Automobilindustrie : Daimler lässt die Roboter-Trucks frei

Ein Zelt, irgendwo in der Wüste nahe Las Vegas. Mitten in der Einöde steht Daimlers Hoffnungsträger. Verborgen unter einer Plane zeichnen sich Konturen eines Lastwagens ab. "Alle, die heute hier sind, werden Zeugen, wie Geschichte geschrieben wird", kündigt Daimler-Lkw-Chef Wolfgang Bernhard an. Dann überreicht ihm Nevadas Gouverneur Brian Sandoval zwei Nummernschilder und ein Fahrzeug wird enthüllt, das die Transportwirtschaft verändern soll.

Hinter der feierlichen Zeremonie in Nevada verbirgt sich eine Weltpremiere: Die erste Zulassung selbstfahrender Lastwagen im öffentlichen Straßenverkehr. Präsentation und Testfahrt auf dem US-Highway 15 sind nur der Anfang.

Künftig dürfen zwei autonom fahrende Lastwagen des zur US-Tochter Daimler Trucks North America gehörenden Lkw-Herstellers Freightliner Nevadas Verkehrsnetz regulär nutzen. High-Tech-Ausstattung wie Radarsensoren und Stereokameras sowie Assistenzsysteme wie Abstandsregler sollen für Sicherheit sorgen. "Damit haben wir einen Meilenstein erreicht", sagt Bernhard. Das nächste Ziel sei, die Technik in Deutschland zu testen. "Die Vorbereitungen laufen."

In Deutschland undenkbar

Im vergangenen Sommer hatte Daimler hierzulande bereits einen autonomen Lkw vorgeführt - allerdings auf einem abgesperrten Teilstück der A 14 bei Magdeburg. Doch zum Erstaunen des US-Fachpublikums setzte der Autoriese dann auf Amerika. Das hat gute Gründe. Auf privaten Fabrikgeländen sind selbstfahrende Nutzfahrzeuge zwar schon längst Realität. Im öffentlichen Straßenverkehr ist das rechtlich aber noch unvorstellbar - zumindest in Deutschland. Erst gestern hatte etwa der Chef der Forschungsabteilung, Thomas Weber, gesagt, Autos völlig ohne Fahrer werde es auf deutschen Straßen nicht vor 2030 geben.

In den USA sind die Regeln hingegen lockerer. So unterscheidet Nevada nicht einmal zwischen Test- und Normalbetrieb. Bis der Roboter-Truck Alltag wird, dauert es aber auch dort noch lange. "Es bleibt unser Ziel, den Highway Pilot Mitte des kommenden Jahrzehnts in Serienfahrzeugen anbieten zu können", sagt Daimler-Trucks-Manager Martin Daum.

Als eines der wichtigsten Argumente für autonomes Fahren gilt die hohe Unfallgefahr durch menschliches Versagen. Studien beziffern die Verkehrstoten in den USA auf 31.000 und in Europa auf 26.000 pro Jahr. Die Beratungsfirma Roland Berger geht davon aus, dass Automatisierte Fahrsicherheits-Kontrollsysteme die bei Lkws häufigen Auffahrunfälle um mehr als 70 Prozent verringern können.

Für die Wirtschaft hätte es ebenfalls große Auswirkungen, wenn sich autonome Lastwagen durchsetzen würden. Ein Großteil des Transportwesens - in den USA über 70 Prozent - wird mit Lastwagen abgewickelt. Durch digitale Vernetzung würden Verkehrshindernisse wie Staus antizipiert und Routen automatisch angepasst. Die Spritkosten könnten so laut Studien um acht bis 14 Prozent gesenkt werden.

Mehr Zeit für produktive Arbeit

Der zweitgrößte Kostenfaktor im Truck-Geschäft sind die Gehälter. "Der Fahrer wird aber noch mindestens für die nächsten zehn Jahre in der Kabine mit dabei sein", heißt es in der Analyse von Roland Berger. "Die Fahrer hätten mehr Zeit für produktive Arbeit wie die Planung der nächsten Auslieferung - oder ganz einfach Freizeit."

"Der Fahrer bleibt Chef in seinem Fahrzeug", betont auch Daimler. Durch die Entlastung vom Fahren "müssen" werde der Beruf vielmehr stark aufgewertet. In den USA sind die Trucker-Jobs zudem nicht sehr begehrt, so dass viele Unternehmen in Zukunft Probleme bekommen könnten, genügend Arbeiter zu finden - der Autopilot käme gelegen.

Die Technologie nütze der Gesellschaft in vieler Hinsicht, meint Experte Gary Silberg von der Management-Beratung KPMG. "Road Stress"

- durch Anspannung beim Fahren verursachte psychische Belastung - werde dadurch gelindert. Die größte Hürde sei mangelnde Akzeptanz. Autonomes Fahren könne Unfälle nicht ganz verhindern. "Wird die Menschheit einem Roboter erlauben, einen Menschen zu töten?", fragt Silberg. "Nichts ist perfekt und irgendwann wird es dazu kommen." (apa/dpa)