Top-1000 Manager-Ranking : Die Anatomie der Macht

Top 1000 Ranking Manager industriemanager 2013
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Im prächtigen Herkules-Saal des Wiener Palais Liechtenstein wurden die Lampen abgedunkelt, und alle Augen richteten sich auf die Bühne. Viel Prominenz war erschienen, um die Verleihung des Kinderschutzpreises „myki“ zu erleben – Künstler, Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftstreibende. Auch die notorische Semi-Prominenz der „Seitenblicke“ war selbstverständlich da. Die Schüler der Opernschule der Staatsoper hatten in der Pause ihr Bestes gegeben, den hohen Geräuschpegel zu übersingen.

Als der letzte Gast seinen Platz gefunden hatte, betrat zur Laudatio für den Hauptpreisträger ein Mann die Bühne, den man nicht automatisch beim Thema Kinderschutz verortet hätte: Johann Marihart, der Vorstandsvorsitzende des Zucker-Riesen Agrana. Er unterstützt den Award seit Jahren. Das korrespondiert einerseits mit seinem Ruf als ausgesprochen sozial bewegter Mensch. Andererseits ist klar: Mariharts Engagement ist auch ein Teil seines Jobs.

Doch weshalb eigentlich? Warum gehört es für Manager, die Erdöl, Stahl, Zucker oder Papier verkaufen, zur Jobdescription, NGOs zu unterstützen, Vereinen beizutreten, per Twitter Meinung kund zu tun oder in die Kameras der Seitenblicke zu lächeln? Lesen Sie weiter ...

„Alle erfolgreichen Industriemanager haben eines gemeinsam“, sagt Harald Katzmair. „Sie verfügen über ein breites Portfolio an schnellen und langsamen Beziehungen.“ Der Spezialist für Netzwerk-Analyse und -Strategie und Gründer von FAS.research analysiert gemeinsam mit INDUSTRIEMAGAZIN seit nunmehr fünf Jahren das Machtgefüge der heimischen Industrie. (Alle Ergebnisse des Rankings 2013 finden Sie in unserer Datenbank.)

„In den Netzwerken herrschen bestimmte Kräfte, die man mobilisieren kann“, erklärt Katzmair. Über die Medien etwa kann man in relativ kurzer Zeit vieles in Gang setzen, während politische Verbindungen – deren Ziel letztlich ja die Einflussnahme auf die Gesetzgebung ist –, deutlich längere Zyklen übergreifen. Die Mitgliedschaft in Vereinen wie Rotary oder den Freimaurern ist im Normalfall eine lebenslange, aber eben auch eine nachhaltige. Die „Mitgliedschaft“ bei einer Facebook-Kampagne hingegen dauert manchmal nur einen Tag. Das Portfolio all dieser Kräfte, so Katzmair, ergibt die Standfestigkeit und die Entwicklungsfähigkeit eines Managers. Wer in möglichst vielen Bereichen über Beziehungs-Kapital verfügt, ist resilienter und damit auch strategie- und handlungsfähiger als jemand, der ausschließlich Kontakte zu Medien hat oder sein Netzwerk nur über Vereins-Mitgliedschaften definiert.

Für das aktuelle Ranking der Top-1000 Industriemanager schlüsselte FAS.research das Beziehungsgefüge der heimischen Industrie-Elite erstmals detailliert nach diesen „langsamen“ und „schnellen“ Faktoren auf. Exemplarisch wollen wir an dieser Stelle das Beziehungsgeflecht von sechs der einflussreichsten heimischen Industriemanager sezieren. Lesen Sie weiter ...

Gerhard Roiss steht nicht im Ruf, ein Partylöwe zu sein. Der Vorstandsvorsitzende der OMV gilt als äußerst zurückhaltend, wenn es um Kontakte geht, die nicht unmittelbar mit seiner Funktion zu tun haben. Dass er im Interview betont, wie wichtig ihm die Trennung von Freundschaft und Beruf sei, entspricht diesem Bild. Ginge es nur nach der Dimension „Vernetzung“, so landete Gerhard Roiss im Ranking auf dem 14. Platz – die Top-Platzierung verdankt er dem Umstand, dass er CEO des mit Abstand umsatzstärksten Unternehmens der Republik ist.

