Industrienormen : Der große Wurf?

Normengesetz Entwurf
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Über 90 Stellungnahmen gingen zum Entwurf zum Normengesetz des Wirtschaftsministeriums bis Anfang August im Präsidium des Nationalrats ein – annähernd so viele, wie zum Entwurf des Steuerreformgesetzes. Unter die grundsätzliche Genugtuung, dass ein Gesetz aus den Siebzigern nun endlich einer Überarbeitung zugeführt wird, mischt sich auch Skepsis und Kritik – vor allem aus der Industrie. Und das nicht zu knapp, wie Bundesminister Mitterlehner feststellen musste. "Im Grundsatz begrüßen wir die Überarbeitung", lässt etwa der Beschlägehersteller Julius Bum wissen – um im nächsten Satz mitzuteilen: Um dieses "an die geänderten Rahmenbedingungen" anzupassen, sei der vorliegende Entwurf "nicht geeignet". Ein Fazit, dass auch beim Stahlerzeuger Voestalpine gezogen wird: dafür sei er "nicht geeignet".

Finanzierungslücke?

"Da ist wohl einiges danebengegangen", kommentiert man den Gesetzesentwurf am heimischen Normungsinstitut ASI trocken. Penibel rechnet das Normungsinstitut in seiner eigenen Stellungnahme vor, wie sich der Entwurf finanziell nachteilig auf das Gebaren des Vereins auswirken würde. In Summe sollen es 3,2 Millionen Euro pro Jahr sein, die einem da entgingen. Der schwerste Brocken: Der Entfall des Teilnahmebetrags an der Normung. Minus 1,7 Millionen Euro jährlich wären das. Was die Geschichte für das ASI-Präsidium nicht angenehmer macht: Ein Lenkungsgremium, in dem Bund und Länder sitzen, könnte künftig beim BMWFW eingerichtet werden. Deren Aufgabe: Unter anderem die regelmäßige Evaluierung der österreichischen Normungsstrategie im Hinblick auf aktuelle nationale sowie internationale Anforderungen. Aber auch: Koordinierung öffentlicher Interessen. Die Gefahr, dass Normen zu "politischen Spielbällen" verkommen würden, wäre "groß", glaubt man bei einem Industriebetrieb.

Macht und Einfluss

Dass der Vorstoß, die Normungsorganisation für die Mitarbeit an der Normung künftig wieder keinen Kosten- oder Teilnahmebetrag einheben zu lassen, nicht mehr Anklang in der Industrie fand, überrascht auch nur auf den ersten Blick: Denn gleichzeitig wird im Gesetzesvorschlag festgehalten, dass Rechtsträger, die die Schaffung einer nationalen Norm beantragen, die "kalkulierten Kosten dieser Norm im Vorhinein an die Normungsorganisation zu entrichten haben." "Die vorgesehene Form der Finanzierung eines Normvorhabens würde es großen Konzernen ermöglichen, mehr Einfluss beim Entstehen von Normen zu nehmen", befürchtet ein Mittelständler. Nachsatz: "Dies würde das gesamte Normgeschehen in Frage stellen." Im Ministerium sichte man schon jetzt die eingelangten Stellungnahmen, heißt es dort auf Anfrage. Unter anderem werde es "Klarstellungen in den Begriffsdefinitionen zur Trennung der internationalen und europäischen Normen von jenen rein nationalen Ursprungs geben, um international urheberrechtliche Bedenken auszuräumen." Am Zug sind jetzt jedenfalls die EU-Kommission und die anderen EU-Mitgliedstaaten – das Notifizierungsverfahren läuft noch und im Fall des Einlangens einer ausführlichen Stellungnahme würde das Gesetzgebungsverfahren verzögert werden, heißt es im Wirtschaftsministerium.