Automobilindustrie : Autozulieferer Grammer: Autonomes Fahren wertet den Innenraum auf

Der Autozulieferer Grammer wird nach deutlichen Zuwächsen im zweiten Quartal zuversichtlicher für das Gesamtjahr. Bei Umsatz und Ergebnis legt das Management um Vorstandschef Hartmut Müller die Latte höher. Die im Jahresverlauf dank besserer Ergebnisse und Übernahmefantasie schon gut gelaufene Aktie bekam dadurch neuen Schub und kletterte auf ein Rekordhoch. Müller machte im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX zudem Hoffnung auf weiter gute Geschäfte in den kommenden Jahren.

Grammer fertigt für die Autoindustrie vor allem Mittelkonsolen und Kopfstützen, für Lkw-Hersteller, Baugeräte und landwirtschaftliche Maschinen zudem Sitze. Der Jahresumsatz soll im laufenden Jahr auch dank der Übernahme des Kunststoffspezialisten Reum um gut 15 Prozent auf rund 1,66 Mrd. Euro klettern. Zuvor hatte sich der Spezialist für Automittelkonsolen und Nutzfahrzeugsitzen rund 1,6 Mrd. Euro zugetraut. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) soll "deutlich" auf mehr als 60 Mio. Euro steigen. Bisher hatte Grammer lediglich mehr als den Vorjahreswert von 42,7 Mio. Euro in Aussicht gestellt.

Starkes Wachstum in China und Nordamerika

Im zweiten Quartal stieg der Erlös auch dank des zugekauften Kunststoff- und Metalltechnikspezialisten Reum um 21,6 Prozent auf 434,7 Mio. Euro. Nachdem ungünstige Währungskurse das Ergebnis ein Jahr zuvor besonders stark belastet hatten, wuchs der Gewinn vor Zinsen und Steuern von 8,1 Mio. Euro auf diesmal 21,6 Mio. Euro. Die operative Marge lag mit 5 Prozent mehr als doppelt so hoch wie vor einem Jahr.

Auch weniger Anlaufkosten für neue Produkte in der Autosparte und für den Konzernumbau hätten das Ergebnis angetrieben, sagte Grammer-Chef Müller in Frankfurt. Unter dem Strich zog der Gewinn von 3,9 Mio. Euro vor einem Jahr auf nun 13,8 Mio. Euro an.

Bei selbstfahrenden Autos wird der Innenraum wichtiger

Bis 2020 will Grammer dank starken Wachstums in China und Nordamerika den Umsatz auf rund 2 Mrd. Euro steigern. "60 bis 70 Prozent der Aufträge sind dafür schon gebucht", sagte Müller. Profitieren will der Manager unter anderem davon, dass sich die Innenausstattung von Autos und Nutzfahrzeugen mit der technischen Weiterentwicklung von Fahrerassistenzsystemen positiv im Geschäft niederschlägt.

"Autos werden künftig von innen nach außen konstruiert, der Innenraum wird zum Multifunktionsraum." Innenräume könnten beispielsweise künftig individuell gestaltet werden: je nach Kundenwunsch zum Beispiel auf das Arbeiten oder auf Unterhaltung hin ausgerichtet. "Die Innenausstattung wird mit deutlich mehr Elektronik angereichert werden, Funktionen wandern vom Armaturenbrett in die Mittelkonsole", sagte Müller. Kopfstützen könnten sich zudem künftig automatisch über Sensoren auf die ideale Position für Insassen einstellen.

Elektromobilität ist keine Einflußgröße

Im Autogeschäft als auch in der Sitzesparte spielen dem Unternehmen nach Ansicht von Müller die Branchentrends in die Karten. Zudem sei das Geschäft sehr stabil: "Unser Geschäftsmodell wird durch zum Beispiel die Elektromobilität nicht bedroht."

In den vergangenen Jahren hat Grammer sich neu aufgestellt und ist in den wichtigen Märkten präsenter. "Es reicht nicht mehr, den Autoherstellern ein qualitativ einwandfreies Produkt zu liefern. Wir müssen vor Ort sein, in jeder Region auch Forschung und Entwicklung bieten", argumentiert Müller.

Müller kann sich auch weitere Zukäufe vorstellen. Wunschkandidaten sind vor allem kleinere Unternehmen, die in die Strategie und zu den eigenen Produkten passen. "Für die internationale Expansion fehlt vielen Unternehmen die Größe, und bei passenden Gelegenheiten können wir durchaus noch für kleinere dreistellige Millionenbeträge zuschlagen." Vor allem im Elektronikbereich sieht er gute Chancen, passgenaue Ergänzungen zu finden.

Auch um Grammer selbst hat es zuletzt verstärkt Übernahmefantasie gegeben, weil der Anfang des Jahres eingestiegene Investor Nijaz Hastor mit seiner Beteiligungsgesellschaft Halog sein Paket bis auf aktuell 15 Prozent aufstockte. "Der Einstieg von Halog bei uns mit 15 Prozent ist für uns eine Bestätigung und keine Störgröße", sagte Müller. Direkter Kontakt zu dem größten Aktionär bestehe aber derzeit nicht. (APA/dpa-AFX/red)