Luftfahrtindustrie : Cyberbetrug: Chinesen feuern FACC-Chef Walter Stephan

Beim oberösterreichischen Luftfahrtkonzern FACC bleibt kein Stein auf dem anderen. Nachdem FACC im Jänner entdeckt hatte, dass aufgrund eines Betrugsfalls auf Firmenkonten Millionen fehlten, musste im Februar die Finanzchefin gehen. Jetzt, im Mai, hat der mehrheitlich von Chinesen besetzte Aufsichtsrat völlig überraschend für die Mitarbeiter den Firmengründer und CEO Walter Stephan gefeuert.

Kurz vor zwei Uhr in der Nacht gab der Aufsichtsrat seine Entscheidung bekannt, wie die APA am Mittwoch erfahren hat. Der Schock bei den Mitarbeitern sitzt tief.

Der Aufsichtsrat behandelte bei seiner ordentlichen Sitzung am Dienstag einen Bericht zum Schadensfall. FACC hatte nach dem Auffliegen des mehr als 50 Mio. Euro schweren Betrugs externe Experten beauftragt, die klären sollten, was genau passiert war. Die Kontrollore kamen zum Schluss, dass Stephan seine Pflichten "schwerwiegend" verletzt habe, wie das börsennotierte Unternehmen am Mittwoch in der Früh via Pflichtmitteilung bekannt gab. Darüber, was Stephan genau vorgeworfen wird, gab es auf APA-Nachfrage keine Auskunft.

So lief die entscheidende Sitzung ab

Wie die "Oberösterreichischen Nachrichten" hier berichten, lief das so ab: Nach einer Sitzung habe der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder Walter Stephan und Robert Machtlinger hinaus geschickt, um den Fall alleine zu diskutieren. Derzeit zählen zu den Mitgliedern des FACC-Aufsichtsrats sieben Kapitalvertreter, fünf chinesische Vertreter des Eigentümers, zwei Unabhängige und vier Mitglieder der Belegschaftsvertretung.

Mitarbeiter: "Die FACC war Stephans Baby. Er hat die Firma aufgebaut und großgemacht"

Die Sitzung sei immer emotionaler geworden, berichtet die Zeitung. Schließlich der Vorstoß: Walter Stephan, seit über 30 Jahren im Unternehmen und die wichtigste Vertretung des Herstellers nach außen, soll gehen. Den OÖN zufolge hätten die Belegschaftsvertreter geschlossen gegen die Entscheidung gestimmt - vergeblich.

Stephan war früher bei der Fischer-Skisport-Gruppe Entwicklungsleiter und hat aus dieser heraus den Luftfahrtkonzern FACC gegegründet - das war vor rund 30 Jahren. "Die FACC war sein Baby. Er hat die Firma aufgebaut und großgemacht", sagt einer seiner engsten Mitarbeiter.

Die mehr als 3.000 Mitarbeiter des Konzerns (davon arbeiten über 2.700 in Oberösterreich) wurden am Mittwoch in der Früh von ihren Vorgesetzten über die Lage informiert. Die für 10.30 Uhr in Wien anberaumte Bilanz-Pressekonferenz, die der Nicht-mehr-CEO Stephan hätte leiten sollen, wurde kurzfristig abgesagt.

Was wirklich beim Betrugsfall passiert sein dürfte

Was den Schadensfall betrifft, dürfte es sich folgendermaßen zugetragen haben: Betrüger dürften einer FACC-Mitarbeiterin aus dem Finanzbereich eine gefälschte Email mit der Bitte um millionenschwere Überweisungen geschickt haben.

Die Mail habe so ausgesehen, als ob sie von einem firmeninternen Absender kommt. "Beim Fake-President-Betrug werden gefakte Emails an Mitarbeiter geschickt und diese werden ersucht, Handlungen zu setzen", erklärte FACC-Investor-Relations-Chef Manuel Taverne der APA. "Bei uns war die gewünschte Handlung die Überweisung von mehreren Millionen Euro - unter Vortäuschung eines Geschäftsfalls."

Die Mitarbeiterin aus der FACC-Finanzabteilung, die auf die Mails hereingefallen ist, sei ja jedenfalls "entfernt" worden, ebenso ihre Vorgesetzte, die Finanzvorständin Minfen Gu.

Oberösterreichischer Zulieferer gehört seit 2009 dem Rüstungskonzern Avic

Die FACC ist mehrheitlich in chinesischer Hand, dies schon seit 2009. Damals hat die staatliche chinesische Luftfahrt- und Militärindustrie AVIC - über ihren kommerziellen Arm - die Firma aus Oberösterreich fast zur Gänze übernommen.

2014 schickten die Chinesen die FACC dann an die Börse, heute halten sie 55 Prozent am Unternehmen. Knapp 5 Prozent hält der Erste-Group-Konzern (über Töchter), 39,6 Prozent sind im Streubesitz. Dem Aufsichtsrat der FACC stehen Chinesen vor.

Statt Stephan übernimmt nun interimistisch Vorstand Robert Machtlinger die Leitung des Konzerns, der auch Geschäftsführer der Konzerntochter FACC Operations GmbH ist. Wann ein neuer CEO kommen soll, steht zur Stunde noch nicht fest. Seit längerem im Gange ist die Suche nach einem neuen Finanzvorstand. Die gefeuerte Minfen Gu wurde vorübergehend durch Yongsheng Wang ersetzt.

Angriff reisst FACC in die Verlustzone

Der durch die Überweisungen entstandene Schaden beläuft sich nach derzeitigem Kenntnisstand auf mehr als 50 Mio. Euro. Das Geld floss auf mehrere ausländische Konten. 41,9 Mio. Euro sind definitiv futsch, den Betrag hat das Unternehmen in der Bilanz 2015/16 schon verbucht. Der "Incident", wie ihn der Konzern nennt, riss die FACC im abgelaufenen Geschäftsjahr noch tiefer in die Verlustzone. Das Ergebnis nach Steuern sackte von -9,6 Mio. auf -21,9 Mio. Euro ab, bei steigenden Umsätzen (588 Mio. nach 529 Mio. Euro).

Rund 10 Mio. Euro, die an Betrügerkonten überwiesen wurden, seien "eingefroren" worden, hieß es. "Wir arbeiten fieberhaft an der Rückführung", sagte der Investor-Relations-Chef. In dem Fall ermittelt auch die Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), FACC-Organe seien aber nicht beschuldigt, heißt es.

Die Börse applaudiert zur Entlassung von Stephan

Die Aktie der FACC hat am Mittwochvormittag zugelegt - um 3,9 Prozent auf 4,83 Euro. Zum Vergleich: der erste Börsenkurs Mitte 2014 war bei 9,50 Euro gelegen. (apa/red)