Chemische Industrie : Die Mehrheit der Deutschen hat Glyphosat im Urin

Eine Mehrheit der Deutschen ist einer Studie zufolge deutlich mit dem umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat belastet. Die große Mehrheit hat erhebliche Spuren des Pflanzengifts im Körper. Das geht aus einer jetzt veröffentlichten Erhebung hervor, die in der renommierten Heinrich-Böll-Stiftung vorgestellt wurde. Basis sind Urin-Proben von rund 2.000 Testpersonen.

Demnach sind die Glyphosatrückstände im Urin bei 75 Prozent der Probanden mit mindestens 0,5 Mikrogramm pro Liter fünfmal so hoch wie der Grenzwert für Trinkwasser mit 0,1 Mikrogramm pro Liter. Insgesamt ließen sich bei 99,6 Prozent der Probanden Rückstände nachweisen.

Das Pflanzengift Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Menschen kommen mit dem Herbizid über Lebensmittel, Trinkwasser oder etwa die Arbeit der Landwirtschaft in Kontakt.

Amt: "Keine Gefahr für die Gesundheit"

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Deutschland sieht jedoch keine Gefahr für die Gesundheit. Das BfR betonte, Glyphosatnachweise im Urin seien in geringen Konzentrationen zu erwarten. "Sie zeigen, dass Glyphosat, vorwiegend mit dem Urin, rasch wieder ausgeschieden wird."

Die frühere Leiterin des Instituts für Bakteriologie und Mykologie der Universität Leipzig, Monika Krüger, erklärte, dass über die nun veröffentlichte Studie hinaus weitere Untersuchungen nötig seien. Offen seien etwa Zusammenhänge zwischen einer Belastung mit Glyphosat und bestimmten Erkrankungen. Das von ihr mitgegründete Labor Biocheck-Holzhausen hatte die Proben untersucht.

Demnach haben Männer deutlich mehr Rückstände im Urin als Frauen. Kinder und Jugendliche scheinen zudem stärker belastet zu sein als andere Altersgruppen. Vegetarier und Veganer haben demnach indes weniger Rückstände im Urin.

"Uns überraschen die Werte überhaupt nicht"

Nach Angaben der Macher der Studie, der Bürgerinitiative Landwende, handelte es sich bei den Proben allerdings um sogenannte Einpunktbestimmungen - und nicht etwa um Sammelurin über 24 Stunden hinweg. Zudem sei die Datenbasis bei Kindern vergleichsweise gering gewesen.

"Uns überraschen die Werte überhaupt nicht. Sie liegen in einer Größenordnung, die wir jüngst bei unserer eigenen Langzeitmessung im Urin von 400 Studierenden gefunden hatten", sagte die Präsidentin des deutschen Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger. Der Fund von Glyphosat im Urin sei angesichts der langjährigen und intensiven Ausbringung des Mittels kaum verwunderlich.

Sehr intensive Verwendung von Pflanzengift

Krautzberger betonte: "Wichtig ist, einzelne Pflanzenschutzmittel nicht isoliert zu betrachten oder sich auf einzelne Wirkstoffe einzuschießen. Es ist der intensive Einsatz der Mittel in ihrer Gesamtheit, der ökologisch nicht nachhaltig ist."

In wenigen Tagen könnte auf europäischer Ebene über eine erneute Glyphosat-Zulassung entschieden werden. Die EU-Kommission plädierte zuletzt für eine Verlängerung bis 2031. Der Wirkstoff ist seit rund 40 Jahren auf dem Markt und steckt inzwischen in zahlreichen Pflanzenschutzmitteln. (APA/dpa)