Hintergrund : Der Krimi um Rumäniens Holz

Frische, klare Spuren eines jungen Bären zeichnen sichauf dem weichen Waldboden ab. Angst brauchen Wanderer im Naturpark Apuseni aber nicht zu haben, denn die wilden Tiere suchen in dieser vom Massentourismus verschonten Region das Weite, wenn sie Menschen auch nur riechen. Angst hat der Bauer trotzdem. Aber nicht vor Bären, sondern vor der Holzmafia.

Er will seinen Namen nicht gedruckt sehen, weil die Polizei gegen ihn und andere Bauern ermittelte, nachdem sie vor einem Jahr aus Protest gegen die Rodungen Holztransporte blockiert hatten. Die Ermittlungen wurden eingestellt, aber die Verunsicherung bleibt.

Rumäniens Wald-Krimi

In Rumäniens Wäldern geht es zu wie in einem Krimi. Von den 6,6 Millionen Hektar Wald verschwinden nach Schätzung von Greenpeace stündlich drei Hektar. Seit der Wende vor 25 Jahren wurden es nach Angaben des rumänischen Rechnungshofs fast 400.000 Hektar weniger. Etwa die Hälfte des Bestandes befindet sich in Privatbesitz, nachdem Flächen, die von den Kommunisten enteignet worden waren, an die früheren Besitzer oder deren Nachkommen zurückgegeben wurden.

Der frühere Polizist Florin Cadar ist nur um die Neujahrszeit zu Hause im siebenbürgischen Toplita anzutreffen. Das liegt daran, dass er in einem Schlachthof im fernen Norddeutschland arbeiten muss. Es ist der bittere Preis dafür, dass er sich früher als Polizist mit der Holz-Mafia anlegte, wie er sagt. Er habe nämlich konsequent alle illegalen Wald-Rodungen in seinem Revier angezeigt - etwa zehn bis 20 Fälle im Jahr. Das brachte ihm Ärger mit den Vorgesetzten ein. Diese arbeiteten mit den Holzdieben zusammen, sagt Cadar. Ein Bericht des Umweltaktivisten Hans Hedrich gibt ihm recht.

Drohanrufe und mögliche Brandstiftung

2010 wurde Cadar wegen Diebstahls von sechs Baumstämmen zu zwei Jahren Haft verurteilt. Aufgrund gekaufter Zeugenaussagen, wie er sagt. Als er ein Jahr abgesessen hatte, bescheinigte ihm die Forstverwaltung, dass es den betreffenden Diebstahl gar nicht gegeben habe. Seine Ehefrau legte das entsprechende Dokument bei Gericht vor. Daraufhin bekam sie Drohanrufe von Unbekannten, die verlangten, sie solle das Papier wieder zurückziehen. Sie tat es nicht. Einen Tag später brannte Cadars Garage samt Auto. Wer die Brandstifter waren, blieb unklar.

Cadar kam zwar vorzeitig frei, seinen Job bei der Polizei bekam er aber nicht zurück. "Ich habe gesehen, wie das Schmiergeld in weißen Bastsäcken gebracht wurde. Polizisten und Förster sind reich geworden. Früher hatten sie nicht einmal Geld für Zigaretten, heute fahren sie BMWs", sagt er.

Vorwürfe gegen heimischen Holzverarbeiter

Umweltschützer werfen der österreichische Firma Holzindustrie Schweighofer vor, den Anreiz für das massive illegale Abholzen geschaffen zu haben. Die Firma ist in Rumänien seit 2002 präsent, kauft das meiste Nadelholz auf und zahlt am besten dafür. Vor kurzem veröffentlichte die US-Umweltschutzorganisation EIA ein Video, das belegen soll, dass Schweighofer in Rumänien illegal geschlagenes Holz kaufe. Der EIA-Chef Alexander von Bismarck hatte sich gegenüber Mitarbeitern von Schweighofer als Holzhändler ausgegeben, der schwarz gefällte Bäume zu verkaufen habe. Er filmte diese Gespräche mit versteckter Kamera. Es war nicht der erste derartige Coup des weltweit aktiven Bismarck. Schweighofer wies die Vorwürfe zurück, bezeichnete die Video-Ausschnitte als "aus dem Zusammenhang gerissen" - versprach aber zugleich interne Kontrollen und suspendierte einen der verdächtigen Mitarbeiter vom Dienst. Neben Schweighofer sind mit Kronospan und Egger auch weitere österreichische Unternehmen stark in Rumänien engagiert.