Das Beziehungsportfolio von Gerhard Roiss im Detail: Neben seiner Funktion als OMV-Chef und als Aufsichtsratsvorsitzender zweier OMV-Töchter bekleidet Roiss Funktionen in der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer sowie in der internationalen Vereinigung der Öl- und Gas-Produzenten, OGP. Und auch, wenn er im Interview meint, für Engagements in klassischen Vereinen wenig Zeit zu haben: Gerhard Roiss ist Vorstand der Österreichisch-Rumänischen Gesellschaft, der Gesellschaft der Freunde der Österreichischen Nationalbibliothek sowie der Gesellschaft der Freunde von Ephesos – durchwegs „langsame“ Beziehungen also, deren Benefits höchstens mittelfristig schlagend werden. Den „schnellen“, den kurzfristigen Netzwerken entzieht sich Gerhard Roiss vollkommen. Zwar tauchte er gut gelaunt bei der VIP-Party zur Linzer Klangwolke auf. Auch bei der Lotterie-Galanacht des Sports konnte man den OMV-Chef im ORF eine lange Nacht erleben sehen – doch beides ist mehr als zehn Jahre her. Seitenblicke-Präsenz seit damals: null.

Dass er seine Netzwerke für seine berufliche Funktion pflegt und nicht für sein persönliches Fortkommen, macht er im Interview sehr deutlich. Mit der Tatsache, nicht primär als der Mensch Gerhard Roiss umworben zu sein, sondern als der mächtige OMV-Boss, kann er „sehr gut leben“. Daran tut er auch gut. Denn Netzwerke – auch jenes von Gerhard Roiss – entstehen fast immer über die Ressourcen, über die verfügt wird. „Es handelt sich also um geliehene Macht“, sagt Netzwerkanalyst Harald Katzmair. „Die Ressourcen sind geborgt, und damit sind es auch die Beziehungen. Die Macht selbst verbleibt letztlich immer im Netzwerk.“ Lesen Sie weiter ...

Das Kind hat eine Stimme, die Kritiker regelmäßig zu hymnischen Formulierungen veranlasst. Als der St. Florianer Sängerknabe Alois seine CD „Alois – unerhört“ präsentierte, lauschte auch Voestalpine-Chef Wolfgang Eder dem wunderbaren Sopran. Der ausgewiesene Kunst- und Klassik-Liebhaber folgte natürlich nicht nur seinem Musikgeschmack – er pflegte Beziehungen.

Wenn es ein Beispiel für die optimale Mischung eines Netzwerk-Portfolios gibt: Wolfgang Eder verkörpert sie. Der Top-Manager deckt idealtypisch langsame und schnelle, regionale und überregionale Bereiche ab. Neben mehreren Führungspositionen in der Voestalpine-Welt verbindet ihn der Aufsichtsrats-Sitz in der Oberbank mit einem der wichtigsten Netzwerk-Knoten der heimischen Wirtschaft. Starke politische Bande bilden seine Funktionen in der österreichischen und der oberösterreichischen Industriellenvereinigung sowie in der worldsteel Association, zu deren Vizepräsidenten er vor wenigen Wochen gewählt wurde. Da kann er verschmerzen, dass er die Präsidentschaft der Europäischen Stahlvereinigung ab Jahresende abgeben wird. Seine Mitgliedschaften beim Lions Club und beim Union Yacht Club Attersee decken den langsamen, regionalen Bereich ab.

Hinzu kommt, dass Wolfgang Eder den schnellen Event-Bereich sehr gut beherrscht: Seine kultivierte Art, sich nicht in den Vordergrund zu drängen und die penible Auswahl der Events lässt Auftritte in den Seitenblicken – im Gegensatz zu manchem Kollegen – niemals peinlich geraten. Die Ars electronica, die Klangwolke, die Global Champions Tour oder das Fundraising-Dinner zur Wiedererrichtung der Kunstkammer sind allesamt High-class-Events, die den Voestalpine-Chef öffentlich in Erscheinung treten aber niemals in die Adabei-Ecke rücken lassen.

