Firmenübernahmen : Chinesen setzen ihre Einkaufstour in der Schweiz fort

Schweiz
© Fotolia

Die Serie milliardenschwerer Übernahmen von Schweizer Unternehmen durch chinesische Konzerne reißt nicht ab. Nur wenige Wochen nach dem Megadeal zwischen Syngenta und ChemChina will der Mischkonzern HNA nun den Bordcaterer Gategroup schlucken. Ein Ende des Trends ist nicht in Sicht.

Das Übernahmeangebot in Höhe von 1,4 Mrd. Franken (1,3 Mrd. Euro) für die angeschlagene Gategroup ist die neuste Schlagzeile von in der Schweiz agierenden chinesischen Investoren. Zuletzt hatte der Thurgauer Trinkflaschenhersteller Sigg verkündet, künftig mit einem neuen chinesischen Besitzer tätig zu sein.

44 Milliarden Franken für Syngenta

Rekordhohe 44 Mrd. Franken bietet die chinesische Staatsfirma ChemChina für das Basler Agrochemieunternehmen Syngenta. Doch das Geschäft könnte an einem Veto der USA scheitern. Unlängst wehrte sich Syngenta gegen Vorwürfe, der Verkauf des Unternehmens an ChemChina könnte die Versorgungs- oder die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährden.

Europas Hersteller werden eine begehrte Beute

Die Einkaufstour von Firmen aus dem Reich der Mitte in der Schweiz begann indes schon vor einigen Jahren. 2015 tätigten sechs chinesische Unternehmen in der Schweiz Käufe oder beteiligten sich an Schweizer Unternehmen. Damit liegt die Schweiz europaweit auf Rang neun, wie eine im Februar veröffentlichte Studie des Beratungsunternehmens EY zeigt.

Die größte Übernahme war diejenige des Schweizer Flughafendienstleisters Swissport. Für eine Summe von 2,7 Mrd. Franken kaufte die chinesische HNA im Juli 2015 Swissport. Im Februar ging der weltgrößte Sportrechtehändler Infront Sports & Media aus Zug für rund 1,05 Mrd. Euro an die chinesische Wanda-Gruppe. Infront vermarktet unter anderem die Übertragungsrechte für die nächste Fußball-WM.

Besitzer des Mischkonzerns Wanda ist der Geschäftsmann Wang Jianlin, der 2015 mit einem geschätzten Vermögen von 32,4 Mrd. Dollar (28,5 Mrd. Euro) als reichster Chinese galt. Er besitzt einen Anteil von 20 Prozent am spanischen Fußball-Club Atletico Madrid.

Dem chinesischen Geschäftsmann Yunfeng Gao wiederum haben es vor allem Hotels in der Innerschweiz angetan. Das Hotel Palace in Luzern ist seit dem vergangenen Jahr in seinem Besitz. Zwei Hotels auf der Melchsee-Frutt sowie das Hotel Europäischer Hof in Engelberg gehören ebenfalls ihm.

Im Fokus - Industrie und Luxusgüter

Laut EY gab es 2015 drei weitere Übernahmen oder Beteiligungen von Schweizer Firmen durch Chinesen. Es handelt es sich dabei unter anderem um den Anlagen- und Maschinenbauer ATS Wickel und Montagetechnik in Würenlos AG sowie das Gesundheitsunternehmen Swiss Biological Medicine in Teufen AR.

In der Aufzählung von EY nicht erwähnt wird der Batteriehersteller Leclanche. Ende 2015 wurde bekannt, dass die von einem chinesischen Investor kontrollierte luxemburgische Golden Partner International neu einen Anteil von 29,7 Prozent an dem Schweizer Unternehmen hält.

Der Kauf ausländischer Unternehmen steht seit einigen Jahren ganz oben auf der Agenda von chinesischen Investoren. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe, wie Stephan Oehen, Chef des Beratungsunternehmens Invest der Nachrichtenagentur sda auf Anfrage sagte. Erstens seien die meist staatlichen Konzerne von der Regierung angehalten worden, gezielt im Ausland zu expandieren. Zweitens ergebe sich für chinesische Investoren durch Übernahmen die Möglichkeit, sich wichtiges Know-how anzueignen, sagte der Spezialist für Handelsfragen Schweiz-China.

Bis jetzt sei es vorwiegend in zwei Bereichen zu Übernahmen gekommen: bei spezialisierten Nischenanbietern der Industrie und im Luxusgütersektor, sagte Oehen. So verkaufte der Industriekonzern OC Oerlikon vor drei Jahren gut die Hälfte seiner Textilmaschinensparte für rund 650 Mio. Franken an die Jingsheng Gruppe. Ebenfalls 2012 übernahm die chinesische Beteiligungsgesellschaft Baoshida die Werke des pleite gegangenen Buntmetallunternehmens Swissmetal an den Standorten Dornach und Reconvilier.

Luxusuhrenhersteller werden besonders gerne geentert

Seit 2011 gehört die Uhrwerkproduzentin Eterna im solothurnischen Grenchen der chinesischen Haidan-Gruppe. 2013 gelangte zudem die Luxusuhrenhersteller Corum aus La Chaux-de-Fonds NE für 86 Mio. Franken in den Besitz von Haidan, die mittlerweile City Champ heißt. Ein Jahr später übernahm dasselbe Unternehmen für 40,8 Mio. Franken die Dreyfuss-Gruppe mit ihren Schweizer Uhrenmarken Rotary und Dreyfuss & Co sowie der englischen Marke J&T Windmills.

Die Zahl der Zukäufe chinesischer Kapitalanleger in Europa ist seit 2005 kontinuierlich gestiegen. Gingen 2005 noch 34 Unternehmen in chinesische Hände, so waren es laut den Zahlen von EY zehn Jahre später bereits 179. Das sind etwa zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor und fast doppelt so viele wie noch 2010. In Europas Wirtschaft ist das Reich der Mitte der fünftgrößte Investor.

Mit 36 beziehungsweise 34 Übernahmen oder Beteiligungen im vergangenen Jahr sind Deutschland und Großbritannien für chinesische Anleger die attraktivsten Zielländer in Europa. Danach folgen Frankreich (20), Spanien (12) und Russland (9). (sda/APA/red)

Aktuell zum Thema

Betriebe in Deutschland werden zur begehrten Beute >>

Chinesische Akteure schrauben ihre Anteile am Roboterbauer Kuka nach oben. Der Spezialmaschinenbauer KraussMaffei ist inzwischen komplett in chinesischer Hand. Und in Niedersachsen gibt es die erste Milliardenübernahme aus China.

Chinesischer Großinvestor hat bei Kuka "strategische Ziele" >>

Der chinesische Produzent Midea hält inzwischen über zehn Prozent am Augsburger Roboterbauer Kuka. Und gibt offen zu, dass es hier um "strategische Ziele" geht. Jetzt muss Anlagenbauer Voith seine Position verteidigen.

Chinesen entern Spezialmaschinenbauer Manz >>

Der Maschinenbauer Shanghai Electric übernimmt knapp 30 Prozent am deutschen Spezialmaschinenbauer Manz. Wohin der nächste Schritt gehen wird, ist sehr deutlich absehbar.