"Bei uns ist die Überprüfung der Herkunft des Holzes nicht nur eine Verpflichtung, sondern geradezu eine Religion". Gleich zweimal sagt Dan Banacu diesen Satz. Er ist Direktor der Schweighofer-Fabrik im ostrumänischen Comanesti. Hier stellen 750 Angestellte aus Tannenholz-Resten Tischlerplatten her, wie man sie von Ikea-Regalen kennt. Jeder Holzstapel trägt ein Etikett mit einem Code, über den man laut der Firma die Herkunft des Materials zurückverfolgen kann. Rund 80 Prozent der Produktion wird exportiert, darunter auch in die USA, nach Japan und Saudi-Arabien. Fünf Fabriken hat die Firma in Rumänien, die letzte wurde vor kurzem im siebenbürgischen Reci gebaut. Das Unternehmen auf Expansionskurs beschäftigt in Rumänien 2.500 Menschen, durch die neue Fabrik sollen es rund 3.150 werden.

Die Firma schmückt sich mit dem FSC-Zertifikat, das Umweltschutzvereine Holzfirmen verleihen, die nicht nur die Gesetze respektieren, sondern auch weitere Umweltauflagen erfüllen. Ob Schweighofer nach den EIA-Vorwürfen das FSC-Zertifikat behält, solle nun geprüft werden, teilte die dafür zuständige, in Großbritannien ansässige Soil Association auf Anfrage der deutschen Presseagentur dpa mit.

Kommt neues Forstgesetz?

Der Fall Schweighofer ist in Rumänien seit Monaten ein heiß umkämpftes Politikum. Staatspräsident Klaus Iohannis hat im März dieses Jahres ein neues Forstgesetz, das Schweighofer benachteiligt, zur Neuberatung an das Parlament zurückgeschickt. Darin ist vorgesehen, dass eine einzelne Firma nicht mehr als 30 Prozent des legal verfügbaren Bestands einer Baumspezies verarbeiten darf. Das reicht aber nicht zur Auslastung von Schweighofers Verarbeitungskapazitäten, die doppelte Menge wäre nötig. Bisher hat die Firma in Rumänien auch Holz aus Polen, der Ukraine und Russland verarbeitet. Nun aber will sogar die krisengeschüttelte Ukraine den Holzexport schrittweise ab 2016 und 2017 verbieten - ein bereits beschlossenes Gesetz wartet nur noch auf die Unterschrift des Staatschefs in Kiew.

Aus Sorge um die Verfügbarkeit von Holz hatten Schweighofer und die österreichische Botschaft im Herbst 2014 in Briefen an die sozialistische Regierung Rumäniens gegen den Gesetzesentwurf protestiert. Ihr Argument, das auch Präsident Iohannis sich zu eigen machte: Die Begrenzung der Holzquote für die Unternehmen verletze das EU-Wettbewerbsrecht. Auf Anfrage der dpa wollte sich bei der EU-Kommission niemand dazu äußern.

Schweighofer droht mit Rückzug und Jobabbau

Wegen des umstrittenen Forstgesetzes droht Schweighofer der dortigen Regierung mit einem Rückzug. Bis zu 3.000 Arbeitsplätze wären dann in Gefahr. Gegenüber der APA bekräftigte eine Sprecherin, dass "die Auswirkungen des Gesetzes nicht absehbar sind". Es könne natürlich sein, dass Stellen abgebaut würden. Die Holzindustrie Schweighofer hat in Rumänien derzeit 2.670 Mitarbeiter, bis Ende des Jahres sollen es mehr als 3.000 sein.

Die Sprecherin von Schweighofer betonte nun, dass es in dem an die Öffentlichkeit gelangten Brief vorwiegend um die befürchtete Wettbewerbswidrigkeit des Forstgesetzes gegangen sei. Das Gesetz sieht in einem Artikel vor, dass ein Unternehmen nur mehr 30 Prozent einer Holzsorte verarbeiten darf. Schweighofer steht bei rund 27 Prozent, plant aber ein weiteres Sägewerk.

Aus Sicht von Schweighofer ist die Debatte in Rumänien aus den Fugen geraten. Neben einem Video-Statement von Firmenchef Gerald Schweighofer zu den Vorwürfen wurde auch ein offener Brief an den rumänischen Sicherheitsrat CSAT geschrieben. Darin heißt es: "Eine Realisierung dieses Artikels könnte uns veranlassen, Mitarbeiter zu entlassen." Im Brief an Ponta hieß es noch, das Gesetz könnte dazu führen, "alle Mitarbeiter zu entlassen".

Rumäniens Staatschef büßt Sympathien ein

Mit seinem scheinbaren Einsatz für Schweighofer hat der bisher sehr beliebte Staatschef Iohannis Sympathien eingebüßt. "Wir haben Iohannis vertraut, aber er hat uns verraten", sagt der Holzunternehmer Dragomir Morcan aus dem westrumänischen Campeni. Früher hatte Morcan 20 Angestellte, jetzt nur noch zwei. Das liege daran, dass Schweighofer so gut wie das ganze Holz aufkaufe und die Preise in die Höhe getrieben habe. Drei kleinen Möbelfabriken aus Campeni mit insgesamt 500 Angestellten droht das Aus, weil sie sich das Nadelholz, das jetzt doppelt so teuer ist wie vor zehn Jahren, kaum noch leisten können. Diese drei Unternehmen konsumieren zusammen pro Jahr weniger Holz als Schweighofer in der neuen Fabrik an einem Tag verarbeiten wird.