Eine Attitüde, die sich auch in den schnellsten Bereichen spiegelt: Voestalpine-Kommunikationschef Gerhard Kürner bloggt und twittert ausgesprochen intensiv – und zwar im Namen seines Unternehmens und nicht seines Chefs. Wenn Wolfgang Eder einmal selbst in die Tasten greift – wie etwa im Zuge der Twitter-Debatte von worldsteel im Jänner –, kann man allerdings sicher sein, es auch wirklich mit ihm zu tun zu haben. Lesen Sie weiter ...

Christian Kerns Netzwerk ist ähnlich wie jenes von Voestalpine-Chef Wolfgang Eder extrem breit und ausgeglichen. Neben dem enormen Umsatz der ÖBB hieven ihn Aufsichtsrats-Mandate in sechs ÖBB-Tochtergesellschaften, davon drei Mal als Vorsitzender des Gremiums, sowie die starke politische Vernetzung (ein Vorstandssitz in der Wiener Industriellenvereinigung sowie die Präsidentschaft in der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen, CER) unter die Top 3 des Rankings. Den „langsamen“ Bereich deckt der Profi-Netzwerker unter anderem mit der Mitgliedschaft bei den Rotariern ab, und er engagiert sich, wie auch Gerhard Roiss, in der Gesellschaft der Freunde von Ephesos. Ausgesprochen gut vernetzt ist Kern auch im Event-Bereich. Das Forum Alpbach oder der Jägerball seien hier stellvertretend genannt für die zahlreichen Veranstaltungen, die er regelmäßig besucht.

Den möglicherweise spannendsten Netzwerkknoten in Christian Kerns Beziehungsgeflecht bildet ein Fußballklub. Gemeinsam mit Johann Sereinig, Josef Pröll oder Heimo Scheuch sitzt auch der ÖBB-Vorstand im Führungsgremium der Wiener Austria. Christian Kern verkörpert mit dieser Mischung perfekt, was Harald Katzmair als „Risikovorsorge“ definiert: Ein breites Beziehungs-Portfolio, das die Risiken einer sich immer schneller verändernden Umgebung so weit wie möglich minimiert. Lesen Sie weiter ...

Der Mann bleibt das ewige Phänomen der heimischen Industrie. Veit Sorger hat sich aus dem operativen Geschäft längst zurückgezogen (was sich im Ranking mit Rang 26 bei der Dimension „Umsatz“ spiegelt) und bleibt dennoch einer der zentralen Knotenpunkte der österreichischen Industrie. Für einen Netzwerk-Analytiker ist das beinahe beängstigend breite Portfolio des 71-Jährigen ein Anlass zu schwärmen: „Das ist wirklich Old-school im allerbesten Sinne“, kommentiert Harald Katzmair. Das Firmenbuch listet Veit Sorger als Mitglied von nicht weniger als acht Aufsichtsräten, darunter Schwergewichte wie Semperit, Mondi, Lenzing, Binder + Co oder Constantia Industries.

Daneben sitzt er im Vorstand von drei Privatstiftungen, ist Mitglied bei den Rotariern, Vorstand des Vienna Economic Forum und Mitglied des Vereins der Freunde des Sigmund Freud Museums. Im vergangenen Frühjahr wurde Veit Sorger zum neuen Vorsitzenden des Universitätsrats der TU Wien gewählt, was den langsamen, regionalen Quadranten seines Netzwerk-Portfolios weiter verstärkt. Geradezu legendär ist Veit Sorgers Zug zur Rampe: Nur sehr wenige Industrie-Manager bringen es auf eine solche Zahl an Auftritten bei Seitenblicke-Events.

Für Harald Katzmair zählt der langjährige Präsident der Industriellenvereinigung zu den besten Netzwerkern des Landes: „Es gibt nur noch wenige Industrie-Manager, die so perfekt auf dieser Klaviatur spielen.“ Was auch daran liegen mag, dass Sorger einer Manager-Generation angehört, in der es üblich war, Spitzenleute gezielt vom Tagesgeschäft zu entlasten, um sie für die Pflege des Netzwerks freizuspielen. Lesen Sie weiter ...

