Alpbach : Bioökonomie als Chance für die heimische Industrie

Bei der Bioökonomie geht es darum, dass sich Wirtschaft und Industrie die Natur mit ihren Energie- und Stoffwechselkreisläufen zum Vorbild nehmen und nachhaltig, sowie möglichst energie- und ressourcenschonend haushalten. Nachwachsende Rohstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft sollen statt Erdöl die nötigen Rohmaterialien und erneuerbare Energie liefern. Sie soll dabei viele Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Abhängigkeit vom knapp werdenden Erdöl und seinen Förderländern verringern, Industrie und Wirtschaft umwelt- und klimafreundlicher machen sowie eine wachsende Weltbevölkerung mit Nahrung und Produkten versorgen. Großes Potenzial für die Bioökonomie sieht man hierzulande dabei in der Forstwirtschaft. "Es ist natürlich ohne Zweifel, dass Österreich ein Waldland ist, und ohne sie wird es in der Bioökonomie hier nicht gehen", meint Hubert Dürrstein, Professor für Forsttechnik an der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien, im Zuge der Gespräche in Alpbach.

Man müsse das Holz in Österreich möglichst optimal für die verschiedenen Nutzungsansprüche verfügbar machen, so Dürrstein. Dies sei hierzulande gar nicht so einfach. "In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Mechanisierung der Forstwirtschaft intensiv vorangetrieben, aber die dafür nötigen großen Maschinen sind in dem oft sehr steilen Gelände in Österreich nicht einsetzbar", erklärte er.

Drohnen sollen unterstützen

Deshalb würde man die Effizienz auf andere Art steigern, unter anderem mit modernen, digitalen Geländemodellen, indem das Gelände elektronisch mit Hilfe von Drohnen erfasst wird und man mit spektroskopischen Methoden die Holzqualität schadensfrei am Baum misst. "Damit ist es letztendlich möglich geworden, auch in einem relativ schwierigen Gelände das richtige Holz zur richtigen Zeit zu nutzen", sagte Dürrstein.

Das erwirtschaftete Holz gelte es anschließend sinnvoll zu verwerten. "Es geht natürlich immer die stoffliche Nutzung vor der energetischen Verwertung", erklärte er. Freilich gebe es, begonnen bei der Fällung im Wald, praktisch in allen Produktionsstufen Nebenprodukte, die nicht die Qualität für eine industrielle Verwendung haben. "Bei diesen macht es durchaus Sinn, sie zur Energiegewinnung zu benutzen, auch damit wird die Gesamtnutzungsbilanz verbessert", so Dürrstein.

"Es fallen aber zum Beispiel bei der Zellstofferzeugung, also der Verarbeitung von Holz zu Papier, riesige Mengen an Ligninen an, die derzeit 'thermisch verwertet' werden", sagte Martin Gerzabek. "Bei uns laufen derzeit Forschungsprojekte, wie man diese sehr komplexen Strukturen, die eine tolle Syntheseleistung der Natur sind, für hochwertige Produkte verwerten kann", erklärte er - zum Beispiel als Klebstoffe oder als Bodenverbesserer.

Auch in der Landwirtschaft gebe es zahlreiche Nebenprodukte, die derzeit kaum genutzt werden. "Zur Zeit werden in Europa zehn Millionen Tonnen Weizenkleie jährlich in der Mühlenindustrie produziert und verbrannt", so Gerzabek. Man könne jedoch auch Konzepte entwickeln, diese sehr hochwertigen Reststoffe zu Nahrungs- oder Futtermitteln zu verarbeiten oder Grundstoffe der chemischen Industrie daraus zu produzieren.

"Es ist extrem wichtig, dass wir zu einer kaskadenartigen Nutzung der Biomasse kommen", sagte er. Aus der land- und forstwirtschaftlichen Primärproduktion solle man in erster Reihe Nahrungs- und Futtermittel herstellen, danach die industrielle Produktion und anschließend die Energiegewinnung bedienen. Dabei gelte es, die Produkte jeweils so hochwertig wie möglich zu verwenden.

Biomasse einfach in industriellen Prozess einbinden

"Das Schöne an der Biomasse ist, dass sie genau so aus Kohlenwasserstoffen besteht wie das Öl, also sollte es möglich sein, sie relativ einfach in die industriellen Prozesse einzuschleusen", erklärte Clemens Matzer. Um die Rohstoffe aus der Landwirtschaft in Grundstoffe für die Industrie verwandeln, seien freilich Bio-Raffinerien nötig. Diese solle man am besten dort aufstellen, wo die Rohstoffe anfallen: nämlich am Land. "Die Bioökonomie wäre damit auch ein Beitrag für die Entwicklung im ländlichen Raum und gegen die Abwanderung in die Stadt", sagte er.

Wirtschaftsfaktor

"In Österreich sichern die verschiedenen Sektoren der Bioökonomie etwa 230.000 Arbeitsplätze und generieren acht Prozent des Bruttoinlandproduktes", erklärt Martin Gerzabek, Rektor der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien, im Gespräch mit der APA.. Dieser Beitrag von 14,6 Milliarden Euro sei signifikant, genau so wie die entsprechenden zwei Billionen Euro und 22 Millionen Beschäftigten in Europa. "Was wir in Alpbach diskutieren, ist, wie wir dies durch eine stringente Strategie weiterentwickeln können", erläuterte er. (apa)