Maschinenbau : China ruft!

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Es ist Lektüre, die unweigerlich ihre Zeit braucht: Stolze 200 Seiten stark ist das Jahrbuch der Österreichischen Wirtschaft in China. Viel über bilaterale Beziehungen der Alpenrepublik mit dem Drachen-Staat liest man da - und warum der lange Arm heimischer Maschinenbauer absatzmäßig längst in die Volksrepublik reicht. Vertriebsbüros in Taipeh, Montagewerke in Shanghai - fast alles, wovon die gerade noch den europäischen Kernmärkten ergebenen Hersteller von Produktionsanlagen früher verkniffen träumten, ist heute Realität. Unter europäischer Flagge kletterten die Produktionskapzitäten in Fernost rasch nach oben. Die entwicklerischen Aktivitäten allerdings nicht. Diesen Schritt haben sich die Hersteller offensichtlich gut überlegt: "Sämtliche Entwicklungsarbeiten erfolgen ausschließlich in Österreich", gibt ein im Jahrbuch vorgestelltes mittelständisches Maschinenbauunternehmen mit nüchterner Sachlichkeit zu Protokoll. Damit seien "hochqualitative Entwicklungen und Expertenwissen" garantiert - also nichts, worauf ein Kunde in China gern verzichtet.

China überholt Deutschland

Und so findet jeder Maschinenbauer, der sich aus F&E-Sicht China verweigert, seine Gründe: Die Sorge vor Know-how-Abfluss, personelle Engpässe, oder allgemeiner: mangelndes Vertrauen in eine Entwicklungsschmiede tausende Kilometer entfernt vom Firmenshauptsitz. Eine fatale Einstellung, schlussfolgert eine Studie des deutschen Maschinenfachverbands. Denn es sei nicht mehr ausreichend, Produkte 'Designed in Germany' eins zu eins auf den chinesischen Markt zu übertragen beziehungsweise anzupassen, heißt es darin. Das Ziel müsse lauten, sie zunehmend "speziell für die dortigen Kunden zu entwickeln". Und auch wenn die Studie, wie es VDMA-Bwtriebswirt Frank Bünting ausdrückt, "kein Weckruf" sein soll, sondern mehr ein Indiz dafür, dass sich Unternehmen an den Märkten orientieren müssen, sind die Ergebnisse doch alarmierend: Jeder fünfte Maschinenbauer forsche derzeit an weiteren Standorten in Europa. "Die aktuelle Entwicklung der asiatischen Märkte", kritisieren die Studienautoren, "spiegelt sich dagegen nicht in der Zahl der dortigen Entwicklungsstandorte wider", heißt es in der Präsentation der Studie. Warum F&E in China für Maschinenbauer zur immer bedeutenderen Größe wird - und woraus sich das Strategiekonzentrat der China-Pioniere zusammensetzt.

"Gelebte Kundennähe"

Rund 9000 F&E-Zentren unterhalten Maschinenbauer (4000 davon: Sondermaschinenbau) zurzeit in China. Dass auch europäische Firmen künftig stärker mitmischen müssen, betont die Deutsche Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing: "Spezifische Kundenwünsche erfordern eine F&E-Präsenz vor Ort", lautet kurz und bündig deren Formel. Argumentiert wird das mit dem Vorstoß ins Mid-market-Segment. Um zunehmend anspruchsvollere Kunden bedienen zu können, müssten Hersteller "Forschungs-und Entwicklungszentren vor Ort betreiben". Das gilt freilich nicht nur für den Maschinenbau: "Gelebte Kundennähe darf sich nicht in lokaler Produktion und regionalen Vetriebskonzepten erschöpfen", betont etwa Martin Schmidt-Amelunxen, F&E-Boss des Klebstoffherstellers Klüber Lubrication China. Langfristig zähle eben nur "das komplette Leistungspaket inklusive Spezialentwicklungen" für spezifische Anforderungen lokaler Kunden, meint er. Und ja, das sei kein ganz leichter Schritt - aber ein zwingend erforderlicher: "Die große Entfernung zu Deutschland, die Sprachbarrieren und die Zeitverschiebung erfordern lokal vorgehaltene F&E-Ressourcen", sagt der Klüber-Experte. Ähnlich radikal denken die Entwickler des Chemikonzerns BASF. Noch ist der Großteil der derzeit rund 11.000 Mann starken F&E auf deutschem Boden stationiert. Bis 2020 sollen rund ein Viertel des F&E-Personals in Asien arbeiten - knapp die Hälfte in der Volksrepublik China. So schnell wird es im Maschinenbau wohl nicht gehen. Doch auch hier ist der Aufbau von F&E-Kapazitäten in Fernost praktisch beschlossene Sache. Erstmals überflügelt das Engagement deutscher Maschinenbauer in China jenes in der Heimat, erhob die Studie des VDMA: 13 Prozent der neuen F&E-Standorte seien in China geplant, so die Erhebung unter 138 deutschen Maschinenbauern. Der Standort Deutschland fällt mit neun Prozent zurück.