Die ganze Kraft seines Netzwerkes kann ermessen werden, wenn man die Umsatz-Dimension betrachtet: Wolfgang Anzengruber belegte im INDUSTRIEMAGAZIN-Ranking, ginge es alleine um die Einnahmen der von ihm geführten Unternehmen, nur Rang 40. Bei der Vernetzung liegt er unter den Top Vier. Der Chef des Stromriesen Verbund AG sitzt im Aufsichtsrat von vier Unternehmen – darunter ist mit der Palfinger AG auch ein wichtiger Player, der nicht in den Energie-Bereich fällt.

Besonders stark vernetzt ist Anzengruber in der Ranking-Dimension „Community“: Der 57-Jährige ist Vorstands-Mitglied der Deutschen Handelskammer in Wien – wo er unter anderem auf Wolfgang Hesoun oder Wolfgang Porsche trifft –, teilt sich den Vorstand der Gesellschaft der Freunde der Österreichischen Nationalbibliothek mit Gerhard Roiss, ist Mitglied gleich zweier Rotary-Clubs sowie des Österreichischen Cartellverbandes. Engagiert ist der Verbund-Chef weiters bei respACT sowie der aufgrund seiner hochgradig exklusiven Mitgliederliste notorischen Gesellschaft der Freunde von Ephesos. Spitzenfunktionen in der Industriellenvereinigung und bei Oesterreichs Energie sorgen für starke Drähte in den politischen Bereich.

Besonders gut vernetzt ist Wolfgang Anzengruber im wissenschaftlichen Bereich: Austrian Mobile Power, WIFO, WU Executive Academy – potente Netzwerkknoten, die ihn in Kontakt mit zahlreichen Industrie-Größen bringen. Er besucht zahlreiche Events wie das Forum Alpbach oder die Salzburger Festspiele, und wenn er dann noch am Tarockturnier in Helfenberg teilnimmt, schließt Anzengruber die letzte Lücke, um das Portfolio perfekt zu machen. Und die Voraussetzung zu erfüllen, die Harald Katzmair als zentral für ein starkes, auch langfristig belastbares Netzwerk nennt: „Es geht für Industrie-Manager nicht nur darum, das Potenzial umzusetzen – es geht vor allem auch darum, das Potenzial immer wieder zu erneuern, sich mit ihm zu entwickeln.“ Lesen Sie weiter ...

Monika Kircher ist die am besten Vernetzte Frau im (maskulinen) Netzwerk der heimischen Industrie. Die Vorstandsvorsitzende von Infineon liegt im Umsatz-Ranking nur auf Platz 55 – ihre Vernetzung katapultiert sie (als einzige Frau) unter die Top Ten. Kircher ist Aufsichtsratsvorsitzende der Kärntner Energieholding und hält Mandate bei der Kelag, bei Siemens und der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Für exzellente politische Verbindungen sorgen Führungspositionen in der Kärntner und der Österreichischen Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammer Kärnten und der WKÖ. Über die Kuratoriums-Mitgliedschaften in der FH Kärnten und im WIFO pflegt die Infineon-Chefin Kontakte zur Wissenschaft.

Darüber hinaus ist Monika Kircher Mitglied eines erstaunlich zentralen Netzwerkknotens der heimischen Industrie: Im Vorstand der Gesellschaft der Freunde der Österreichischen Nationalbibliothek trifft sie auf Industrie-Größen wie Siemens-Vorstand Wolfgang Hesoun, OMV-Chef Gerhard Roiss oder Verbund-Boss Wolfgang Anzengruber.

Aktiv ist Monika Kircher auch im Event-Bereich. Sie beweist allerdings, betrachtet man die von den „Seitenblicken“ gecoverten Veranstaltungen, durchwegs Geschmack – wie alleine die Titel der Sendungen bezeugen: Diskussionen zu „Wenn Unternehmer nicht die Guten sind“ oder „Die Kraft des Scheiterns“ sind Zeichen eines „Event“-Verständnisses auf höchstem Niveau.