Bauern benachteiligt

Campeni ist das Herz der strukturschwachen Region im Apuseni-Gebirge. Außer Bergbau, Vieh- und Holzwirtschaft in kleinem Stil gab es hier jahrhundertelang nichts. Der Bergbau ist im Niedergang und vor einem Jahr hat die Regierung den kleinen Bauern auch noch den Zugang zum Holz versperrt. Sie schaffte eine speziell in der Apuseni-Region geltende Regelung ab, der zufolge die Bauernfamilien im Staatsforst jeweils bis zu 15 Kubikmeter Holz pro Jahr fällen durften und dafür nur die Hälfte des Marktpreises bezahlen mussten.

Dieses Holz diente dem traditionellen Handwerk: Es wurde zu Fässern, Zubern, Zäunen und Geschirr verarbeitet. Schon die Habsburger, zu deren Reich diese Region bis 1918 gehörte, hatten sich mit dieser Regelung die Loyalität der Apuseni-Bauern gesichert. Jetzt darf hier keine Privatperson auch nur einen Ast aus dem Wald holen. Die vielen kleinen Sägewerke an den Hängen der Apuseni sind verwaist, während Karawanen von Lastwagen mit hochmodernen Kränen das Holz in die Fabriken der Großunternehmen bringen.

Notruf für illegale Holztransporte

Zwar gibt es Bemühungen, den Holzdiebstahl unter Kontrolle zu bekommen. Seit Herbst 2014 müssen Holztransporte digital registriert werden. Jedermann kann über den Notruf "112" mit Baumstämmen beladene Lastwagen melden und auf elektronischem Wege prüfen lassen. Tausende Anzeigen gingen daraufhin ein, doch kaum eine führte zu strafrechtlichen Konsequenzen. Außerdem kann auch dieses System nicht verhindern, dass korrupte Beamte für illegal geschlagenes Holz digitale Transportgenehmigungen erteilen.

Der Umweltschützer Gabriel Paun vom Verein "Agent Green" stellt fast wöchentlich neue Videoberichte über aktuelle illegale Rodungen ins Netz, darunter auch aus dem Urwald des Naturparks im südwestlichen Retezat-Gebirge. In einem dieser Filme taucht ein Informant von Paun auf, ein Förster. Obwohl sein Gesicht unkenntlich gemacht wurde, hätten ihn seine Kollegen erkannt und ihm "Verrat" vorgeworfen, erzählt der Mann. Er habe nun allen Mut verloren.

Politiker vermuten Holzmafia

Mulmig zumute ist auch Dezsö Garda im siebenbürgischen Gheorgheni, dem Haupt-Siedlungsgebiet der ungarischen Minderheit in Rumänien. Der frühere Abgeordnete der Ungarn-Partei UDMR hat sein ganzes Politikerleben der Waldproblematik gewidmet - und ist dafür, wie er sagt, aus seiner Partei hinausgeekelt worden. Beim Treffen in einem Cafe flüstert er plötzlich unruhig: "Wir müssen woanders hingehen, die Leute am Nebentisch sind Mafiosi. Sie beobachten uns." Er hat vor Jahren einen schweren Autounfall überlebt - Ursache waren Manipulationen an der Steuerung seines Dienstwagens. Garda vermutet die Holzmafia dahinter. Geklärt wurde es nie.

Garda stellte mehr als 200 parlamentarische Anfragen, die kriminelle Rodungen und dubiose Wald-Restitutionen betrafen. Holz ist hochpolitisch. Sogar für den ethnischen Frieden in Rumänien spielt es eine Rolle. Die rumänischen und ungarisch-stämmigen Mafiosi würden - mit politischer Unterstützung - einträchtig vom illegalen Kahlschlag profitieren, sagt Garda. "Immer war die Besetzung der Chefposten der Forstämter eines der wichtigsten Themen bei Koalitionsverhandlungen zwischen UDMR und den rumänischen Partnern." Von 1996 bis 2014 regierte die Ungarn-Partei UDMR fast lückenlos in Bukarest mit und war wegen knapper Mehrheitsverhältnisse stets ein heftig umworbener Koalitionspartner.

Schwere Vorwürfe gegen die staatliche Forst-Holding Romsilva erhebt auch der Vorsitzende des Vereins der Waldbesitzer "Nostra Silva", Rechtsanwalt Bogdan Tudor: "Romsilva ist durch und durch politisiert. Das dort ankommende Schmiergeld fließt in den Wahlkampf der Parteien." Der Präsident von Romsilva, Adam Craciunescu, steht derzeit wegen Beihilfe zu illegalen Wald-Restitutionen vor Gericht - zusammen mit einflussreichen sozialistischen Politikern. Deren Parteifreund, Ministerpräsident Victor Ponta, denkt gar nicht daran, den Romsilva-Chef abzusetzen. (apa/dpa)