das allerdings in unterschiedlichen Teilen der Welt sehr verschieden abläuft. Auch die Energienachfrage werde sich laut Hammond in den nächsten fünf Jahren glatt verdoppeln – allen Einsparungsversuchen zum Trotz. Der zweite Megatrend ist der Klimawandel: Die Erwärmung des Planenten mit ihren katastrophalen Auswirkungen werde schon bald das beherrschende Thema der internationalen politischen Agenda werden, sagt der Zukunftsforscher.

Im direkten Widerspruch damit steht laut Hammond der dritte Trend: Die bis mindestens 2050 weiter zentrale Rolle der fossilen Energieträger. Hammond zeigt sich hier, wie mehrere andere namhafte Redner, überaus pessimistisch – ein Novum auf festlichen Veranstaltungen wie der energy2050, wo bisher Optimismus und wirtschaftsfreundliche Standpunkte vorherrschend waren.

IT als „the joker in the pack“

Bei den nächsten Megatrends zählt Hammond allerdings eher Bekanntes auf: Die Globalisierung werde ebenso voranschreiten wie die Fortschritte in der Medizin, die für eine Verlängerung der Lebenszeit um 20 Jahre sorgen werden. Schließlich sei der sechste Trend die Technologisierung und Einzug der IT in sämtliche Produktionsprozesse. Für die Energiewirtschaft berge genau das eine große Chance, so der Zukunftsforscher: Die IT sei „the joker in the pack“. Dagegen ist Hammond im Hinblick auf Atomenergie mehr als skeptisch: Ihre enormen, eigentlichen Kosten würden die vermeintlich billige Energie bis Ende des Jahrhunderts komplett verdrängen. Was den Transport und die Speicherbarkeit angeht, so sieht der Zukunftsforscher große Chancen bei Supraleitern.

Speicherbedarf allein in Deutschland von 30 GW

Nach Wolfgang Mauch von der deutschen Forschungsstelle für Energiewirtschaft und Alexander Zeh von Gfk Austria referiert ein weiterer „Berufsvisionär“, nämlich Clemens Triebel von Younicos zu künftigen Stromspeichern. Gleich zu Beginn streut Triebel seinen Zuhörern Blumen: „Es ist schwierig für mich, in Österreich vorzutragen, weil bei Euch ist alles in Ordnung. Und mein Lieblings-Atomkraftwerk steht in Zwentendorf.“

In Deutschland seien Speicherkapazitäten von 30 GW notwendig, sagt Triebel. Die derzeitige Praxis aus Negativpreis, Abregegelungen und weiterlaufender Vergütung sei absurd, so Triebel. Der Schaden belaufe sich nach unterschiedlichen Berechnungen auf bis zu drei Milliarden Euro. Speicher seien sehr dringend nötig – doch bisher im großindustriellen Einsatz immer noch weitgehend utopisch. Ein Hoffnungszeichen sei hier ausgerechnet bei der Autoindustrie auszumachen, so Triebel. Die Batterien erreichten bei Lebensdauer und Ladezyklen bereits heute erstaunliche Kapazitäten.

Analysten schließen neues Minus beim Strompreis nicht aus

Nach einer breit angelegten Podiumsdiskussion über die Kundenerwartungen an ihren Energieanbieter der Zukunft (siehe unsere Fotostrecke) referiert Ingo Becker von Kepler Cheuvreux zu der Perspektive von Analysten auf das Geschehen der Energiewirtschaft. Seine Prognose sorgt nicht gerade für Jubelstimmung unter den anwesenden Energiemanagern: Die Umstellung auf Erneuerbare werde immer stärker werden und für angestammte Versorger weiter für Schwierigkeiten sorgen – die Zeit der Stromknappheit sei vorbei, ein weiteres Absinken des Preises von derzeit 30 auf rund 20 Euro pro Megawatt nicht auszuschließen.

Echte Marktchancen mit Demand Response

David Brewster, Mitbegründer des Demand Response-Anbieters EnerNOC, bringt daraufhin eine sehr amerikanische, weil zutiefst optimistische Sicht in die Diskussion. Sein Unternehmen ist heute der größte Demand Response-Anbieter der Welt. Das Konzept dahinter: EnerNOC tritt als Vermittler zwischen dem Energielieferanten und dem industriellen Großverbraucher auf, um bei beiden die Flexibilität im Verbrauch bzw. der Erzeugung zu erhöhen. Für die Verbraucher ist die Maßnahme kostenlos, doch ihre Mitwirkung bringt ab sofort bares Geld, sagt Brewster und verweist auf das Beispiel von PJM. Dieser größte Netzbetreiber der USA konnte über Demand Response knapp zwölf Milliarden Dollar einsparen. Bei der Kapazität ist der Bedarf von 107 Gigawatt um rund ein Zehntel gesunken.

Startups kämpfen um den ersten Platz – und die Visitenkarten der Gäste

Mit einem fernsehtauglichen Format ging der zweite Tag zu Ende: Aus 50 Bewerbern wurden die besten fünf ausgewählt, die dann an diesem Abend in jeweils exakt fünf Minuten ihre Idee für ein Startup im Bereich Energie präsentieren, danach sehr kritisch befragt von einer Jury unter Vorsitz von Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber. Am Ende müssen sich die fünf Teams, zwei aus Österreich und drei aus Bayern, der Abstimmung des Publikums stellen. Obwohl zu dem Pitch auch Firmen mit einem Millionenumsatz antreten, gewinnt ein Team junger Absolventen der TU Graz um Thomas Schlegl.

Ihre Firma namens eologix sensor technology hat „Enteisungspickerl“ für Windräder entwickelt: Robuste Sensoren, die einfach auf einen Rotor geklebt werden und melden, wann die Anlage enteist werden muss – und so viele Tage Stillstand wegen Vereisung der Anlagen vermeiden helfen. Die Nachfrage ist groß: Bereits jetzt kann die junge Firma von ihrem Produkt leben, für heuer strebt Thomas Schlegl einen Umsatz von 200.000 Euro an.

Das Preisgeld von 25.000 Euro des Verbund dürfte dem Team trotzdem hoch willkommen sein – und die Kontakte mit einigen Anwesenden aus dem Publikum vielleicht noch mehr.