Applikationsforschung

Überraschende Zahlen - vor allem da es sich laut Studie sehr wohl auch um eine "Verlagerung der F&E-Aktivitäten" handelt. VDMA-Spezialist Frank Bünting relativiert allerdings: "Es ist nicht so, dass die China-Aktivitäten massiv zulasten des deutschen Standorts gehen werden", sagt er. Das Gros der Grundlagenforschung werde weiterhin in Deutschland stattfinden, die "Applikationsforschung" wandere aber stärker "in die Zielländer". Bünting meint damit Anpassungsentwicklungen. "In China hätten Maschinenbauer die Chance, mit "kleinen schlagkräftigen Organisationseinheiten, die den Markt viel besser verstünden als Europäer, "schneller und flexibler auf Veränderungen zu reagieren", sagt er. Der Fördersystemehersteller Eirich etwa lebt das vor: "Die absoluten Spitzenprodukte kommen weiterhin aus Deutschland, Adaptionen für den chinesischen Markt besorgen die Deutschen vor Ort", erzählt ein Branchenkenner. Anderes Beispiel: Der Bearbeitungsmaschinenbauer Vollmer: In (und für) China entwickelte dieser eine völlig neue Maschine, die in Deutschland "so nie entstanden wäre", sagt er.

Viele Spielarten

Spielart für China-F&E gibt es allerdings nicht nur die eine - diese Feststellung ist VDMA-Mann Bünting wichtig. Und das zeigt auch der Markt: Neben reinen Produktanpassungen an den Markt liegen "zunehmend Neuentwicklungen für spezifische Kundenanfragen im Trend", hält die Deutsche Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing fest. Der Biegemaschinenbauer Trumpf in Pasching fand einen ganz eigenen, spektakulären Weg, mit der Asientochter gemeinsame Sache zu machen: Das auf den chinesischen Markt zugeschnittene Biegezentrum TruBend 1000 - nur dort erhältlich - ging als erste Gemeinschaftsentwicklung der Oberösterreicher mit Trumpf China in die Firmengeschichte ein.

Hochtechnologie aus Pasching

Ein entwicklerischer Coup, der drehbuchgemäß (und zwar in gemeinsamer Modulbauweise) umgesetzt wurde: Das Trumpf-Product Board erkannte frühzeitig, dass der chinesische Markt auf absehbare Zeit im low end-Segment überdurchschnittliche Wachstumschancen bieten wird. "Man kennt dort großteils noch kein Stationsbiegen", schildert Trumpf Österreich-Chef Armin Rau. Auch was in Europa oder USA bestenfalls Nostalgiker emotional anrührt, fand in der China-Entwicklung Anwendung - manuelle Hinteranschläge. Zudem kommt die speziell für den chinesischen Markt designte Maschine ohne CE-Kennzeichnung aus. "Die Hochtechnologie stammt aus Pasching, die Mechanik großteils aus China", fasst Rau zusammen. Profitieren können beide Standorte. Die Paschinger leiteten die Erkenntnisse aus dem Gemeinschaftsprojekt schließlich in die kostengünstigere Entwicklung ihrer Midrange-Serie TruBend 3000 über - "bei verbesserter Funktionalität konnten wir den Listenpreis dieser Maschine dank der Erfahrungen mit China senken", sagt Rau. Ist die Zeit reif, könnten die Paschinger die Ergebnisse aus der Entwicklung der 3000er-Serie wiederum an chinesische Entwickler weitergeben. Und das wichtigste: Es wurden weder F&E-Arbeitsplätze in Pasching verbrannt noch entwicklerische Risken eingegangen. Der Biegemaschinenbauer hat durchweg positive Erfahrungen gemacht. Die Chinesen seien in der Entwicklungsarbeit "sehr fokussiert und ungemein detailversessen", konstatiert Rau.

Denkschmiede China

Die Grafik zeigt den Anteil an den weltweiten Ausgaben für F&E.

So entwickeln Sie in China effizient

Worauf bei der Produktentwicklung in China zu achten ist:

Verwenden Sie Standardkomponenten!

Vermeiden Sie Overengineering!

Verwenden Sie Baukästen!

Reizen Sie die Möglichkeiten der Modularisierung aus!

Benennen Sie Personen, die über die Einhaltung von Standards wachen!

Orientieren Sie sich auch in China am gesamten Produktlebenszyklus!

Nachholbedarf

Bei der F&E haben Maschinenbauer längst noch nicht den höchsten Exzellenzgrad erreicht.

Ob Mitteleuropa oder China: In der Produkt- und Technologieentwicklung zeigen sich bei den Maschinenbau-Unternehmen noch deutliche Defizite. Mit 45 Prozent haben sie noch nicht einmal die Hälfte möglicher Methoden und Prinzipien einer effizienten Entwicklung umgesetzt, schlussfolgert die Studie "Lean Development im deutschen Maschinenbau 2015", durchgeführt vom VDMA und Staufen. Die Top-20-Unternehmen gestalten diesen Prozess zwar besser, erreichen aber auch nur einen Umsetzungsgrad von weniger als 60 Prozent, heißt es dort.