Umweltnormen - ein Hintergrund : Auf Beutezug

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© malp - Fotolia

Ein stattliches Hackschnitzelwerk am eigenen Betriebsgrundstück. Produktionsexzellenz. Und schließlich – ein nach EMAS als auch ISO- 14001-zertifiziertes Umweltmanagementsystem, mit dem es der Betrieb bei Planung und Analyse des Ressourceneinsatzes zu großer Meisterschaft gebracht hat: Beim Salzburger Kunststoffverarbeiter, der lieber ungenannt bleiben will, überlässt man, geht es um effizienten Rohstoffeinsatz, nichts dem Zufall. Umso ärgerlicher für die Salzburger, vom Gesetzgeber nun zu noch mehr Engagement angespornt zu werden. Das Energieeffizienzgesetz brachte dem Betrieb nicht nur die Gewissheit, dass sich Umweltorientierung auszahlt – sondern auch zusätzlichen administrativen Aufwand: "Als Besitzer des EMAS- und ISO-Zertifikats war es für uns eine böse Überraschung, von den verpflichtenden Energieaudits nicht ausgenommen zu sein", erzählt der Energiebeauftragte des Unternehmens.

Höherer Anspruch

Für in dieser Hinsicht leidgeprüfte Industriebetriebe könnte es noch dicker kommen. So wurde im September die Revision der internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001 veröffentlicht – an sich eine gute Sache. Ganz taufrisch war die Letztfassung der 1996 erstveröffentlichten Norm nämlich nicht mehr. In der Überarbeitung 2009 wurden lediglich kleinere sprachliche Anpassungen vorgenommen. "Jetzt kam es zu substanziellen inhaltlichen Änderungen", schildert ein Mitglied der ISO-Arbeitsgruppe TC 207/SC. Das Komitee, für die Revision des internationalen Umweltmanagementstandards verantwortlich, einigte sich im April auf den Schlussentwurf, der seit ein paar Wochen nun die Grundlage für die weitere Zertifizierung darstellt. "Die Revision lässt sich nicht vermeiden und es ist gut, dass die aktualisierte Fassung höhere Ansprüche stellt", meint ein Anwender der Norm. Weniger erfreulich: Dass die Normierungsarbeit meist immer auf einen Kompromiss der Interessensgruppen – Zertifizierern, Industrieverbänden, NGO – hinausläuft. Das habe bei der ISO 14001 dazu geführt, dass "Formulierungen schwammig gehalten wurden", meint ein Normenexperte. Zertifizierer dürften – gerade beim Punkt der Lebenszyklusbetrachtung – "Interpretationsspielraum haben", beobachtet er. Zudem gibt es Zweifel daran, ob durch die Aufwertung der Norm der Zeitaufwand für die erforderlichen Audits derselbe bleibt. Nicht nur auf schon zertifizierte Unternehmen könnte ein zusätzlicher Normierungsaufwand zukommen. Bis Jahresende will die EUKommission in einem Aktionsplan weitere umweltpolitische Maßnahmen ankündigen – ein Kreislaufwirtschaftspaket steht in den Startlö- chern. Dafür angedacht, so ist der Brüsseler Konsultation zu entnehmen: neue Standards. Oder Steuererleichterungen für Unternehmen, die bereits ein Energiemanagementsystem ihr eigen nennen. In anderen Worten – die ISO-14001-zertifiziert sind.

Die gute Nachricht: Eine penibel aufgeschlüsselte Ökobilanz werden Unternehmen im Rahmen der ISO-14001-Zertifizierung auch künftig nicht erstellen müssen. Wohl aber rückt die Lebenszyklusbetrachtung in den Fokus. Versuche, das Regelwerk dahingehend abzuschwächen, KMU das Leben nicht übertrieben schwer zu machen, gab es vor allem von der kanadischen Normierungsseite. Trotzdem birgt die überarbeitete Norm Zündstoff. "Aufeinanderfolgende und miteinander verknüpfte Phasen eines Produktsystems, von der Rohstoffgewinnung oder -erzeugung bis zur Behandlung am Ende der Lebensdauer", rücken nun in die Betrachtungen. Normungsexperten schlussfolgern, dass es deshalb nicht schlecht wäre, wenn künftig auch die Lieferanten eines Unternehmens ISO-14001-zertifiziert wären. Auch wenn es nach wie vor "auch andere Möglichkeiten“ gebe als die Verwendung eines Umweltmanagementsystems: Zertifizierer dürfen sich dank der Lebenszyklusbetrachtung, die sich wie ein roter Faden durch die Norm zieht, auf schöne Mehreinnahmen entlang der Lieferkette freuen. Auch für bereits ISO-zertifizierte Unternehmen könnte der finanzielle Aufwand steigen. Einen deutschen Zertifizierungsexperten erreichte dieser Tage ein britisches Positionspapier. Darin wird implizit schon einmal zum Ausdruck gebracht, was die Branche so alles kommen sieht: Die Anforderungen an Zertifizierer würden durch die Revision der ISO 14001 spürbar steigen – "und damit auch der zu erwartende Zeit- und Kostenaufwand für Audits", heißt es darin.

Eine Verschärfung droht nicht nur Betrieben, die innerhalb der nächsten drei Jahre auf die ISO 14001:2015 umstellen müssen. Europäische Betriebe, die bisher aus Überzeugung kein ISOzertifiziertes Umweltmanagementsystem betreiben, könnten ebenfalls zum Handkuss kommen. Schuld ist ein Anlauf der EU-Kommission, eine Kreislaufwirtschaft innerhalb der europäischen Grenzen zu verankern. Bis Ende des Jahres will EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker sein umstrittenes Projekt inhaltlich festzurren. Das ehrgeizige Ziel der Initiative: die Wiederverwertbarkeit aller Produkte in der EU. Die Normenlast auf Unternehmen könnte so weiter zunehmen. So regt der Maschinenverband VDMA an, das Informationsdefizit bei der Qualität von Recyclingmaterial durch "Standards für spezifische, anwendungsbasierte sekundäre Rohstoffe" zu beseitigen. Zu den Gewinnern würden auch die Zertifizierer zählen. Zugleich könnte die ISO 14001 zur "Supernorm" aufsteigen. Steuerliche Anreize durch nationale Gesetzgeber könnten die Industrie bewegen, stärker als bisher auf ISO-zertifizierte Umweltmanagementsysteme zu setzen. Und auch in der Kreislaufwirtschaft wäre die ISO 14001 bestens aufgehoben, wie ein Normungsexperte versichert: "Welche Materialien beim Produkt zum Einsatz kommen, was zum Lebensende mit diesem passiert und welche Reparaturerleichterungen denkbar sind – all das sagt mir ein Umweltmanagementsystem." ISO-Zertifizierer könnten es nicht schöner formulieren.

Die Verschärfung der Umweltauflagen überrascht in ihrer Breite auch deshalb, weil bei der Ökodesignrichtlinie zuletzt eher ein Gang zurückgeschaltet wurde. Es finde hier gerade ein "Paradigmenwechsel" statt, schildert ein Experte. Beispiel Industrieofenbau: Dort dürften nach massiver Kritik aus der Industrie dem Vernehmen nach keine Durchführungsmaßnahmen für Hersteller kommen. „Die Ökodesignrichtlinie wurde von den Zuständigen als nicht das richtige Medium erkannt“, heißt es in der Branche. Dagegen kam von der Kommission die Idee, innerhalb der BranchenMerkblätter BREFS (beste verfügbare Technologien) die Grenzwerte – nicht nur für Großmaschinen – fachspezifisch runterbrechen zu lassen. "Jede Branche – etwa Stahl, Glas oder Aluminium – trifft sich dann und diskutiert, welche Effizienzvorgaben sinnvoll sind", so der Plan. Politischen Druck gibt es insofern, als die Maßnahmen innerhalb von vier Jahren umzusetzen sind. Die Definition der Grenzwerte überantwortet die Kommission nun aber den fachlichen Kreisen. Auch bei den Werkzeugmaschinen sieht es danach aus, als würde es aus einer Zwangsverordnung grüner Produkte nichts werden. Damit wäre ein jahrelanges Ringen um eine Selbstregulierung – der keine verpflichtenden Energieeinsparungen folgen müssen – erfolgreich zugunsten der Industrie ausgefallen. Im Herbst wird das Zwischenergebnis durch die zuständige Kommissionsabteilung einem Prüf-Board (Regulatory Scrutiny Board) präsentiert. "Das Board wird den Entwurf voraussichtlich durchwinken“, glaubt ein Verbandsexperte. Damit sei die Wahrscheinlichkeit groß, „dass ab 2016 eine Selbstregulierung installiert" werde, sagt er. Die Holzbearbeitungsmaschinen fielen ganz aus dem Fokus, wie früher schon kunstoffverarbeitende Maschinen.

Sie gilt als Best-Practice-Beispiel, wie sich aus der Ökodesignrichtlinie ein unter allen Beteiligten mehrheitsfähiges Regelwerk ableiten lässt: der Antriebsbereich, der Erzeuger wie ABB, Siemens oder ATB und Anwender in der gesamten Industrie umfasst. Zwar mussten Elektronikverbände wie der ZVEI immer wieder mal korrigierend eingreifen, wenn eine Übergangsfrist für verbindliche Maßnahmen von Brüssel wieder einmal zu knapp angesetzt war. Doch insgesamt arrangierte sich die Branche mit den neuen Anforderungen. Seit Juni 2011 erfüllen alle in Europa in Verkehr gebrachten Antriebe die Energieeffizienzklasse IE2, seit Jänner dieses Jahres zusätzlich auch alle E-Antriebe von 7,5 bis 375 Kilowatt die Norm IE3 (beziehungsweise IE2 plus Frequenzumrichter). 2017 kommen die nächsten Verschärfungen – und zumindest herstellerseitig hat man sich damit längst abgefunden. Dagegen laufen die Maschinenbauer – vor allem die Zerspaner – seit Jahren Sturm gegen verpflichtende Anforderungen – denn kundenseitig, also besonders Großlieferanten von Maschinentechnik, sei die Bereitschaft, für mehr Energieeffizienz auch mehr hinzublättern, enden wollend, so ein Argument. Ende September steht praktisch fest, dass aus einer Verpflichtung durch den Gesetzgeber nichts wird – die Maschinenbranche hat sich eine Selbstregulierung ausbedungen. Einen Etappenerfolg feierten auch die Industrieofenbauer – auch hier wurden die Energieeffizienzvorgaben mangels Branchenakzeptanz auf den letzten Metern deutlich abgeschwächt.